18. Februar 2013 Lesezeit: ~3 Minuten

Fünfter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

Manchmal frage ich mich, ob ich nicht schon viel länger dieses Projekt mache, als es mein Kalender anzeigt. Da ich relativ viel fotografiere und dementsprechend jede Menge erlebe, kommt mir mein Projekt wie eine „halbe Ewigkeit“ vor. Willkommen beim fünften Monatsbericht.

Es war eine gute Entscheidung, in Farbe zu fotografieren und meine Rauschen-Serie nicht fortzuführen. Ich habe den Eindruck, einen guten Weg gegangen zu sein und werde diesen weiter verfolgen.

Und zwar nicht monochrom, obwohl ich die Jahre (vor dem Projekt) ausschließlich Farbe fotografiert habe. Manchmal bringt mich die ganze Sache auf Wege, die ich selbst nie für möglich gehalten hätte.

Fernwärme

Stairs

Vor drei Wochen habe ich dann auch äußerlich eine Veränderung an meinem Erscheinungsbild vorgenommen und den Ratschlag von Joel Meyerowitz befolgt, komplett schwarze Kleidung zu tragen. Zwar fehlt mir noch eine ganz schwarze Jacke, aber bis auf diese (die aktuelle ist dunkelgrün) bin ich derzeit unicolor in schwarz unterwegs.

Was das bringt? Nun, ich kann es nicht nachweisbar nachvollziehen, aber schwarz reflektiert kein Licht und das ist ein sehr großer Vorteil unter Menschen, da ich am liebsten unbemerkt agiere.

Es kann auch Zufall sein, aber wenn ich darüber nachdenke, war es immer dann, als ich ganz in schwarz fotografierte, dass ich mich streckenweise wunderte, dass mich einzelne Leute überhaupt nicht wahrzunehmen schienen.

Vom Setup hat sich nichts geändert, ich benutze nach wie vor ProCamera zum Fotografieren und Snapseed zum Bearbeiten. Gleiches Schema, nix Neues.

Depth

Busy

Viel wesentlicher hat sich für mich der Akt des Fotografierens verändert. Ich habe mir angewöhnt, nicht ständig von Ort zu Ort zu laufen, sondern bleibe lieber an einer Ecke stehen und studiere die Abläufe der Menschenmassen.

In welchen Abständen hält die Bahn? Wie lange warten Menschen auf den nächsten Zug? In welchen Zyklen kommen größere Mengen auf einmal aus einem Gebäude? Dieses Hineindenken ist eine gute Schule und es hilft mir, abschätzen, wann es sinnvoll ist, welches Bild zu machen. Und wann nicht.

Und obwohl ich eigentlich versuche, stets die unsichtbaren Verbindungen zwischen sich nicht kennenden Menschen sichtbar zu machen, fotografiere ich doch meist einzelne Menschen. Das ist keine bewusste Entscheidung, passiert mir aber immer wieder.

Gesture

Dark Days

Und seltenst fotografiere ich junge Leute, sondern finde alte Menschen attraktiver, interessanter und bemerkenswerter. Mit ihren netten Hütchen und einfallsreichem Kleidungsstil laufen sie einfach den jüngeren den Rang ab. Zumindest meiner Auffassung nach.

Und mit der Zeit habe ich bemerkt, dass ich zufriedener mit den Ergebnissen geworden bin. In den ersten Monaten mit dem iPhone hatte ich manchmal Schwierigkeiten, den Zugang zu meinen eigenen Bildern zu finden. Ich fand meine Fotos ganz okay, aber mehr war da nicht.

Dies nimmt derzeit langsam ab und das macht mich glücklich. Auch durch die monatliche Reflexion lerne ich eine Menge über mich selbst und die Fotografie an sich.

Jump

Beetle

Ach ja, manchmal lächelt mich ein Oldimer an und bei aller Liebe zur Straßenfotografie und ihrer Konzentration auf Menschen lasse ich es mir nicht nehmen, auch einmal ein schönes Auto zu fotografieren.

26 Kommentare

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  1. Erkenntnisse nach 5 Monaten: Der Fotograf möchte am liebsten unsichtbar alte Leute fotografieren. Leg doch direkt ein paar versteckte Kameras im Altenheim aus :)

    Sinn der Straßenfotografie ist es unter anderem nah am Leben/Menschen zu sein. Und nicht, mit dem iPhone heimlich alte Leute zu fotografieren.

