20. August 2011 Lesezeit: ~7 Minuten

Digitale Infrarot-Fotografie

Vor wenigen Jahren habe ich ganz merkwürdige Fotos auf deviantART entdeckt, die so total anders aussahen als die üblichen Bilder. Auch waren sie sehr beliebt und erzielten traumhafte Bewertungen und Kommentare.

Es waren Infrarot-Fotos von gilad und Gwarf. Diese Fotografen gaben mir Tipps und ich fing an, selbst zu experimentieren. Meine Begeisterung war groß und die Resultate ansprechend. Dabei ist diese außergewöhnliche Fototechnik im Grunde ganz einfach!

Die Technik

Lichtwellen beginnen im unsichtbaren kurzwelligen UV-Bereich, gehen über in das für das menschliche Auge sichtbare Licht (die Wellenfrequenzen von ca. 385 bis ca. 789 THz) und gehen weiter in den unsichtbaren Infrarot-Bereich.

Infrarot-Fotografie befasst sich also mit dem für Menschen unsichtbaren kurzwelligen Licht und hat nichts zu tun mit der Wärmebild-Technik.

Die Infrarot-Fotografie bewirkt, dass grünes Laub und grüne Wiesen hell-weiß werden (“Wood-Effekt”), dass der tief-blaue Himmel schwarz wird mit feinsten Grauverläufen und dass weiße Wolken, die sonst nur grau in grau erscheinen, kontrastreich hervorspringen. Alles wirkt wie verzaubert – wie aus einer fremden Welt.

Der 950nm-Filter

Wie verwandle ich nun meine digitale Kamera in eine Infrarot-Kamera, die dieses für das menschliche Auge unsichtbare Licht abbildet und diese Effekte erzielt?

Die preiswerteste Methode ist wohl, bei eBay einen 950nm-”No Name”-Filter aus Hongkong für ca. 20€ zu ersteigern. Dabei muss der Filter im Durchmesser genau auf das Objektiv passen. Die Millimeterangaben findet man in der Regel vorne am Objektiv.

Der Filter kommt dann nach ein bis zwei Wochen per Briefpost. Für die meisten Experimente reicht dieser Filter völlig aus. Oder man bestellt gleich einen teuren Marken-Filter (z.B. den populären Hoya r72 = 720nm) für ca. 40€ bis 60€ – je nach Anbieter.

Es gibt Filter und Filtersysteme in verschiedenen Größen und Stärken. Nicht jeder Infrarot-Filter ist für jede Kamera oder jedes Objektiv geeignet. Ich habe mir für meine Sony F828 diesen preiswerten 58mm-”No Name”-950nm-Filter aus Hongkong bestellt. Er lässt absolut kein sichtbares Licht mehr durch und funktioniert auch heute noch einwandfrei.

Die Sony F828 hat den Vorteil, dass der innere Infrarotlicht-Sperrfilter, der bei den meisten Kameras fest installiert ist, im Nightshot-Modus einfach wegklappt. Dadurch ist diese Kamera höchst licht- und infrarotempfindlich.

Es gelingen auch Aufnahmen bei geringstem Licht oder gar in vollkommen dunkler Nacht, da ein kleiner Strahler mit unsichtbarem Infrarot-Licht unterhalb des Blitzlichts eingebaut ist. Das sichtbare Restlicht und die unsichtbaren Infrarot-Strahlen fallen also im Nightshot-Modus ungehindert auf den Sensor und werden auf dem Monitor sichtbar.

Wenn ich dann den Infrarot-Filter aufsetze, entsteht ein rein monochromes grünliches Infrarot-Bild, das man vielleicht von den populär gewordenen Nachtbildern aus dem schrecklichen Irak-Krieg in Erinnerung hat. Bei anderen Kamera-Modellen entsteht, je nach innerem Betriebssystem, auch ein rötliches Infrarotbild.

Da bei dem 950nm-Filter ein rein monochromes Bild entsteht, bietet sich die Schwarzweiß-Nachbearbeitung an. Farbe kann man nur nachträglich einarbeiten, indem man Ebenen färbt oder miteinander kombiniert.

Der 720nm-Filter

Bei Kamera-Modellen ohne Nightshot-Modus ist ein Hoya r72-Infrarot-Filter (720nm) empfehlenswert. Dieser Filter lässt eine gehörige Portion von sichtbarem Licht durch. Hierbei entsteht also ein “Zwitterbild” aus Infrarotwellen und sichtbarem Licht.

Auch diese Fotos müssen kräftig nachbearbeitet werden. Am besten geht das wohl mit Photoshop, da man die rote und blaue Ebene im Kanalmixer einfach austauschen kann. Wenn man dabei feinfühlig vorgeht und mit den Werten ein wenig an den “Reglern” spielt (bis zu oder über 100% weniger oder mehr), können fantastische Resultate mit lieblich blauem Himmel und weißen oder violetten Bäumen erzielt werden. Die anschließende Tonwertkorrektur verstärkt diesen farblichen Effekt noch erheblich.


