Fotoparadies Korsika
Nicht umsonst wird Korsika auch die Insel der Schönheit genannt: Buchten mit türkisfarbenem Wasser, steile Klippen und Berge, die sich bis zu 3000 Meter hoch erheben. Hier gibt es viel Natur zu erleben, besonders an der schroffen Westküste. Dörfer oder gar Städte sind Mangelware.
Noch bevor wir im Juli nach Nordirland aufbrachen, begann die Planung für Korsika. Doch wohin? Korsika ist zwar keine sehr große Insel – knapp 200km von der Nordspitze bis in den Süden – aber wenn man sich genauer informiert, erfährt man, dass die Fortbewegungsgeschwindigkeit mit dem Auto stark eingeschränkt ist. Besonders im Westen der Insel gibt es kaum eine Straße, die mehr als 50 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zulässt. An der Küste entlang bewegt man sich in Serpentinen.
Somit war klar, dass wir in einer Woche nicht mal schnell um die ganze Insel fahren konnten. Besser, sich da auf ein oder zwei Gegenden zu beschränken. Für mich hieß das herauszufinden, wo die höchste Fotomotivdichte ist und gleichzeitig auch schöne Strände und Städtchen für meine Freundin.
Die Recherche machte uns die Entscheidung nicht gerade einfach. Im Süden lockt Bonifatio mit seinen weißen Klippen, etwas weiter westlich Strände, wie man sie auf den Seychellen erwartet. Im Norden bei Saint Florent warten weitere Strände und im Westen eine spektakuläre Steilküste mit dem Weltkulturerbe Calanche. Als wenn das nicht schon genug wäre, gibt es im Innern der Insel auch noch beeindruckende Berge mit wunderschönen Bergseen. Wenigstens den Osten der Insel konnten wir ausschließen. Der war uns ein bisschen zu eintönig.
Unsere Entscheidung fiel auf die Westküste. Schnell noch einen Flug über Paris buchen, dann den Mietwagen – soweit die Routine. Für die Unterkünfte war etwas Google Translate nötig. Frankreich zählt zu den Ländern, in denen man mit Englisch absolut nichts ausrichten kann.
Corse-du-Sud
Im Oktober verbrachten wir dann eine abwechslungsreiche Woche auf Korsika. Zunächst hatten wir ein Häuschen in der Nähe von Cargese gemietet, im Oktober durchaus bezahlbar. Wärhrend wir den ersten Abend noch an einem lokalen Strand verbrachten, machten wir uns am nächsten Morgen auf zum Plage d’Arone. Die Fahrt dorthin war spektakulär. Mehrere hundert Meter stürzen die Klippen neben der Straße in die Tiefe. Leitplanken oder Absperrungen gibt es dort nicht.
Der Strand selbst ist wunderschön. Dank Nebensaison war kaum etwas los. Ich ließ mich vom blauen, fast wolkenfreien Himmel und der hochstehenden Sonne nicht davon abhalten, auf Motivsuche zu gehen. Für diesen Urlaub hatte ich mir vorgenommen, nicht nur Sonnenauf- und -untergänge zu fotografieren. Ich wollte den ganzen Tag nutzen. Das Stativ kam hier trotz gutem Licht zum Einsatz. Ich war sehr nah am Motiv dran und benötigte Focus Stacking, um bestmögliche Schärfe zu erhalten.
Noch am gleichen Abend fuhren wir durch die Calanche. Hier war etwas mehr los, mit Bussen werden die Besucher herangekarrt. Für mich wäre das nichts: Aussteigen, ein paar Fotos machen, ein paar hundert Meter die Straße entlang laufen und danach geht’s weiter.
Wir liefen diesen Abend zum Chateau Fort. Ein kurzer Spaziergang durch die spektakuläre Calanche-Landschaft. Am Ende erreichten wir ein exponiertes Felsplateau mit steilen Klippen und einer Aussicht bis zur Scondola Halbinsel.
Ich war überwältigt von der Vielzahl an möglichen Kompositionen. Trotzdem war es nicht leicht, den richtigen Blickwinkel zu finden. Und plötzlich war die Sonne hinter einem Wolkenband verschwunden. Ich positionierte meine Kamera, wartete und hoffte.