  2. Es ist immer wieder faszinierend, wie stark gerade die Street Fotografie polarisiert und wie häufig man Aussagen liest wie „Street ist doch dieses und jenes“, „Street muss man doch mit dieser Philosophie angehen“ oder „So darf Street nun aber wirklich nicht sein!“. So musste ich doch ernsthaft schmunzeln, als ich las, dass Street nun wirklich nicht bedeutet, heimlich alte Leute zu fotografieren! (was nun durchaus nicht als Angriff gemeint ist!) Für mich persönlich kann Street nämlich wirklich so ziemlich alles bedeuten, was unter freiem Himmel auf Bild gebannt wird – und wenn das heißt, dass jemand gerne alte Brotkrumen links neben flackernden Straßenlaternen ausschließlich in alten Rinnsteinen nach mittelstarkem Regenguss fotografiert! *lach*.

    Ich finde es sehr schön, dass Du Dich den festgefahrenen Zwängen und Definitionsversuchen verweigerst und einfach „nur“ darauf bedacht bist, Dein Ding zu machen und Fotos zu schießen, die Dir selber auch gefallen!

    Nach wie vor ein feines Projekt! Persönliche Favoriten aus diesem Bericht: Telefonzelle, Treppenhaus und die alte Dame mit der grünen Tasche! :)

    • Der kleine Seitenhieb auf „heimlich alte Leute fotografieren“ entspringt einfach meinem Eindruck, dass Martin sehr viel Wert auf die eigene Anonymität und Unsichtbarkeit legt und sich sogar Gedanken um die Farbe seiner Kleidung macht. Aus meiner Sicht wäre es wichtiger (auch im Sinne besserer Bilder), auf die Menschen zuzugehen und offen zu sein. Und sich nicht krampfhaft zu verstecken, damit man bloß nicht beim Fotografieren „erwischt“ wird. Denn so wirkt man dann leider eher wie ein Alltags-Paparazzo.

      • Vielleicht liegt das Hauptaugenmerk aber einfach darauf eine schöne Situation durch die eigene Anwesenheit nicht zu „zerstören“?
        Viele Leute verstellen sich einfach, wenn sie eine Kamera sehen und sei es „nur“ die eines iPhones, oder reagieren irgendwie anders.
        In jedem Fall wäre die Situation nicht mehr die, die man ursprünglich als wert festgehalten zu werden betrachtet hat.

      • Klar, man fotografiert heimlich andere Leute weil man die schöne Situation nicht zerstören will! :))) Man kann es sich auch schönreden. Das Problem das du schilderst haben doch viele Fotografen in zahlreichen Situationen. Und es ist schlicht und einfach eine Frage des Timings, der Mühe, der Geduld, der Erfahrung und des Talents das hinzubekommen. Hier trennt sich dann halt die Spreu vom Weizen. Bequemer ist es sicher mit Tarnkappe und iphone durch die Straßen zu schleichen – bessere Ergebnisse und mehr Spaß bringt es aber nicht, meiner Meinung nach. Fotografie bedeutet Kommunikation, nicht Versteck-spielen.

  3. Man mag sich kaum vorstellen, wie toll erst die Bilder sein werden, die Du machen wirst, wenn du erstmal eine schwarze Jacke statt der dunkelgrünen trägst.

    Immerhin ist der Absatz über das Verweilen und Beobachten, der zeigt, dass Street-Photography ernste Arbeit sein kann, ein angenehmer Kontrast zum immer noch oft herrschenden romantischen Bild des genialischen Flaneurs mit der Kamera.

    Die Bilder gehören allerdings zu jener Art Street-Photography, die mich persönlich zutiefst anödet und die mich an dem Genre zweifeln lässt, von der Einstellung die dahinter steckt (so heimlich wie möglich, jetzt auch noch in Tarnkleidung) will ich erst gar nicht wieder anfangen.

    Aber im Sinne eines weiter oben stehenden Kommentars: „Jedem sein Ding“ oder so ähnlich.

  4. Moin…
    Es werden sich immer Leute finden die das Eine oder Andere mies machen und sich auf Tarnkleidung etc. stützend Dinge abwerten um sich wichtig zu machen…
    Ich finde deine Bilder interessant und der Prozess ist über die Monate sichtbar!
    Weiter so!!!
    …und ich kann mich hier nur meinem Vorredner“Udo“ anschließen.
    …so halt ich’s mit der Strasse und find’s gut anderen zu begegnen, die’s genauso halten;)

    • Klar, es wird immer Leute geben, die irgendwas doof finden. Das ist aber kein Problem für mich, denn ich fotografiere nicht, um von allen Seiten Zustimmung zu ernten. Dafür ist meine Art der Straßenfotografie viel zu kontrovers. ;)

  5. Ich muss auch ehrlich sagen das die Bilder für mich nichts spannendes sind, aber du machst eines garantiert richtiger als zwischendurch, du hast Spaß an dem was du tust. Ich bin gerade auch dabei und versuche Leute anzusprechen, ob ich sie fotografieren darf. Ich glaube dazu muss ich mir aber noch visitenkarten zulegen, denn die leute sollen im Nachgang dem Bild wiedersprechen dürfen. Mach weiter worauf du Lust hast, wenn das tarnen dazu gehört ist das okay. Viel Spaß :)

    • Hallo Axel, danke für Deinen Kommentar. Ich mag Dein Straßenfoto mit der gestrichelten Linie auf der Straße sehr – und das kommt auch super ohne Leute aus (um nochmal auf das Thema zurückzukommen).

