16. März 2012 Lesezeit: ~6 Minuten

Die wahren Heldinnen

Wenn ich als Fotografin bei Outdoor-Shootings im Winter bei Kälte und beißendem Wind zwiebelschalenähnlich in etliche Schichten Kleidung eingepackt bin und mich bewegen kann, müssen meine Modelle oft eine halbe Ewigkeit in Sommerkleidung zittern, bis ich die Kamera endlich eingestellt und den perfekten Schuss im Kasten habe.

Wenn ich als Fotografin ein Bild im Kopf habe, auf dem das Model springen und dabei die perfekte Pose zeigen soll, bin nicht ich diejenige, die sich völlig verausgaben muss, bis nach dutzenden Versuchen endlich alles perfekt passt.

Und wenn ich mir als Fotografin für ein Bild eine ganz bestimmte Pose vorstelle, bin nicht ich die Person, die in dieser oft ziemlich unbequemen Haltung ausharren muss, bis endlich der Auslöser gedrückt wird. Denn manche Posen sehen nun einmal toll aus auf Fotos, sorgen am Tag nach dem Shooting jedoch beim Modell für jede Menge Muskelkater.

Oft wird bei gelungenen Fotos die Leistung des Fotografen in den Kommentaren zum Bild honoriert. Dabei trägt meist das Modell den Löwenanteil dazu bei, dass eine Idee perfekt umgesetzt werden kann.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle den Modellen Respekt zollen, die mit vollem Einsatz unter schwierigen Bedingungen für tolle Ergebnisse sorgen! Auch wenn es auf den Bildern am Ende so einfach und mühelos aussieht.

Denn von mühelos kann bei der Entstehung meiner Fotos meist nicht die Rede sein – besonders, wenn es um den Beitrag des Modells geht. Wie oft ich schon bei wirklich eklig kaltem und regnerischem Wetter draußen fotografiert habe, kann ich gar nicht mehr zählen. Da ich Fotos am liebsten bei natürlichem Licht draußen in der Natur mache, finden im Herbst und Winter meine Shootings eben nicht im mollig warm beheizten Studio statt.

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Vor mittlerweile zwei Jahren war ich mit Model Anna unterwegs – erst in der Stadt, dann draußen im Wald irgendwo in der Nähe von Koblenz. Im Januar, wenn ich mich richtig erinnere.

Damals war es mit Temperaturen um null Grad nicht nur verdammt kalt, es lag dazu auch noch Schnee. Anna hatte  bereits mehr als eine Stunde beim Shooting in der Stadt gefroren und wagte sich dann im Wald sogar in den Schnee, nur mit einem hauchdünnen Kleidchen am Körper.

Die Fotos wollte ich auf alle Fälle analog machen, was die ganze Aktion noch um einiges in die Länge zog. Denn bis ich an meiner Hasselblad den Auslöser betätige, prüfe ich mehrmals Einstellungen, Bildschnitt und Schärfe.

Entstanden sind an diesem Tag zwei Bilder, die es in meine persönliche Favoritenliste geschafft haben, weil Anna trotz der widrigen Umstände mit tollem Ausdruck entspannt posiert hat.

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Eines meiner ersten Shootings hatte ich mit meiner Kommilitonin Beate – und ich bin mir nicht so sicher, ob ihr vor dem Shooting klar war, was auf sie zukommen würde. Nachdem einige meiner Fotoideen aufgrund meines damaligen Mangels an Erfahrung gescheitert waren, beschlossen wir, als Dekoration für Portraitfotos Luftschlangen an einen Baum zu hängen.

Dann fingen wir jedoch an, nicht nur Portraits zu machen, sondern auch Sprungbilder zu probieren. Und Beate musste, gezählt an den misslungenen Bildern, die sich noch auf meiner Festplatte befinden, mehr als 150 Mal springen, bis endlich die Pose gut aussah und die Luftschlangen so flogen, wie ich es mir gewünscht hatte.

Beate hat an diesem Bild also bei Weitem den größten Anteil zum Gelingen beigetragen – mit ihrer Ausdauer und dem Vertrauen, das sie mir entgegengebracht hat, trotz der anfangs nicht geglückten Fotos.

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Frieren mussten die Models auf Gran Canaria im Dezember nicht. Wir hatten, während Deutschland bei minus fünfzehn Grad eingefroren war, ein angenehm laues Lüftchen auf der Insel. Mit einem Mietauto kurvten wir über die Insel, um die besten Plätze zum Fotografieren zu finden.

Zum Glück machen mir kurvige Straßen, die es auf Gran Canaria zahlreich gibt, nicht viel aus. Kathi dagegen kämpfte schon morgens auf dem Weg in die Berge mit Schwindel und Übelkeit. Die schlimmste Straße mit den heftigsten Serpentinen erwischten wir jedoch abends auf dem Rückweg.

Wir wollten auf dem Weg zurück zu unserem Bungalow an der Küste unbedingt das grandiose Licht der tiefen Sonne nutzen, um noch eine Fotoserie zu machen. Der Zeitplan wurde dabei enger als gedacht.

Und Kathi ging es schlecht, wirklich schlecht! Als wir am Meer ankamen, hatten wir noch fünf Minuten, bis die Sonne hinter dem Horizont komplett verschwand. Kathi war kreidebleich und erschöpft, zögerte aber keinen Moment. Sie durchwühlte den Kofferraum schnell, um ein passendes Kleid zu finden, wechselte die Klamotten und war für die paar Sekunden, in denen wir noch Gegenlicht hatten, voll konzentriert.

Ich war damals schon wirklich erstaunt über diese Leistung und bin es immer noch. Ohne den tollen Einsatz von meinem Modell wäre eine meiner Lieblingsserien von unserem Gran-Canaria-Trip nie entstanden.

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Den Zeitplan von fünf Leuten unter einen Hut zu bringen, gehört definitiv nicht zu den einfachsten Sachen. Für ein Unterwasser-Shooting im Pool einer Bekannten hatten wir mit drei Modellen schließlich einen Termin gefunden, der allen passte. Im Juli, wenn es eigentlich warm sein sollte.

Ein paar Tage vor dem Shooting begann die schlechte Wettervorhersage, mir Sorgen zu bereiten. Und am Shootingtag hatten wir wirklich Regen, Wind und für den Hochsommer ziemlich kalte 16 Grad. Ich telefonierte morgens mit den drei Modellen und überlegte, das Projekt zu verschieben.

Alle Modelle waren sich jedoch einig: Sie wollten es auf alle Fälle probieren, trotz des schlechten Wetters. Schließlich verbrachten wir mit einigen Unterbrechungen drei Stunden im Pool, wobei ich von einem Neoprenanzug relativ warm gehalten wurde.

Im Gegensatz zu mir hatten meine drei Modelle am Ende des Tages blaue Lippen sowie eiskalte Finger und Füße. Auch hier kann ich nur sagen: Respekt! Die Modelle sind für mich oft die wahren Heldinnen!

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Nun möchten wir natürlich auch gern von Euch wissen, was für Euch als Modell bei Fotoshootings die größte Herausforderung war oder ob Ihr als Fotograf bereits über außergewöhnliche Leistungen Eurer Modelle erstaunt wart. Wir freuen uns auf Eure Geschichten!