Doppelportrait im Wasser
30. November 2021 Lesezeit: ~5 Minuten

Doppelt hält schöner

Als ich nach einer längeren Pause vor zirka sieben Jahren wieder in die „ernsthafte“ Fotografie eingestiegen bin, haben Doppelbilder von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt. Im Gegensatz zu geplanten Ideen und Projekten, bei denen ich vorher – zumindest ungefähr, der Rest ergibt und ändert sich beim Fotografieren – weiß, was ich will, sind die Doppelbilder uneingeschränkt spontane Bilder, deren Ideen und Umsetzung erst beim Betrachten am Rechner entstehen.

Es gibt Modelle, die nach jedem Klick der Kamera ihre Pose wechseln und eine andere Emotion zeigen. Dann ist immer Bewegung und Action drin, da muss ich dann nicht selten unterbrechen und um Bewegungsruhe bitten, wenn ich einen Ausdruck besonders schön finde. Ich plane die Doppelbilder nicht. Wenn ich mir die Bilder am PC anschaue, ist das ein rein instinktiver Vorgang: Ich sehe zwei verschiedene, aber doch sehr ähnliche Bilder und mir kommt geradewegs eine Idee.

Doppelportrait

Meistens setze ich das Doppelbild mit leicht veränderter Emotion hinter das erste Bild, indem ich es ausschneide, das Drumherum anpasse und es gegebenenfalls noch unschärfer mach, da ich meist mit relativ weit geöffneter Blende fotografiere. Manchmal setze ich das Modell auch neben sich selbst, das entscheidet aber grundsätzlich der Moment, wenn ich es sehe. Meist mache ich das mit nahen Aufnahmen, die sich nur auf den Kopf und vielleicht noch einen Teil des Oberkörpers reduzieren. Ich finde das wirkungsvoller als Ganzkörperfotos zu doppeln oder sogar mehrmals zu duplizieren.

Ich komme aus der Musik und sehe viele Parallelen in der Fotografie: Etwa das Improvisieren, also im Moment Ideen zu haben, von denen man vorher noch nichts wusste und diese dann zu einem fertigen Produkt wachsen zu lassen. Ich verliere mich in den Momenten, wenn ich Bilder bearbeite. Es ist wie eine Meditation, eine komplette Fixierung nur auf eine Sache, vollkommen losgelöst von allem, was um mich herum ist. Nichts anderes macht die Musik, wenn wir mit anderen zusammen spielen und in den besten Momenten dabei eins werden.

Doppelportrait

Allerdings kommt es auch nicht selten vor, dass ich Bilder lösche, an denen ich schon längere Zeit gearbeitet habe, weil das Ergebnis einfach nicht so wird, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sehr oft sind die Augen bei meinen Doppelbildern einmal geschlossen und einmal geöffnet. Ich finde diesen Tag-und-Nacht-Gegensatz besonders ansprechend. Geöffnete Augen symbolisieren für mich Wachsamkeit, Licht, Leben, Farben und andere Menschen wahrzunehmen. In geschlossenen Augen sehe ich eher Verletzlichkeit, Intimität, Genuss, Liebe, aber auch Dunkelheit, Verschlossenheit, Angst und Tod.

Ich mache mir viele Gedanken über das Leben und komme zu keinem guten Schluss. Viele meiner Bekannten kommen aus dem christlichen Bereich und ich beneide sie dafür, dass sie eine Perspektive für später haben. Ich habe keine. Vielleicht sprechen mich deshalb emotionale, dunkle, melancholische Bilder am stärksten an. Ich bin ein großer Freund der skandinavischen Melancholie. „Dieses schöne Scheißleben“ bringt es – für meine Sicht der Dinge – auf den Punkt.

Doppelportrait

Meine Fotografien sind vorwiegend schwarzweiß, ich finde die Bildwirkung des Reduzierten meist ansprechender. Aber dennoch fotografiere ich nicht ausschließlich schwarzweiß und möchte mich auch nicht darauf festlegen. Es gibt Bilder, die in Farbe einfach besser aussehen. Ich zweifle oft, ob das auch gut ist, dass ich mich da nicht festlege, da dies ja auch ein Merkmal vieler toller Fotograf*innen ist. Aber ich habe mir vorgenommen, dass mir das egal ist, – dass es nur zwischendurch mal funktioniert.

Überhaupt zweifle ich oft auch an meinen Arbeiten, weil das meiste doch eher spezieller Natur ist und ich denke, dass es eh kaum jemanden interessiert. Ich möchte aber auch nicht auf den Zeitgeist-Zug mit orange-braun getönten Bildern – zurzeit auch wieder sehr gern analog – aufspringen. Ich möchte Bilder machen, denen man hinterher nicht ansieht, in welcher Zeit sie entstanden sind. Denn irgendwann wird wieder eine anderes Stilmittel in sein, das dann von vielen benutzt wird.

Doppelportrait einer Frau im Wasser, einmal mit geschlossenen und mit geöffneten Augen

Viele meiner Bilder neigen auch gern mal zum Absurden. Ich liebe es, Menschen anders darzustellen, als man es gewohnt ist. Da kann schon einmal eine Person ganz normal dastehen und brennen, mit dem Kopf in der Wand stecken oder als Mittelstreifen auf der Hauptstraße liegen, als wäre das alles völlig normal. Man weiß, dass solche Dinge nicht möglich sind und dennoch bietet die Fotografie uns die Möglichkeiten, es so darzustellen. Eigentlich ist doch alles wunderbar (scheiße).