Roadtrip mit Kindern
Einfach? Nein, einfach ist es nicht, aber das habe ich mir auch nicht erwartet. Seit knapp einer Woche bin ich mit meinen beiden Kindern im Wohnmobil unterwegs, immer weiter Richtung Norden. Mittlerweile hat sich schon ein wenig Routine eingestellt, viele Handgriffe passieren beinahe automatisch.
Frühstück kochen und die Betten wegräumen, um wieder Platz zu haben. Das Verstauen unserer Sachen vor der Abfahrt und das Prüfen, ob alle Kästchen verschlossen sind und die Treppe eingeklappt ist. Das „wilde“ Campen ist nach dem zweiten Mal nicht mehr ganz so aufregend, der Schlaf wird tiefer.
Die Nachtruhe verschiebt sich unweigerlich nach hinten, dafür werden wir später wach und beginnen unseren Tag selten vor 10 Uhr. Das ist gut so, wir genießen die Ferien und das Leben im Wohnmobil. Nichts drängt uns vorwärts, außer wir selbst. Zeit haben wir genug, sofern wir sie uns nehmen wollen. Und das tun wir, zumindest seitdem wir unsere Heimat verlassen haben.
Zankereien sind trotz aller abenteuerlichen Aufregung ein ständiger Begleiter und meine Frau fehlt uns allen. Eine Woche muss ich noch allein mit den Kindern klarkommen. Ich habe meine Komfortzone absichtlich verlassen und bin von meinem Plan, bis nach Schottland allein mit den Kindern zu reisen, trotz vieler zweifelnder Fragen nicht abgewichen.
Es ist ein guter Plan und ich stehe dazu – Zeit mit den Kindern zu verbringen, allein und ohne ihre Mutter, um vielleicht mir selbst zu beweisen, dass ich klarkomme. Selbst in einer nicht alltäglichen Situation, abseits des gewohnten Komforts im beschränkten Raum eines 20 Jahre alten Wohnmobils.
Ja, wahrscheinlich hat es tatsächlich mit dem Alter zu tun – die 40 wird angeschrieben und ich schrecke davor zurück, in eine Lebenskrise zu stolpern. Also schieße ich mich ganz bewusst aus meinem Alltag raus und hinein in ein (kleines) Abenteuer. Dazu benötige ich, außer dem bereits erwähnten Wohnmobil, vor allem eines: Zeit. Zeit, um über vieles, speziell aber mein Leben, nachzudenken.
Und das eben, bevor ich das Gefühl habe, in einer Krise zu stecken. Ein Haus auf dem Land, eine wunderbare Frau, zwei Kinder. Auto und Motorrad in der Garage und dazu noch ein abwechslungsreicher und teils fordernder Beruf, der immer wieder neue Aufgaben stellt. Langweilig ist mein Leben nicht und dennoch: Gänzlich zufrieden bin ich im Moment auch nicht.
Zu vieles läuft zu geschmiert, vielleicht ein wenig zu bieder. Ein wenig Abwechslung muss her und ich schätze mich glücklich, eine Frau an meiner Seite zu haben, die meinen Drang zum Neuen ebenso gutheißt wie ich. So komme ich von einer zweiwöchigen Vietnamreise mit einem Kopf voll verrückter Ideen nach Hause zurück, um wenige Monate später, nach vielen Gesprächen, die Entscheidung zu treffen: Eine Auszeit vom Job tut mir gut und ist notwendig, ebenso die Reduktion auf des Wesentliche, das Notwendige.
Wir kratzen unser Erspartes zusammen und kaufen ein altes Wohnmobil. Nach Bauchgefühl, wie so oft in unserem Leben – alles andere würde auch keinen Sinn ergeben. Wir vertrauen und werden nicht enttäuscht: Nachdem der Kaufvertrag bereits unterschrieben und das Geld überwiesen ist, mache ich eine gründliche Überprüfung des Fahrzeuges, und siehe da – unser Gefühl hat uns nicht getäuscht, wir haben einen Glückstreffer gelandet. Motor, Fahrwerk, Karosserie und Bremsen sind in sehr gutem Zustand, ebenso die Gasleitungen und die eingebauten Geräte.
