Wales – Rain or Shine
Unser zweiter Tag in Wales und es regnet. Typisch britisches Wetter eben, wir sind es ja inzwischen gewohnt. Im letzten September hat es uns bereits das dritte Mal in den letzten zwei Jahren auf die Insel gezogen. Unser Ziel war dieses Mal die Gower Peninsula in Südwales.
Traumhafte Küsten und weite Strände sind charakteristisch für diese Region. Unsere Unterkunft in Mumbles liegt direkt an der Caswell Bay. Doch bei grauem Himmel und Regen ist sie nicht sehr einladend.
Trotzdem bin ich gut gelaunt. Nicht weit entfernt in den Brecon Beacons gibt es eine Gegend, die ganz treffend „Waterfall Country“ genannt wird. Für mich als Wasserfall-Fan ein Schlaraffenland.
Und Wasserfälle fotografiere ich ungern bei Sonnenschein.
Melincourt
Regenjacke und Regenschirm lassen sich nicht vermeiden, als ich den Pfad zum Melincourt Wasserfall entlang wandere. Nach 20 Minuten höre ich das Rauschen schon.
Die letzten Tage hat es in Wales sehr viel geregnet, was mir jetzt entgegen kommt. Was da auf mich wartet, ist kein Rinnsal, sondern ein mächtiger Wasserfall. Über 20 Meter stürzen sich die Wassermassen in die Tiefe.
Der Regenschirm muss die nächste Stunde lang meine Kamera trocken halten. Mit einem Regenschirmhalter befestige ich ihn an meinem Stativ und widme mich der Suche nach Kompositionen.
Die Farbe der umliegenden Bäume ist bei diesem Wetter unglaublich intensiv. Mit einem Polfilter lassen sich die Grüntöne der Blätter besonders gut einfangen. Ich wähle nicht den direkten Blick auf den Wasserfall, sondern versuche, die umliegende Vegetation in den Vordergrund zu rücken.
Upper Ddwli
Der nächste Tag beginnt wie der letzte aufgehört hat: ziemlich nass. Auch als der Regen verstummt, bleibt der Himmel grau und so fällt es mir etwas leichter, meine Freundin zu einer Tour ins Vale of Neath zu überreden. Der Strand ist ja gerade eh nicht sehr einladend.
Gestern war ich noch allein im Regen unterwegs, heute wandern wir zu zweit die schlammigen Wege durchs Waterfall Country. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie begeistert meine Freundin darüber ist.
Nach knapp drei Kilometern erreichen wir dann endlich unser heutiges Ziel, den Upper Ddwli Wasserfall. Für mich einer der schönsten Wasserfälle, die ich je vor der Linse hatte.
Um die richtige Perspektive zu finden, lässt es sich nicht vermeiden, durchs kalte Wasser zu waten. Ich baue das Stativ direkt im Strom auf und positioniere meine Kamera nur wenige Zentimeter über dem Wasser.
Das Bild ist im Kasten und die Kamera ist trocken geblieben. Jetzt geht’s zurück an die Küste und nun begrüßt uns auch endlich mal die Sonne.
Bracelet Bay
Natürlich klingelt auch wieder jeden Morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang mein Wecker. Am liebsten fotografiere ich eben morgens. Man hat die Motive dann meist für sich allein und es liegt noch eine verträumte Stimmung über dem Land.
Am dritten Tag klappt es auch endlich mit dem richtigen Licht, als ich erneut am Ufer der Bracelet Bay stehe und warte. Das Wort „explosiv“ beschreibt den Sonnenaufgang, den ich heute fotografiere, am besten. Nach verhaltenem Anfang beginnt der Himmel förmlich zu brennen.
Um das Spektakel richtig einzufangen, kommen zwei Lee-Verlaufsfilter vor die Linse. Dann geht es von Motiv zu Motiv, von Komposition zu Komposition. Über hundert Mal drücke ich den Auslöser meiner Kamera an diesem Morgen.
Nash Point
Das hört sich bis jetzt so an, als würde ich den kompletten Urlaub fotografieren. Aber da ich mittags die Kamera bis auf die ersten Tage im Waterfall Country nicht auspacke, bleibt tatsächlich auch Zeit zum Entspannen und für ausgiebige Strandspäziergänge.