Bei diesem Foto kam wieder Focus Stacking zum Einsatz, erneut war meine Kamera weniger als einen halben Meter vom Vordergrund entfernt. Wenn Ihr Euch jetzt fragt, was ich mit Focus Stacking meine und wie ich dabei vorgehe, sei mir hier nur kurz der Verweis auf mein Start2Finish-Tutorial erlaubt, in dem ich ausführlich darauf eingehe.
Der nächste Tag war sehr schweißtreibend. Eine Wanderung zum Capu Rossu verlangte uns einiges ab. Das Problem war die pralle Sonne und fast 30°C im Schatten. Nicht schlecht für Oktober. Die Krähen kreisten schon über unseren Köpfen, als wir den Aussichtspunkt erreichten.
Nachmittags fuhren wir wieder durch die Calanche, diesmal bis runter nach Porto. Wir hatten uns wirklich ein Eis verdient. Die Aussicht im Golf von Porto gefiel uns so gut, dass wir bis zum Sonnenuntergang blieben. Ein Motiv war schnell gefunden und als auch noch Wolken durch die Hänge der Calanche zogen, waren alle Zutaten für einen magischen Moment vorhanden.
Ein Polfilter vor der Linse, ein Lee 0.6 hard GND, ein Lee 0.6 soft GND und schließlich noch eine Belichtungsreihe halfen mir, diesen einzufangen.
Der vierte Tag auf Korsika wurde abenteuerlich. Wir hatten schon einige der schmalen Straßen kennengelert und ich dachte, mich könnte nichts mehr überraschen. Aber nun ging es erst richtig los.
Wir fuhren zum Cupabia Strand – 80km entfernt. Erstmal rüber nach Ajaccio, diesen Teil kannten wir schon. Ab da fuhren wir entlang der Küste nach Serra-di-Ferro. Die Straßen wurden immer enger, immer mehr Kurven, bergauf, bergab. Gelegentlich schaute ich mit meinem Handy auf Google Maps nach, wo wir uns gerade befanden. Ernüchterung: Fast kein Vorankommen. Am Ende waren wir über zweieinhalb Stunden unterwegs, bis wir endlich den Strand erreichten.
Bei einer so langen Fahrt war klar, dass wir hier nicht bis zum Sonnenuntergang bleiben würden. Also wieder ein Foto mit blauem Himmel. Ich machte mich gleich auf die Suche nach einer Aussicht, die die Charakteristiken dieses Strandes gut einfing: Felsen im Vordergrund, türkisfarbenes Meer, ein Streifen weißer Strand und bewaldete Hänge am Horizont.
Leider versäumte ich es, den Polfilter abzuschrauben. Im 90°-Winkel zur Sonne zu fotografieren, ist eine der wenigen Situationen, in denen man auf Polfilter verzichten sollte. Auch, wenn ich es am Kameradisplay bei diesem Licht nicht sehen konnte: Später am Notebook stach mir die starke Abdunklung in der oberen, rechten Hälfte des Himmels förmlich in die Augen. Wegen des intensiven Lichts verlor der Himmel durch den Polfilter in diesem Bereich sehr viel an Helligkeits- und Farbinformationen.
Nach reichlich Nachbearbeitung ist davon zwar nichts mehr übrig, ich hätte es mir aber leichter machen können, hätte ich auch ein paar Fotos ohne Polfilter gemacht. Die Nachbearbeitung fand bei mir in Photoshop statt, aber Andreas Resch zeigt in diesem Tutorial sehr schön, wie man auch in Lightroom der Abdunklung entgegenwirken kann. Da bei meinem Foto auch helle Wolken im Himmel sind, war die Sache jedoch nicht ganz so einfach.
Haute-Corse
Als ob die Fahrt zum Cupabia-Strand nicht schon anstrengend genug gewesen wäre, brauchten wir am nächsten Tag mindestens genau so lange, um unsere zweite Unterkunft bei Galeria zu erreichen. Natürlich war erst einmal niemand von den Vermietern vor Ort, wie es abgesprochen war. Wir standen vor verschlossenen Türen.
Jetzt war ein Telefonat nötig: Gut, dass meine Freundin in der Schule Französisch hatte, ich habe nur Bahnhof verstanden. Mit einer Stunde Verspätung kam endlich unsere Vermieterin.
