Patagonien
09. November 2011 Lesezeit: ~6 Minuten

Mit dem Rucksack durch Patagonien

Patagonien – Das Traumziel für Naturliebhaber, Abenteurer, Entdecker und natürlich auch für Fotografen. Die Freude war groß, als wir unsere achtwöchige Reise nach Südamerika endlich fixiert hatten. Durch Peru und Bolivien ging es nach Chile und dort bis in den äußersten Süden. Als Ziel hatten wir die beiden bekanntesten und wahrscheinlich auch schönsten Nationalparks Patagoniens: Torres del Paine in Chile und Los Glaciares in Argentinien.

Sonnenuntergang am Lago Pehoe - Copyright Jörg Bonner

Bedingt durch die Dauer der Reise und die große Strecke, die wir zurücklegten, musste ich, was das Fotografieren betraf, auf alles vorbereitet sein. Schon im Vorfeld hatte ich bei jedem Kauf von Equipment sowohl Gewicht, Platzbedarf und Flexibilität im Einsatz sorgfältig abgewogen.

Meistens griff ich zur lichtschwächeren und damit leichteren Variante eines Objektivs. Canon bietet hier mit seiner f/4-Reihe im Gegensatz zu f/2.8 eine optisch nahezu gleichwertige Alternative, die mir half, Gewicht und Geld zu sparen. Geld, das ich zum Beispiel für ein superleichtes Carbon-Stativ gut brauchen konnte.

Am Ende packte ich in meinen Rucksack: Canon EOS 5D Mark II, EF 17-40mm f/4, EF 24-105mm f/4, EF 100-400mm f/4.5-5.6, Gitzo GT1541T Stativ, ReallyRightStuff BH-40 Kugelkopf, TC-80N3 Remote Auslöser, Polfilter, Lee Verlaufsfilter, Lee ND-Filter, Akkus und diverses Zubehör.

Puerto Natales

Nach vier Wochen und 4500km in Bus, Bahn und Flugzeug erreichten wir Punta Arenas, den südlichsten Punkt unserer Reise. Punta Arenas war für uns, wie für die meisten Besucher Patagoniens, der Ausgangspunkt unseres Trips in die Wildnis. Die kleine verschlafene Stadt an der Magellanstraße hat nicht viel zu bieten, vor allem an einem Sonntag.

Also fuhren wir bei nächster Gelegenheit mit dem Bus weiter nach Puerto Natales. Die dreistündige Busfahrt verging im Vergleich zu den bis zu 22-stündigen Fahrten in den Wochen davor wie im Flug. Angekommen in Puerto Natales machten wir uns an die Organisation unseres Aufenthaltes im Torres del Paine Nationalpark. Unsere ToDo-Liste war lang: Campingausrüstung ausleihen, Kartenmaterial besorgen, Wetterberichte checken, Transporte organisieren, Wäsche waschen, Akkus laden und Proviant besorgen, waren nur die wichtigsten Punkte.

Zum Glück ist Puerto Natales auf Leute wie uns bestens vorbereitet. Die Infrastruktur des kleinen Städtchens besteht aus einem großen Supermarkt, ein paar Bergsport-Geschäften, Restaurants und unzähligen Unterkünften (von Jugendherbergen bis Sterne-Hotels). Nach zwei Tagen hatten wir alles beisammen und auch das Wetter versprach, besser zu werden.

Torres del Paine - Copyright Jörg Bonner

Torres Del Paine

Am nächsten Morgen machten wir uns, wieder einmal mit dem Bus, auf den Weg in den Park. Dort wurden wir von strahlendem Sonnenschein begrüßt. Etwas untypisch für Patagonien war es überraschend warm und wir liefen die erste Etappe unseres 7-Tage-Treks im T-Shirt.

Nach dreieinhalb Stunden erreichten wir Campamento Torres, unser Camp für die erste Nacht. Das Aufbauen unseres Zeltes ging erstaunlich schnell und so verließen wir bald das Camp und machten uns auf den Weg zu den Torres del Paine. Nach einer weiteren Stunde standen wir auf der Gletschermoräne unterhalb der drei mächtigen Granitspitzen, die für den Nationalpark namensgebend waren. Nachdem die Umgebung erkundet war, machten wir uns wieder auf den Weg zum Camp. Am darauffolgenden Morgen würde ich wiederkommen, um den Sonnenaufgang zu fotografieren.