Der Einsatz eines Stativs

Kamera-Modelle, die einen sehr starken Infrarot-Blocker direkt auf dem Sensor haben – er dient zur normalen Farbverbesserung – erfordern entsprechend lange Belichtungszeiten, wenn man den Infrarot-Filter einsetzt. Es empfiehlt sich also, ein gutes Stativ dabei zu haben.

Auch muss in solchen Fällen die Entfernung vorher manuell eingestellt werden, da man auf dem Kamera-Monitor bei aufgeschraubtem Filter praktisch nichts mehr sieht. Bei meiner 20D muss ich 30 Sekunden
und länger belichten, während ich mit meiner Sony oft locker aus der Hand mit 1/30s und offener Blende (f=2,2) fotografieren kann.

Der Hotspot

Leider zeigt sich bei einigen Kamera-Modellen oder Objektiven mit aufgeschraubtem Infrarot-Filter bei Betrachtung der Aufnahmen am PC ein heller kreisrunder Hotspot in der Mitte des Bildes. Man kann diesen
zwar mit einem Bildbearbeitungsprogramm abmildern, aber unerfreulich ist er in jedem Fall.

Es gibt Portale im Internet, die sich mit diesem Thema ausführlich beschäftigen und in Tabellen aufzeigen, welche Kamera oder welches Objektiv dazu neigt, einen Hotspot zu bilden. Man muss also ein bisschen googeln, um die Infrarot-Eignung der eigenen Kamera und des Objektives zu erfahren.

Die Konvertierung

Wer hohe Ansprüche an die Infrarot-Fotografie stellt, besorgt sich bestimmt irgendwann mal eine Kamera, die eigens für diesen Zweck umgebaut (konvertiert) worden ist.

Im Grunde lässt sich jede digitale Kamera in eine Infrarot-Kamera umbauen. Es muss die Kamera geöffnet und der Infrarot-Sperrfilter vom Sensor entfernt werden. Und dann muss man den Infrarot-Filter fest einsetzen. Das ist in der Praxis höchst kompliziert und wenn man seine Kamera nicht zerstören will, sollte man diese Arbeiten unbedingt dem Fachmann überlassen.

Zwei private Fachleute, die Kameras recht preiswert konvertieren, sind Rainer Hönle (Deutschland) und Ilija Mel (USA).

Eine konvertierte Kamera hat den Vorteil, dass man sie praktisch so “normal” einsetzen kann, wie jede andere Kamera, nur dass dabei eben Infrarot-Aufnahmen entstehen. Allerdings muss man bei einigen Kamera-Modellen unbedingt die Automatik abschalten und die Entfernung und Belichtung manuell einstellen, weil die normalen Werte durch den Filter verschoben sind.

Die Entfernungs- und Belichtingskorrektur

Es ist also darauf zu achten, dass bei Infrarot-Aufnahmen die eingebaute Automatik oft nicht mehr optimal funktioniert. Vorne bei der Tiefenschärfe-Anzeige auf den Objektiven befindet sich ein roter Punkt, der die Entfernungskorrektur für Infrarotaufnahmen anzeigt, weil die Kamera durch den Infrarot-Filter “kurzsichtig” wird.

Auch die automatische Belichtung spielt verrückt, weil sie ab Werk auf das mittlere sichtbare Lichtwellenspektrum eingestellt ist. Wir müssten also mit Entfernungs- und Belichtungsreihen herumexperimentieren, um die optimale Einstellung für unsere Kamera herauszufinden.

Die Zusatzfilter

Bei zu starker Sonneneinstrahlung hilft mir bei meiner Sony F828 ein zusätzlicher 4facher oder 8facher Graufilter, um Überstrahlungen zu vermeiden. Gerade bei sehr kontrastreichem Sonnenlicht fransen Wolken und helle Flächen unansehnlich aus. Diese Filter helfen also, die kontrastreichen Konturen der Wolken abzumildern und damit erheblich zu verbessern. Aber das kennt man ja auch aus der “normalen” Fotografie.

Also – alles ganz einfach?

Viele Dinge, die hier beschrieben sind, klingen vielleicht kompliziert. Auch schrecken manche Internet-Infrarot-Tutorials wegen ihres hochgradig “technischen” Inhalts ab.

In der Praxis erscheint die Infrarot-Aufnahmetechnik dann doch viel einfacher. Man braucht nur etwas Tageslicht und man merkt, dass am späten Nachmittag die Infrarot-Strahlung der Sonne am stärksten ist. Auch der Winkel zum Sonnenlicht ist entscheidend. 90°-Aufnahmen bringen mehr Tiefe als wenn man die Sonne nur “platt” im Rücken hat. Und Gegenlichtaufnahmen haben auch ihren Reiz.

Also – nicht verzagen – ausprobieren. Es lohnt sich bestimmt. Und Spaß macht es auch noch, etwas Neues zu machen und zu experimentieren!

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