27. März 2013 Lesezeit: ~7 Minuten

Im Gespräch mit Daniel Barth

Als ich auf die Fotos von Daniel Barth gestoßen bin, bekam ich ein ganz wohliges Gefühl und es entstand der Wunsch, den Menschen hinter der Kamera kennenzulernen. Daraus ging ein sehr netter und inspirierender Kontakt hervor und außerdem ein interessantes Interview.

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Wenn man sich Deine Fotos anschaut, begegnet man Gesichtern in schwarzweiß und tanzenden Körpern. Als was für einen Fotografen würdest Du Dich bezeichnen?

Mit derlei Bezeichnungen habe ich ein wenig meine Probleme. Es sind zwar ganz klar zwei Leidenschaften, die mich in der Fotografie antreiben: Menschen im Allgemeinen und tanzende Menschen im Besonderen.

Diese Leidenschaften prägen entsprechend stark meine Arbeiten. Zugleich gibt es aber Tanz- und Portraitfotografen – zweifellos naheliegende Kategorien – mit denen ich jenseits des Sujets de facto nichts gemeinsam habe.

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Du fotografierst analog und häufig schwarzweiß, warum?

Portraits fotografiere ich fast ausschließlich analog und in der Tat viel schwarzweiß. Vor allem, weil ich die reduzierte und konzentrierte Wirkung schätze oder auch das grobe Korn bei gepushter Entwicklung.

Die Schwarzweiß-Fotografie hat aber nichts Programmatisches bei mir, ich arbeite durchaus auch gern mit Farbfilm und Polaroid.

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Was im Allgemeinen und im Besonderen bewegt und fasziniert Dich an der Fotografie?

An der Portraitfotografie fasziniert mich vor allem die Intensität, mit der man sich mit einem – bis dahin häufig fremden – Menschen auseinandersetzt. Die Bereitschaft, innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit eine besondere Form von Vertrauensverhältnis zu schaffen, sich aufeinander einzulassen, ein Stück weit jemanden zu entdecken bzw. sich entdecken zu lassen.

Es gibt im „normalen Leben“ kaum vergleichbare Situationen. Das funktioniert wahrscheinlich auch in der Fotografie nur, weil es hier einen relativ geschützten Raum mit klarer Rollenverteilung und Zielsetzung gibt. Ich glaube nicht, dass man die Essenz eines Menschen in einem Foto festhalten kann. Aber zumindest essentielle Aspekte einer Persönlichkeit lassen sich durchaus entdecken und auf Film bannen.

Das ist ein immer wieder faszinierendes Abenteuer.

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Die Beschäftigung mit dem Tanz reicht bei mir ebenfalls weit zurück. Als Kind habe ich selbst Ballett getanzt – aber relativ bald eingesehen, dass weder Disziplin noch Talent für ambitioniertere Pläne ausreichend vorhanden sind. Die Begeisterung ist aber geblieben.

Aus fotografischer Sicht vereinen sich in der Tanzfotografie gleich mehrere faszinierende Aspekte. Die rein ästhetische Faszination für die Schönheit der Bewegungen und der Körper. Die Konzentration und Hingabe, mit der Tänzer häufig so in ihrer Kunst aufgehen, dass man als Fotograf kaum mehr wahrgenommen wird. Das ermöglicht ein sehr freies Arbeiten und einen unverstellten Blick, was ich sehr schätze.

Dann ist Tanzfotografie so, wie ich sie praktiziere – also: Auf der Bühne oder jenseits des Studios irgendwo im öffentlichen Raum – ein Feld, auf dem man als Fotograf vor allem reagiert und improvisiert. Man weiß nie, was gleich passiert oder wie Dinge sich entwickeln, der einzelne Moment ist nicht wiederholbar.

Man gibt so viel Kontrollmöglichkeit ab, aber gleichzeitig arbeitet man sehr fokussiert und es entsteht ein Dialog, man tanzt in gewisser Weise mit. Das gilt sogar fast wörtlich, denn ich bin ständig in Bewegung, brauche viel Platz. Je nach Choreografie nähert sich mein Kalorienverbrauch dem des Tänzers an.