Um 4:45 morgens klingelte mein Wecker. Meine Augen zuckten zusammen, als ich meine Stirnlampe aufdrehte. Ich wartete, bis ich mich an das grelle Licht gewöhnt hatte und machte mich fertig zu gehen. Draußen war es stockdunkel. Noch im Halbschlaf und eingepackt in Merino-Wolle und Fleece ging ich los.

Der Lichtkegel meiner Lampe, der hier draußen in der unendlichen Finsternis verloren wirkte, blieb stets auf den Weg vor mir gerichtet. Eine knappe Stunde kämpfte ich mich so über ein Geröllfeld und 500 Höhenmeter zum Gletschersee unterhalb der Torres del Paine.

Torres Del Pain Stream- Copyright Jörg Bonner

Ich war überrascht, denn ich war nicht der einzige, der den Weg auf sich genommen hatte. Zum Glück blieben die meisten Leute jedoch am höchsten Punkt der Gletschermoräne, die den See umgibt, stehen und ich hatte das Seeufer für mich alleine. Dort deponierte ich meinen Rucksack und machte mich ans Fotografieren.

Refugio Los Cuernos

Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen und machten uns wieder auf den Weg. Die zweite Etappe führte durch eine Gras- und Buschlandschaft, die linkerhand vom türkis schimmernden Lago Nordenskjöld und rechterhand von den Felswänden und Gletschern des Torres del Paine Massivs flankiert wird.

Sie endete nahe am Seeufer im Refugio Los Cuernos. Hier werden neben Zeltplätzen auch Mehrbettzimmer und sogar kleine Hütten für zwei Personen angeboten. Dutzende Wanderer standen an den warmen Duschen Schlange, doch die Wartezeit zahlte sich aus. Frisch geduscht saßen wir an einem Tisch neben unserem Zelt und warteten, bis der Campingkocher die Nudeln gegart hatte.

Chorus of the dissimilar - Copyright Jörg Bonner

Nach neun Stunden Trekking verlangte mein Körper nach Ruhe und Schlaf. Meine Beine waren schwer und langsam. Die patagonische Kälte kroch durch jede Ritze meiner Kleidung. Eine durchziehende Kaltfront verzierte den Himmel mit Wolken in den unglaublichsten Formen und die untergehende Sonne tauchte die Szenerie in magisches Licht. Mir blieb nichts anderes übrig: Ich musste nochmal los.

Valle Francés

Auf zwei Tage Sonnenschein folgte ein grauer Morgen. Weiter hinten im Park konnten wir Regenschwaden erkennen und uns wurde klar, dass es auf den Gipfeln auch schneien musste. Wir wappneten uns und unsere Rucksäcke für Regen und machten uns auf den Weg. Unsere dritte Etappe führte über fünf Stunden und sechshundert Höhenmeter ins Valle Francés – das französische Tal.

Morning Coffe - Copyright Jörg Bonner

Hier gibt es einen wenig genutzten Campingplatz, der für uns zu einem der Höhepunkte wurde. Im Unterschied zu den leichter zugänglichen Camps war unser Zelt hier nur eines von dreien. Ansonsten waren es bis zu achtzig. Die Einsamkeit ließ die Berge ringsherum noch übermächtiger erscheinen.

Gezeichnet von den letzten Tagen kroch ich am nächsten Tag noch lange vor Sonnenaufgang aus dem Zelt. Der erste kalte Atemzug brannte kurz in der Lunge. Ich blickte nach oben – die Wolken sahen vielversprechend aus.

Zwanzig Minuten später erreichte ich einen etwas höher gelegenen Aussichtspunkt. Der Wind wehte dort so stark, dass ich mein Stativ keine Sekunde außer Acht lassen konnte, ohne dabei Kamera und Linse auf’s Spiel zu setzen. Mit dem Wind kamen auch die Wolken, die gemeinsam mit der Sonne für die nächsten zwanzig Minuten ein spektakuläres Farbenspiel auf den Himmel zauberten.

Refugio Paine Grande

Nach dem Shooting zum Sonnenaufgang ging alles schnell. Das morgendliche Ritual mit Frühstück und Zusammenpacken hatten wir mittlerweile perfektioniert. Im Regen gingen wir wieder talauswärts und durch Buschwerk entlang mehrerer Seen zum Refugio Paine Grande.

Hier befindet sich eine der größten und leicht erreichbaren Anlagen im Park. Nach der Ruhe der letzten Nacht waren wir fast überfordert vom emsigen Treiben, das hier herrschte. Gerade noch schafften wir es, einen Zeltplatz zu ergattern. Die Wolken hingen tief an den Berghängen und wir beschlossen, früh schlafen zu gehen, um unseren Körpern ein wenig Ruhe zu gönnen. Wie immer hatte ich aber den Wecker auf über eine Stunde vor Sonnenaufgang gestellt.

