Bildvorstellung: The Rise
Das Bild, das ich vorstellen möchte, zeigt eine Ansammlung von Blättern, die langsam vertrocknen und durch irgendeine Kraft so angeordnet wurden, dass sie eine fremdartige Skulptur ergeben. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie sehr ich mich darüber gefreut hatte, diese Struktur zu entdecken.
Ich weiß bis heute nicht, ob sie als Ganzes Teil einer Pflanze war oder ob der Wind und die Naturkräfte sie dort einfach neben einer Hecke so arrangiert hatten. Die ganze Fototour an diesem Tag entstand aus einem Experiment: Ich wollte an einen Ort fahren, an dem ich normalerweise keine Bilder machen würde und dort nach Dingen suchen, die es zu fotografieren gibt. Mein Auge dafür schulen, Motive zu finden und festzuhalten.
„The Rise“ ist im Anschluss Teil einer ganzen Serie geworden, die bis heute noch weiter wächst (sic!). Während die meisten Naturfotografen, die ich kenne, im Frühling und Sommer ihre Kameras auspacken und wild nach draußen laufen, um Blümchenbilder zu machen (was ich natürlich auch tue), habe ich mir angewöhnt, meinen Schwerpunkt auf den Herbst und den Anfang des Jahres zu setzen.
Ich gehe dann in Parks, in den Wald oder einfach an irgendeinen Ort, an dem Pflanzen wachsen und beobachte, was passiert, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, die Blumen verwelken, die Blüten langsam verblühen oder wie die Flora aussieht, wenn sie nach dem Winter wieder aus der Schneedecke hervorkriecht. Ich versuche, diese ganz eigentümlichen Formen des Verfalls einzufangen, die meiner Meinung nach nicht weniger beeindruckend als die Blütezeit sind und zusätzlich viel ungewöhnlicher wirken, weil man sie nicht so oft auf Fotos vorgeführt bekommt.
Die Bearbeitung und die Technik, die hinter „The Rise“ stehen, sind nicht groß der Rede wert. Es ist technisch auch gar kein gutes Makrofoto (heute würde ich beispielsweise wohl die Spitze mit in den Fokus nehmen). Ich sah das Bild schon in schwarzweiß, als ich es aufnahm und habe es mit meiner üblichen Schwarzweißkonvertierung bearbeitet. Diese ist sehr stark darauf ausgelegt, die Details hervorzuheben und auch die Kontraste zu verstärken. Zusätzlich habe ich ihm einen leichten Sepia-Ton und eine Körnung für einen analogeren Look gegeben. Es verstärkt den Effekt, es hier mit einer Art abstrakten Installation zu tun zu haben.
Auf Facebook schrieb ich unter das dazugehörige Album, in das ich neue Bilder aus der Reihe oft hochlade, den Satz „Ich sehe tote Pflanzen“. Eine Anspielung auf einen Film, die eigentlich zunächst nur als spontaner Witz über mein eigenes Projekt gemeint war – Witze über sich selbst machen zu können, ist eine sehr wichtige Eigenschaft, glaube ich.
Je länger ich über den Satz nachdenke, desto besser beschreibt er aber doch sehr präzise, was das Projekt und das Bild sagen wollen: Als Fotograf die Dinge zu sehen versuchen, die sonst nicht gesehen werden, seinen ganz eigenen Blick auf die Welt zeigen.
Der Tag, an dem ich das Bild „The Rise“ und die ersten anderen Fotos aus der Reihe aufnahm, war ein grauer Herbsttag im Oktober. Ich lief durch das Industriegebiet der Stadt, in der ich damals wohnte und machte Bilder von einem kargen Gestrüpp, als ein älterer Passant an mir vorbeilief, mein Treiben beobachtete und fragte: „Was bilden Sie denn da ab? Da ist doch nichts.“
Genau dieses Nichts, das im normalen Kontext Nicht-Wahrgenommene will ich mit der Reihe einfangen, denn ihm wohnt meiner Meinung nach eine sehr fremdartige Schönheit inne. Pflanzen wissen, wie man elegant stirbt.