Abschließend mag ich auch die rein technische Herausforderung: Man arbeitet mit einem flüchtigen Motiv in ständiger, schneller und unvorhersehbarer Bewegung, dazu extremen Lichtsituationen, häufig in raschem Wechsel. Über das Fotografieren selbst darf man da nicht nachdenken, jeder Griff muss einfach sitzen. Das ist auch ein schöner Ausgleich zur Portraitfotografie, bei der ich mir gern Zeit nehme, ja, wo Ruhe und eine gewisse Langsamkeit geradezu wichtig sind.

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Wie kam es dazu, dass Du Dich der Fotografie zugewendet hast?

Über Neugier, Faszination und Experiment – und als reiner Autodidakt. Ich würde mich als visuellen Menschen beschreiben, will sagen: Ich habe eine sehr bildhafte Fantasie, verbinde Atmosphären, Emotionen oder Eindrücke schnell mit starken Bildern. Die Aussicht, Bilder festhalten und mit anderen teilen zu können, war insofern schon früh sehr reizvoll.

Die ersten Schritte in die Richtung: Mit zwölf oder dreizehn Jahren habe ich die Spiegelreflexkamera meines Vaters gekapert und damit wild drauflos geschossen. Das war ein vollmechanisches Relikt ohne funktionierenden Belichtungsmesser, entsprechend breit gestreut war die Qualität der ersten Ergebnisse. Sehr wohlwollend gesprochen.

Aber irgendwie war das auch ein Glücksfall, denn so war ich gezwungen, mich intensiver mit den Grundlagen auseinanderzusetzen. Und auch meine Vorliebe für die analoge Fotografie geht wahrscheinlich zu einem Teil darauf zurück. Nach einer Phase der Abstinenz habe ich letztlich während des Studiums angefangen, mich wieder ernsthaft und dauerhaft der Fotografie zu widmen. Und bin seither dabei geblieben.

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Menschen zu porträtieren ist etwas sehr Intimes und Spezielles. Auf welche Art und Weise stellst Du den Kontakt her zu den Menschen, die Du fotografierst?

Das ist ganz unterschiedlich. In Sachen Portrait durchaus auch über einschlägige Onlineportale, obwohl das in letzter Zeit nachgelassen hat. Im tänzerischen Bereich läuft viel über persönliche Kontakte oder gemeinsame Bekannte. Interessante Tänzer für künstlerische Projekte spreche ich auch direkt an, sei es bei Proben und Aufführungen oder auch via Facebook.

Und dann kommt es mitunter vor, dass mir im Kaufhaus oder der U-Bahn derart faszinierende Menschen begegnen, dass ich sie ganz dreist ansprechen und zu einer Zusammenarbeit einladen muss. Zu guter Letzt werde ich angesprochen – über Homepage, Facebook oder Empfehlungen – woraus sich auch immer wieder interessante Begegnungen ergeben.

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Gibt es ein bestimmtes Gefühl, das Du mit Deiner Fotografie transportieren möchtest?

Ein spezifisches Gefühl sicher nicht, nein. Ein breites Spektrum emotionaler Zustände reizt mich. Verbindende Elemente in meiner Fotografie gibt es eher auf abstrakterer Ebene. Ich mag sehr natürliche Fotos, unverstellt, ohne Make-up, mit natürlichem Licht.

Ausdruck und Atmosphäre sind mir wichtig. Die Person, mit der ich mich beschäftige, steht ganz klar im Zentrum. Ihr will ich mich annähern, Facetten beleuchten. Dabei geht es um Nähe und eine Form von Intensität. Vermeintliche Schönheitsideale oder persönliche Eitelkeiten spielen da kaum eine Rolle, das muss man aushalten können.

Eine Begegnung auf dieser Ebene zwischen Fotograf und Subjekt gelingt natürlich nicht immer, dennoch ist es ganz klar das Ziel. Dann gibt es auch noch verbindende Elemente auf ästhetischer Ebene, zum Beispiel eine Vorliebe für starke Kontraste, grobes Korn, Raum für Schatten, Unschärfe und Erahntes.

Auch in der Tanzfotografie bin ich gern sehr nah an den Tänzern, interessiere mich mindestens ebenso für Ausdruck und Persönlichkeit wie für Grazie und physische Präsenz. Gerade in diesem Grenzbereich zwischen Tanz und Portrait entstehen häufig die für mich stärksten Tanzaufnahmen.

Vielen Dank, Daniel!