The Cure - Copyright Jörg Bonner

Nach sieben Stunden Schlaf fühlte ich mich wie neu geboren. Allerdings war ich am Weg zu meiner Location schon in Eile, die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Das Scouting am Vortag war aufgrund von akutem Schlafmangel ausgefallen und ich musste noch eine geeignete Stelle finden. Ein Hügel in der Nähe des Camps mit Blick über den Lago Pehoe kam mir da gerade recht.

Grey Gletscher

Nach dem Frühstück ging es wieder weiter. Diesmal führte uns der Weg zum Grey Gletscher. Entlang des Lago Grey, in den der Gletscher kalbt, ging es durch den Wald zu einem Camp das oberhalb des Gletschers liegt.

Keine fünf Minuten vom Camp bietet sich ein atemberaubender Ausblick über das südliche patagonische Eisfeld. Das Wetter war mittlerweile wieder grau in grau und der eiskalte Wind über dem Gletscher ließ uns nicht lange ausharren, bevor wir uns ans Schlafengehen machten.

Frosty Sunset - Copyright Jörg Bonner

Auf dem Weg ins Zelt bemerkte ich plötzlich einen gelblichen Schimmer, der über dem Wald lag. Zum Glück lagen Kamera, Stativ und Filter immer bereit und ich stand ein paar Augenblicke später wieder über dem Gletscher.

Dort bot sich mir ein unglaublicher Anblick. Über dem blau schimmernden Eis des Gletschers ließ die untergehende Sonne die Wolken in allen möglichen Gelb- und Orangetönen leuchten. Vom Gletscher ein paar hundert Meter unterhalb wehte ein eisiger Wind herauf.

Ich stellte mich dem Wind mit Kamera und Stativ entgegen und machte mich daran, das Schauspiel am Himmel festzuhalten. Ständig auf der Suche nach neuen Bildausschnitten vergaß ich bald die Kälte. Erst als die Sonne komplett verschwunden war, bemerkte ich, dass meine Finger fast gefroren waren.

Cuernos del Paine

Am Tag darauf ging es zurück entlang des Gletschers zur Anlegestelle eines Ausflugsbootes. Wir hatten uns dort auf die Warteliste setzen lassen, um am nächsten Tag den See zu überqueren. Zum Glück ergatterten wir noch zwei Plätze und ersparten uns damit den mühsamen Weg zu Fuß.

Cuernos del Paine - Copyright Jörg Bonner

Auf der anderen Seite des Lago Grey angekommen, machten wir uns per Bus noch auf den Weg ans Südost-Ufer des Lago Pehoé. Dort wartete noch eine der Hauptattraktionen des Parks auf uns, der Blick zu den Cuernos del Paine.

Wir waren froh, dass wir die Bergetappen mittlerweile hinter uns gelassen hatten. Entlang des Ufers ging es angenehm flach dahin und wir erreichten bald unser letztes Ziel im Park. Das Camp am See bot viel Komfort und konnte mit offenen Feuerstellen und überdachten Zeltplätzen aufwarten.

Bevor es zurück nach Puerto Natales ging, hieß es für uns ein letztes Mal früh aufstehen. Die Lage des Camps konnte nicht besser sein. Hinter dem kleinen Shop führte ein Weg auf eine hügelige Halbinsel. Von oben hatte man den gesamten Torres del Paine Nationalpark nochmals im Blick.

Fasziniert vom Panorama wurde uns bewusst, dass wir in den letzten Tagen im Park über 75km zu Fuß zurückgelegt hatten.

El Chaltén

Zurück in Puerto Natales blieb uns nicht viel Zeit, um zu entspannen. Der Bus für die Weiterreise nach Argentinien war schnell gebucht und zwei Tage später ging es für uns schon weiter. Die Grenzformalitäten nach Argentinien waren relativ unkompliziert und drei Stunden später erreichten wir El Calafate, von wo aus wir am selben Tag noch einen Bus nach El Chaltén nahmen.

Ähnlich wie in Puerto Natales erwartete uns auch hier eine auf Tourismus und Trekking ausgerichtete Infrastruktur. Die Wanderwege der Umgebung sind gut ausgebaut und ebenso gut besucht. Wir gönnten uns einen Tag Pause und nutzten die Zeit, um uns ein Zelt und Proviant für ein paar Nächte im Los Glaciares Nationalpark zu besorgen.