Den Innenraum bringen wir noch vor Antritt der Reise etwas auf Vordermann. Meine Frau kümmert sich um die Gestaltung, ich mich ein wenig um die Technik. Ohne jemals zuvor in einem Camper übernachtet zu haben, gehen wir voller Zuversicht hinein in das Abenteuer, das den Namen „zeitlos Schottland“ trägt.
Fünf Tage also und ich bin gerade dabei, meine Gedanken zu sammeln: Die Sommerhitze ist manchmal beinahe unerträglich, die Kinder sehen es gelassen und wissen: Wenn es mir zu viel wird, halten wir an und verbringen den Rest des Nachmittages in einem Schwimmbad. Das passiert beinahe täglich. Auch das könnte schlechter sein – obwohl, manchmal wünsche ich ihn mir herbei, den Regen. Einfach nur, um einmal Kilometer zu machen und weiter zu kommen, schneller am Ziel zu sein.
Andererseits frage ich mich in derselben Sekunde: Wozu schneller sein? Darum geht es ja hier nicht, die Zeit ist unbedeutend und zu vergessen. Genießen steht ganz oben und intensiv leben. Ja, das tue ich und auch die Kinder.
38 °C sind es im Innenraum, die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Das Coolpack liegt auf meiner Stirn, kalt ist es schon lange nicht mehr. Die Kinder sitzen geduldig im hinteren Bereich, nur in Unterhosen, und schwitzen stumm vor sich hin. Das Freibad ist nicht weit, das Navi, das ich vorerst vermeiden und nicht benutzen wollte, ist mir im Moment ein guter Freund. Der Parkplatz liegt vor mir, das kühle Nass ruft und ein gemütlicher Platz, halb in der Sonne, halb im Schatten der vielen Bäume, ist der unsrige.
Ich freue mich über diese Glücksmomente, die sich täglich für mich auftun und ich feiere das Leben, auch in Momenten, in denen es schwerer ist – wenn die Kinder mal wieder zu oft nach ihrer Mama fragen, weil sie ihnen fehlt. Wenn sie nicht auf mich hören wollen und streiten, nicht mithelfen und absichtlich das Gegenteil davon machen, was ich gern hätte. Wenn sie aufs Klo müssen, obwohl wir gerade vor zehn Minuten den Rastplatz verlassen haben, mal wieder die Stifte auf dem Tisch liegen und in der nächsten Kurve wild durcheinander purzeln.
Wenn sie nicht für fünf Minuten selbstständig und allein ein Spiel spielen können, sie mich auch auf der Wiese brauchen, um einen Streit zu schlichten und ich nicht das Abendessen weiterkochen kann. Die Tür am Abend offen bleibt und Mücken hereinfliegen, die ich dann die ganze Nacht über jage. Es ist nicht einfach, für alles verantwortlich zu sein, ohne Wenn und Aber.
Nicht einfach, nein, aber unvergesslich, die Momente des „kleinen“ Glücks – wenn Valentina in einem unbeobachteten Moment glücklich über eine Wiese spaziert und dabei singt, wie toll der Papi ist. Wenn Samuel stolz in seinem Weltatlas blättert und erzählt, durch welche Länder er schon gereist ist und welche er in den nächsten Wochen noch sehen wird. Nächstes Jahr Bulgarien und spätestens mit zwölf Jahren dann nach Afrika.
Wenn wir müde, aber glücklich, kurz vor Mitternacht das Licht ausmachen und uns noch Geschichten erzählen, so lange, bis wir verschlafen. Wir am Morgen noch etwas kuscheln, bevor der Tag beginnt und wir uns darauf freuen, wieder einen näher am Wiedersehen mit Mami zu sein. Glücklich, die Möglichkeit zu haben, das alles erleben zu dürfen. Die Chance zu bekommen, bewusst wahrzunehmen, was das Leben bietet. Unglaublich, was möglich ist, wenn man will.