Abends ging’s zurück auf die Straße und in Serpentinen wieder den Berg hinauf zu einer schönen Aussicht auf den Golf von Girolata. Ich entschied mich für ein Panorama. Bei 70mm Brennweite musste ich mir über Paralaxefehler keine Gedanken machen. Mit Hugin war es später problemlos möglich, die einzelnen Fotos zusammenzufügen.
Am nächsten Morgen klingelte sehr früh der Wecker. Diesen Urlaub hatte ich bislang morgens kein Glück gehabt. Dieses Mal begrüßte mich ein klarer Himmel: Perfekt. Ich wollte die Sterne fotografieren und fuhr fast zwei Stunden vor Sonnenaufgang zum Galeria-Strand. Am Vortag hatten wir uns dort kurz umgesehen, damit ich nicht durch die Dunkelheit irren musste. Ich wusste genau wohin mit meinem Stativ.
Mit ISO 6400 und 30 Sekunden Belichtungszeit machte ich ein paar Testaufnahmen, um die Komposition festzulegen. Dann ein paar Aufnahmen für den Himmel bei unterschiedlichen ISO-Werten und Belichtungszeiten. Ich wollte später für die Bearbeitung genug Ausgangsmaterial sammeln.
Um die Sterne scharf abzubilden, waren Belichtungezeiten unter 25 Sekunden nötig. Das reichte selbst bei ISO 6400 nicht für einen ausgeleuchteten Vordergrund. Also ließ ich alles aufgebaut und wartete bis 15 Minuten vor Sonnenaufgang. Endlich konnte ich das Foto für den Vordergrund machen. Mit Photoshop konnte ich aus den Aufnahmen eine surreale Ansicht vom Galeria Strand zusammenfügen.
Calvi stand für diesen Tag auch noch auf unserer Liste. Ein schönes Städtchen mit vielen kleinen Geschäften. Da musste ich dann auch mal geduldig sein, während das bisher meine Freundin sein musste, wenn ich fotografierte. Den Nachmittag über regnete es. Die zahlreichen gemütlichen Cafés am Hafen machten uns das Warten aber leichter. Abends machte ich noch ein Foto von Calvi zur blauen Stunde.
Bedeckter Himmel und etwas Regen machten mir nichts aus. Städte zur blauen Stunde sind immer ein besonderes Fotomotiv. Ich hatte sogar Glück: Nach Sonnenuntergang hörte es für kurze Zeit auf zu regnen und es war windstill. Hier war der Polfilter wieder hilfreich. Richtig herum gedreht wurden die Felsen unter der Wasseroberfläche gut sichtbar.
Die Nacht hindurch regnete es weiter, was dem Wasserstand vom Fluß Fango zu Gute kam. Am Vortag noch ein fast trockenes Flußbett, wuchs der Fango in dieser Nacht wieder zu einem richtigen Fluss an. Mir kam das sehr gelegen, weil sich meine Motivauswahl für den vorletzten Tag dadurch stark vergrößerte.
Zum Mittag zeigte sich dann wieder die Sonne. Wir nutzten das Wetter für einen Strandspaziergang. Doch das Ganze erinnerte mehr an Wandern. Den Galeria-Strand zu überqueren ist wegen des steinernen Untergrunds kein Vergnügen. Aber für die Aussicht vom anderen Ende hat es sich gelohnt.
Der letzte Sonnenuntergang, den wir auf Korsika erleben durften, war gleichzeitig der schönste. Die Aussicht auf dem Foto kennt Ihr mittlerweile auch schon. Es bot sich einfach an, wieder am Galeria-Strand zu fotografieren. So richtig Lust auf eine weitere Fahrt mit dem Auto hatte ich in Anbetracht der bevorstehenden Fahrerei ohnehin nicht. Für die 90km zum Flughafen in Ajaccio benötigten wir am nächsten Tag drei Stunden, mit Pause waren es fast vier.
Rückblickend bin ich froh, dass wir uns auf einen recht kleinen Bereich von Korsika beschränkt haben. Trotzdem gab es viel zu sehen und entdecken. Und es war auch so sehr viel Zeit, die wir auf den kurvigen Straßen verbrachten und nicht an einem der schönen Strände.
Langeweile kam nie auf. Korsika hat viel zu bieten und der Westen der Insel lässt das Herz eines jeden Landschaftsfotografen höher schlagen. Ich beginne schon zu überlegen, wann wir eine weitere Reise nach Korsika machen können.