Glowing Fitz Roy - Copyright Jörg Bonner

Am Morgen darauf packte ich leise meine Fotoausrüstung und schlich mich aus unserer Herberge. Die Straßen von El Chaltén wirkten in der Finsternis noch ausgestorbener als bei Tageslicht.

Obwohl ich zu einem Aussichtspunkt unterwegs war, den wir am Vortag schon besucht hatten, war mir etwas mulmig zu Mute. Auf einem Weidehügel 45 Gehminuten außerhalb des besiedelten Gebiets rechnete ich jeden Moment damit, einem Puma zu begegnen. Am Ende war es zum Glück nur eine Kuh, die mich zu Tode erschreckte – ich hatte sie im Gebüsch aufgeschreckt.

Fitz Roy Basecamp

In einer kleinen Bäckerei genossen wir nach meiner Rückkehr noch ein ausgiebiges Frühstück, bevor wir unsere Rucksäcke umschnallten und losmarschierten. El Chaltén ist Ausgangsort für viele Wanderungen in den Park, wir hatten uns für den Trek zum Fitz Roy Basecamp entschieden.

Auf halbem Weg, nahe der Laguna Capri, eröffnete sich uns zum ersten Mal ein atemberaubender Blick auf den Fitz Roy und seine Gletscher. Wir waren jedoch noch weiter von unserem Ziel entfernt als uns lieb war. Zwei Stunden waren es von hier noch ins Campemento Poincenot am Fuß des Fitz Roy. Und vorerst war das Camp auch nur ein Zwischenziel.

Fitz Roy on Fire - Copyright Jörg Bonner

Nach dem Aufschlagen unseres Zeltes machte ich mich noch auf den Weg zu der ein paar hundert Meter höher gelegenen Laguna de Los Tres. Oben angekommen, war ich schweißgebadet. Erschöpft machte ich kurz Pause, bevor ich am Ufer der Laguna nach Bildkompositionen scoutete.

Langsam versank die Sonne hinter dem Fitz Roy. Kurz bevor sie den Horizont erreichte, tauchte sie die Szenerie in unglaubliches Licht. Eine kleine Wolkengruppe, die wie eine Marionette über dem Berg zu tanzen schien, reflektierte die Sonnenstrahlen zurück auf den Gletscher unter ihr.

Cerro Torre

Tags darauf marschierten wir vom Campamento Poincenot zum Cerro Torre. Durch dichten Südbuchen-Wald ging es zuerst ein paar Stunden eben dahin, bevor der Weg dann leicht ansteigend einem Flusslauf folgte. Das Camp liegt direkt an der Laguna Torre, einem riesigen Gletschersee unterhalb des Cerro Torre.

Cerro Torre with full Moon - Copyright Jörg Bonner

Die Nacht war kälter als alle bisherigen in Patagonien. Die Überwindung, aus dem Schlafsack zu kriechen, war noch nie so groß gewesen. Sämtliche Kleidungsstücke, die wir bei uns hatten, fanden Verwendung, boten aber nur unzureichenden Schutz vor der erbarmungslosen Kälte. Erst als wir unsere Finger an einem Topf mit heißem Tee gewärmt und uns die Sonne endlich erreicht hatte, fühlten wir uns wieder wohler.

Trotz der Kälte machten wir uns nur widerwillig auf den Weg zurück in die Stadt. Wir wussten, dass sich unsere Zeit in Patagonien langsam dem Ende zuneigte.

Zurück in El Chaltén verwöhnten wir uns dann mit gutem Essen und Bier aus einer kleinen Brauerei im Ort. Am Tag darauf bestiegen wir auch schon wieder einen Bus, um über El Calafate und Puerto Natales wieder zurück nach Punta Arenas zu gelangen, von wo wir dann nach Santiago de Chile zurückflogen.

Sechzehn Tage waren wir durch Patagonien unterwegs. Neun davon verbrachten wir mit Rucksack und Zelt in Nationalparks. Von Sonnenschein (und beinahe-Badewetter) bis Schneefall spielte das Wetter alle Stücke. Oft waren wir der Erschöpfung näher als uns lieb war, doch noch viel öfter wurden wir für unsere Anstrengungen belohnt.

Patagonien ist ein traumhaftes Reiseziel, nicht nur für Fotografen, sondern für jeden, der (ein wenig) Abenteuer und die Natur liebt.

Ein besonderer Dank geht an meine bezaubernde und tapfere Lebens- und Reisegefährtin Kathi!

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