20. November 2012 Lesezeit: ~2 Minuten

Buchrezension: Wald

Der Tag neigt sich seinem Ende zu. Der Herbst auch. Zwischen den hohen Stämmen ist es zwielichtig. Kalter Regen tropft ins Unterholz. Nicht eine Spur von auch nur einer Menschenseele.

Wie stark ist der Wald als mythischer Ort in unserer Kultur verankert? Kann man ihm die Bedeutung, die er einmal hatte, heute eigentlich noch beimessen?

Dies sind Fragen, die man sich stellen kann, wenn man sich die jüngste Arbeit des Fotografen Michael Lange anschaut.

Jedoch stellt man ziemlich schnell fest, dass er uns eigentlich nichts sagen oder zeigen will, der Wald. Er ist halt einfach da.

Und im besten Sinne ehrlich lakonisch sind Langes Fotografien von ihm. Doch es steckt auch noch etwas mehr in ihnen. Eine Art Meditation vielleicht.

Wie der Fotograf kürzlich selbst in einem Künstlergespräch mit dem Bildwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Schaden erzählte, habe er die Serie vor einiger Zeit als ganz persönliches Projekt begonnen.

Ein Jahr lang habe er niemandem von seinem Projekt erzählt, um das Thema ganz in Ruhe und nur mit sich selbst allein zu entwickeln.

Er lege Wert darauf, dass der Betrachter die Bilder nicht als dokumentarische Arbeit missverstehe. Es seien „einfach meine Bilder vom Wald“, so Lange.

Aufgeräumt wirken die Bilder und zugleich ungestellt. Ihre visuelle Struktur enthält eine kompromisslose Natürlichkeit ohne künstliche Brüche.

Die Art, wie sich in ihnen allein durch das subtile Wechselspiel von hellen und schattigen Partien räumliche Tiefe abzeichnet, zeugt von einer hohen ästhetischen Intelligenz.

Viel Detail steckt in Langes Waldbildern. Ein Reichtum, den der Fotograf durch die Verwendung eines digitalen Mittelformatsensors an einer Fachkamera erzielte.

Eine subtile Bewegungsunschärfe zeichnet sich ab, dort wo der Wind die Äste kitzelt. Sie gibt Aufschluss darüber, dass Lange jedes der Bilder einige Sekunden belichten musste, um der Dämmerung Zeichnung abzugewinnen.

In den Wäldern von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz fotografierte er, doch ist der eigentliche Ort irrelevant. Die Bilder beschreiben mit einer den Ort ignorierenden Selbstverständlichkeit das Phänomen Wald als einen Aspekt, in dem sich die Natur abbildet.

„Wald“* ist im Hatje-Cantz-Verlag erschienen, umfasst 72 Seiten und kostet neu 45 EUR.

Begleitend zum Buch ist auch die Ausstellung „Wald. Landschaften der Erinnerung“ sehenswert. Noch bis zum 23. Dezember werden Michael Langes großformatige Bilder im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in der Niederlassung der Alfred-Ehrhardt-Stiftung in Berlin gezeigt.

12 Kommentare

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  1. Schade das die Ausstellung soweit weg ist. Aber Berlin und Koblenz ist doch ein wenig Entfernung.
    Aber das Buch ist sicherlich ganz interessant, gerade wenn man sich mit dem Genre so gar nicht auseinandersetzt wie ich. So wie ich neben der People Fotografie ganz für mich alleine nachts durch Straßen laufe und fotografiere um „abzuschalten“….“anderes zu sehen“ macht er es mit dem Wald.
    Ich glaube das Buch werde ich mir bestellen.

    Danke für die Rezension.
    Manolito Röhr

  2. Ein tolles Projekt und schon die wenigen Bilder machen Appetit auf MEHR!
    Mich sprechen die Aufnahmen persönlich sehr an. Wunderbare Fotografien, in denen man sich regelrecht verlieren kann. Sie haben tatsächlich etwas meditatives an sich. Ich bin auch nur zu gern im Wald und im Gebirge unterwegs, sehr oft auch über Nacht. Daher haben es mir auch die Bilder in der Dämmerung so besonders angetan. Sie bringen genau das rüber, was ich in solchen Momenten empfinde. Es sind nur schwer zu beschreibende Gefühle: Geborgenheit, Stille, Freiheit…
    Ich werde mir das Buch auf jeden Fall kaufen. Danke für den schönen Artikel!