kwerfeldein
05. Juni 2011 Lesezeit: ~7 Minuten

Ein Gespräch mit Christian Protte

Christian Protte

Christian Protte ist mir vor rund zwei Jahren bei supertopic.de, einem Forum für Medienschaffende, durch seine schweren und unglaublich stimmungsvollen Schwarzweiß-Fotos aufgefallen. Seine sehr bewusste Herangehensweise und seine Gedanken zur Fotografie fand ich schon immer spannend und daher habe ich mit ihm ein kleines Interview geführt.

Mehr von ihm findet ihr in seinem Portfolio oder auf Flickr.

 

Hallo Christian, vor dem eigentlichen Interview ganz kurz: Wer bist du, wo kommst du her und wie sieht dein Background so aus?

Christian Protte, gelernter Raumausstatter, ursprünglich aus Delbrück. Derzeit wohnhaft in Bielefeld. Seit 2008 studiere ich Fotografie & Medien an der FH Bielefeld.

Während unseres Vorgesprächs hast du mir erzählt, dass du 2004 durch eine Foto-AG den Einstieg in die Analogfotografie gefunden hast. Warum war es aus deiner Sicht eventuell besser, erstmal analog zu fotografieren als sofort digital durchzustarten?

Ich glaube, weil der erste Kontakt mit den Umständlichkeiten des Analogprozesses nicht so schnell von statten ging (eher ruhig und bedächtig), habe ich das Medium langsamer wahrgenommen. Das empfinde ich als ganz angenehm.

Es ist aber nicht zwingend besser oder schlechter, analog anzufangen. Wenn der Drang, wirklich etwas über Fotografie zu lernen, groß genug ist und man vielleicht anfängt, sich mit der Geschichte der Fotografie zu beschäftigen, wird man eh schnell erkennen, worum es eigentlich geht. Es könnte eher sein, dass der jeweilige Einstieg möglicherweise einen Einfluss darauf hat, wie man sich später stilistisch verordnet. Ob man draufballert oder eine Stunde über ein Bild grübelt. Das eine ist dann ja nicht schlechter als das andere.

Ich erinnere mich daran, dass du eine ganze Zeit lang mit einer Leica M4-2, mit der auch u.a. Henri Cartier-Bresson gearbeitet hat, unterwegs warst. Was ist für dich das Besondere an analogen Rangefinder-Kameras?

Sie sind diskret. Ich mag auch das Zeitlose an ihnen, weshalb man übrigens auch leichter ins Gespräch kommt. Besonders ist auch, dass man als Brillenträger den Sucher nicht komplett einsehen kann, wobei dieser ja eh nur grob zeigt, was ungefähr auf dem Bild sein wird. Und dass man (im Fall der M4-2) noch einen Belichtungsmesser mitschleppen muss (oder lernen muss, die Belichtung zu schätzen).

Inwieweit beeinflusst das dann deinen fotografischen Prozess (von der reinen Technik mal abgesehen)?

Kaum. Als ich sie noch regelmäßig benutzte, habe ich sehr viel mehr Bilder gemacht als jetzt und hatte sie dementsprechend oft dabei, wenn ich aus dem Haus gegangen bin. Allerdings wäre das wahrscheinlich genauso gewesen, wenn ich eine andere Kamera gehabt hätte. Das einzige ist vielleicht der Flair, den man verspürt, wenn man damit fotografiert. Das kann man nur schwer rational erklären.

lucinda 002

Viele junge und ambitionierte Hobby-Fotografen stehen nach ihrer Schullaufbahn vor der Qual der Wahl: Ausbildung, Studium oder doch vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt den Quereinstieg wagen? 2008 hast du dich dann dazu entschieden, an der FH Bielefeld Fotografie und Medien zu studieren. Worin siehst du die Vor-, aber auch Nachteile eines klassischen Fotografie-Studiums, bzw. wieso hast du dich schlussendlich für deinen Studiengang entschieden?

Ich denke, dass man im Studium lernt, die Fotografie nur als Hilfsmittel für das zu sehen, was man eigentlich sagen will. Irgendwann steht nicht mehr sie im Mittelpunkt, sondern das Thema. Das ist auch notwendig, um in Serien denken zu können und von Oberflächlichkeiten weg zu kommen, die am Anfang noch wichtig erscheinen.