  6. Hey Martin, ist das denn jetzt wirklich dein Ernst mit der Kleidung und wenn ja: Glaubst du wirklich, dass das deinen Fotos was bringt? Ich hab eigentlich noch ein bisschen Hoffnung, dass das ein selbstironischer Scherz von Dir ist.

      • Na ja, ich weiß jetzt z.B. nicht wo und ob Meyerowitz explizit zu komplett schwarzer Kleidung geraten hat (kannst Du ja mal verraten, würde ich gerne mal lesen). Ich kenn nur ein Video von ihm, vielleicht beziehst du dich da ja auch drauf:

        http://www.youtube.com/watch?v=FCCs_nedFhY&playnext=1&list=PL34CD225524D5AE14&feature=results_main

        Da ist Meyerowitz ganz in schwarz mit schwarzer Mütze und natürlich Leica (natürlich auch schwarz) zu sehen, Foto-Ninja quasi.

        Beim Kapitel „Make yourself invisible“ (ab ca. 2.40 Min.) hab ich mich immer schon gefragt, ob das Satire sein soll. Denn was er da aufführt im „Einbrecher“-Outfit ist alles aber nicht unauffällig. Und es gibt im Netz einige Diskussionen zu dem Video, die doch zeigen, dass die Wenigsten diesen Part sonderlich ernst nehmen bzw. meinen in N.Y. funktioniert das vielleicht, aber geh mal völlig schwarz gekleidet in die Fußgängerzone irgendeiner kleineren Stadt. In dem Video sieht es halt so aus, als ob ihn keiner richtig wahrnimmt, weil 1. N.Y., da braucht es anderes, um Aufmerksamkeit zu erregen und 2. mit Kamerateam = auch nichts Neues für die Ney Yorker = ach da wird irgendwas gedreht, schnell durch.

        Bei flickr in einer „Hardcore Street Photography“-Gruppe fasste das Video einer zugespitzt so zusammen „I guess the key to good street shooting is not only a Leica, but also lots of black clothing and a little hat. “ (http://www.flickr.com/groups/onthestreet/discuss/72157594279063909/) Auch da kam die Frage auf, wie ernst Meyerowitz das wohl alles meinte.

        Na ja und dann kommt da heute dieser Artikel von Dir mit dem Meyerowitz-Bezug. Deshalb meine Frage, wie ernst Du das denn meinst und ob Du Dir konsequenterweise nun auch bald ne Leica und nen zu kleinen Hut/Mütze zulegen wirst ; – )

        Auf mich wirkt allein die Vorstellung sich extra ein Foto-Ninja-Outfit zu werfen recht befremdlich und ich glaube nicht, das einem durch so ein Outfit bessere Fotos gelingen.

        Übrigens: Während Meyerowitz auch im Video davon spricht, dass er versucht „unsichtbar“ durch die Leute hindurchzutauchen, weil es besser ist, die Leute nicht zu verschrecken und zu verängstigen (wie andere Street-Fotografen das schon mal gerne in Kauf nehmen) willst Du ja einfach nur nicht gesehen werden, also heimlich fotografieren. Was Meyerowitz macht ist vielleicht schnell und relativ „dezent“, aber dabei oft alles andere als heimlich (s. etwa die Szene mit den Hunden). Aber das nur nebenbei.

  7. Hallo Martin,
    zu allererst möchte ich mal sagen, dass ich auch froh bin, dass du nicht mehr das „Rauschen“ Thema verfolgst. Das war für mich persönlich nix. Die jetzigen Farbfotos gefallen mir deutlich mehr.
    Ich würde es spannend finden, mal exemplarisch an einem Foto deinen „Workflow“ erklärt zu bekommen. Also Foto machen mit ProCamera und die anschließende Bearbeitung in Snapseed. Gibt es da gleiche Schritte, die du durchführst oder ist das bei jedem Foto absolut individuell?
    Viele Grüße
    Marcel

  8. Blogartikel dazu: Woanders – diesmal mit Limericks, Immobilien, Hotzenplotz und anderem | Herzdamengeschichten