Südwales liegt am Bristol Channel und hier herrschen die zweitsträrksten Gezeiten der Erde. Über zehn Meter Unterschied zwischen Ebbe und Flut… in der Höhe. Das bedeutet: Strände, die am Morgen nur wenige Meter breit sind, erstrecken sich mittags über einen Kilometer in der Breite und teils mehrere Kilometer in der Länge.
Warum erzähle ich Euch das? Die Gezeiten haben auch einen starken Einfluss auf meine Motivwahl beim Fotografieren an der Küste. Normalerweise versuche ich, am Meer bei einsetzender Ebbe zu fotografieren. Man muss sich keine Sorgen machen, von der Flut überrascht zu werden und die Strände sind frei von Fußspuren.
Leider ist während unserem einwöchigen Aufenthalt in Wales sowohl zu Sonnenauf- als auch Sonnenuntergang Flut. Und leider liegen damit viele Motive unter Wasser.
Besonders, als wir Nash Point an der Heritage Coast besuchen, bin ich enttäuscht. Unzählige Kompositionsmöglichkeiten bleiben verborgen. Die zerklüfteten Klippen geben dennoch ein klasse Motiv ab, als die untergehende Sonne die Szenerie in warmes Licht taucht.
Worms Head
In den nächsten Tagen kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, der mir das Fotografieren erschwert. Wolkenfreie Himmel sind nun wirklich nicht das, was ich mir zum Sonnenuntergang wünsche.
Sommerliche Temperaturen gepaart mit blauem Himmel hören sich doch eigentlich gut an für einen Urlaub an der Küste. Gut, gegen die Temperaturen ist nichts einzuwenden, aber ein langweilig blauer Himmel?
Die letzten Wolkenschleier des Urlaubs fotografiere ich bei Worms Head am westlichen Ende der Gower Peninsula. Wir erreichen die Küste gerade noch rechtzeitig und ich suche mir schnell einen guten Platz für mein Stativ.
Dann folgt das übliche Ritual: Filterhalter vor den Polfilter schrauben, danach die Kamera aufs Stativ. Ein Lee 0.9 hard GND kommt in den Halter und wird justiert. Da es noch recht hell ist, folgt ein 0,9 ND Filter.
Außerdem stecke ich noch den Fernauslöser an. Die Blende stelle ich auf f/11, Fokus auf manuell und im Liveview überprüfe ich, ob alles scharf ist. Nun wähle ich den Bulb-Modus aus.
Ich fotografiere heute komplett über den Fernauslöser, an der Kamera stelle ich zunächst nichts mehr um. Einzig das Histogramm kontrolliere ich regelmäßig in der Zwei-Sekunden-Rückschau und passe meine Belichtung entsprechend an.
Wenn alles so aufgebaut ist, brauche ich beim Fotografieren gar nicht mehr durch den Sucher oder aufs Liveview-Bild zu schauen. Ich kann mich ganz auf die Wellenbewegungen konzentrieren und im richtigen Moment auf den Fernauslöser drücken.
Auf dem Rückweg zum Auto passiert dann doch noch etwas mit dem Himmel. Der Moment, auf den ich bei klarem Himmel immer warte, liegt am Ende der bürgerlichen Dämmerung, wenn das letzte Licht den Himmel erhellt. Nicht selten beginnt dann der Himmel zu glühen und alles erstrahlt in intensiven, warmen Farben. Magenta, orange, gelb… alles, was ein kitschiges Foto ausmacht.
Pobbles Bay
Zum Abschluss besuchen wir noch die Pobbles Bay, ebenfalls auf der Gower Peninsula. Mittags sind wir noch unterhalb der Klippen entlanggelaufen, mittlerweile brechen sich dort die Wellen.
Da sich erneut keine Wolken zeigen, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. Und kurz bevor es finster wird, ist es wieder da, dieses Glühen. Man kann fast die Uhr danach stellen.
Eine wunderschöne Woche in Südwales neigt sich dem Ende entgegen. Morgen müssen wir nach London fahren und von dort geht unser Flug zurück nach Deutschland.
Die Insel hat sich uns dieses Mal von einer ganz anderen Seite gezeigt. Es hat sich wie Sommer angefühlt, eine willkommene Abwechslung zum verregneten Schottland, das wir noch im Mai besucht hatten. Ich bin schon gespannt, wie es das nächste Mal wird, denn das war sicher nicht unser letzter Ausflug nach Großbritannien.