Ich weiß nicht, ob das in der klassischen Ausbildung so durchkommt (hab ich ja nicht gemacht), aber ich bezweifle das ein wenig. Ich habe gehört, sie sei technischer. Der Nachteil am Studium ist, dass (je nach persönlicher Veranlagung) die Gefahr besteht, kaum noch Bilder zu machen.

Ich selber habe zwischendurch ein Semester nur selten bis gar nicht fotografiert, weil der inhaltliche Anspruch an die Bilder so groß wurde, dass ich mir ganz zu genau überlegt habe, warum ich denn jetzt abdrücken und noch ein Foto machen sollte. Da muss man eben versuchen, trotz der Ernsthaftigkeit der Sache nicht den Spaß an der Fotografie zu verlieren.

Vorschlag: Du hast gesagt, dass du bei Flickr nicht mehr so aktiv bist. Wenn man sich deinen Stream so ansieht, merkt man, dass du in der Vergangenheit vorwiegend Schwarzweiß fotografiert hast, dich aber momentan wieder weiter davon distanzierst. Zufall oder bewusste Entscheidung?

Schon bewusst. Es macht nicht wirklich Sinn, per se in Schwarzweiß zu fotografieren, wenn man doch an unterschiedlichen Themen arbeitet. Meine letzten Arbeiten hätten einfach nicht davon profitiert. Man muss sich halt die Eigenschaften von Schwarzweiß vor Augen führen.

Es lässt das Bild oft abstrakter wirken. Man verbindet es nicht so schnell mit der Realität, weil die ja nunmal in Farbe ist. Aufgrund der fehlenden Informationen springt der Betrachter in der Regel schneller auf Emotionen an. Und es ist natürlich zeitloser. Ich glaube, man überlässt die Deutung einfach mehr dem Betrachter als bei Farbe, es ist offener angelegt.

Journey

In der (heutigen) Digitalfotografie hat man oft den Eindruck, durch ein spektakuläres Sujet und eine möglichst eindrucksvolle Farbgebung am leichtesten überzeugen zu können. Im Gegensatz dazu wirken deine digitalen Arbeiten (bearbeitungstechnisch) oft zurückgenommen, bescheiden und sehr auf den inhaltlichen Kontext reduziert. Daher auch an dich die Frage: Wie stehst du im Allgemeinen zum Thema Bildbearbeitung und Retusche in der Digitalfotografie?

Ist doch okay, wenn man noch mal sehr viel Zeit damit verbringt, das Bild aufzupolieren. Es hat für mich aber nicht viel mit dem Gehalt des Bildes zu tun. Wenn ein Foto mehr als nur schön sein und mir irgendetwas auf den Weg geben will, kann letzten Endes Bildbearbeitung nicht viel ausrichten.

Man erkennt doch sofort, ob der Fotograf versucht hat, irgendwie noch das Bild zu retten, es vielleicht sogar nur als eine Art Vorlage für die „eigentliche Arbeit“ in der Nachbearbeitung gesehen hat, oder ob es eben nur das i-Tüpfelchen im ganzen Prozess war.

Du hast erwähnt, dass du hauptsächlich in Serien arbeitest, was dein Portfolio ja auch zeigt. Wie sieht deine Herangehensweise bei deinen Fotoprojekten aus?

Das ist unterschiedlich und noch keineswegs gefestigt. Ich hadere immer noch damit, offen auf Menschen zuzugehen. Insbesondere dann, wenn ich selber noch nicht genau weiß, worauf ich eigentlich genau hinaus möchte (was meistens der Fall ist). Mich dann zu erklären ist nicht immer leicht.

Ansonsten versuche ich einfach, durch mein Verhalten den Leuten klar zu machen, dass mir das Ganze wichtig ist und ich sie ernst nehme. Im Grunde ist das auch die „Hauptaufgabe“ – sich mit Menschen oder Themen genauer auseinandersetzen. Die Fotos kommen dann schon.

Zum Schluss: Welche Fotografen inspirieren dich und wieso?

Momentan meist klassische amerikanische Fotografen aus der „New Color“-Zeit. Stephen Shore, Joel Sternfeld, William Eggleston. Sie zeigen mir Realität und lassen gleichzeitig viel Platz zum Grübeln – und das, ohne dabei gewollt zu wirken. Ich schau sie mir auch einfach gerne an.

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