Dyptichon: schwarzer Regen, weiße Orchidee
30. November 2020 Lesezeit: ~7 Minuten

52 Wochen – Thema 48: High key / Low key

Hä? Hoher Schlüssel, niedriger Schlüssel? Wenn der Name des aktuellen Themas für Euch noch ein Buch mit sieben Siegeln ist, seid unbesorgt: Zum Einstieg erklären wir erst einmal, dass es nicht um verschlossene Türen, sondern um Beleuchtung und Helligkeit bzw. Dunkelheit im Allgemeinen geht.

Die Begriffe High-key- und Low-key-Fotografie habt Ihr vielleicht schon einmal gehört. Wenn Ihr Euch aber noch nicht mit Studiobeleuchtung auseinandergesetzt habt, fragt Ihr Euch zu Recht, was es mit ihnen auf sich hat. Sie beziehen sich auf das Hauptlicht zum Beispiel in einer klassischen Drei-Punkt-Beleuchtung:

Dabei setzt man ein starkes Hauptlicht ein, zum Beispiel von rechts vorn, das auf Englisch „key light“ heißt. Ein weniger starkes Licht „füllt“ das beleuchtete Objekt dann von links vorn auf, damit die vom Hauptlicht erzeugten Schatten nicht so stark sind – darum heißt es Fülllicht oder auf Englisch „fill light“. Mit einer Beleuchtung von hinten – dem Hintergrundlicht bzw. „back light“ – wird noch Tiefe erzeugt und das Objekt vom Hintergrund abgehoben.

weißer Tunnel mit roter Tür

©Walerija Weiser

Weicht man von diesem Standard ab und leuchtet eine Szene besonders hell aus – dreht also die Intensität des Hauptlichts stark auf: „high key light“ – schlägt man stilistisch den Weg zur High-key-Fotografie ein. Sie wird gern in hellen Räumen und mit hellen Objekten angewendet, sodass ein Bild mit dem charakteristischen Schwerpunkt auf hellen Farbtönen entsteht.

Analog regelt man für Low-key-Aufnahmen die Intensität des Hauptlichts sehr weit runter, verwendet dunkle Hintergründe und dunkle Objekte, sodass besonders dunkle Farbtöne das ganze Bild bis auf kleine Bereiche dominieren. Die beiden Stile beruhen also nicht allein auf der verwendeten Ausleuchtung, auch wenn ihre Namen daher kommen.

Die vielleicht wichtigste Abgrenzung, die mit dem sicherlich am weitesten verbreiteten Missverständnis aufräumt, sollte man sich merken: Low-key-Fotografie bezeichnet nicht die Unterbelichtung einer Aufnahme und High-key-Fotografie ebenso nicht die Überbelichtung eines Fotos.

Straßenfotografie: Eine Menschenmasse im Gegenlicht.

© Bernd Arnold

Je nachdem, mit welcher Kamera und in welchem Aufnahmemodus Ihr versucht, Low-key- oder High-key-Fotografien aufzunehmen, müsst Ihr möglicherweise trotzdem über- oder unterbelichten, um zum „richtigen“ Ergebnis zu kommen. Warum? Die Belichtungsautomatik „weiß“ nicht, ob die Objekte, die Ihr fotografieren möchtet, weiß, schwarz oder grau sind.

Sie wird die Belichtungszeit so anpassen, dass je nach Modus ein gut ausgeleuchtetes – also nicht zu helles und nicht zu dunkles – Gesamtbild entsteht. Ist dieses Bild allerdings mit lauter weißen Gegenständen gefüllt, ist das Bild zu dunkel und lässt alles grau und unterbelichtet wirken. Handelt es sich um eine Szene voller dunkler Objekte, wirken sie überbelichtet.

Schneelandschaft

© Hand Findling

Um eine stimmige Low-key- oder High-key-Aufnahme zu erzeugen, kann es also hilfreich sein, sich manuell mit verschiedenen Belichtungszeiten oder der Belichtungskorrektur an die richtige Aufnahmehelligkeit heranzutasten. Außerdem können am Anfang ein paar Tipps helfen:

Viel Licht, das von vorn auf helle Gegenstände trifft, kann die ganze Szenerie flach wirken lassen. Dann hilft es, den Licht- oder Aufnahmewinkel zu verändern, sodass mehr Schatten sichtbar werden und so ihre Dreidimensionalität besser erkennbar wird – zumindest in Maßen, zu dramatische große Schatten wären wieder kontraproduktiv.

Analog können dunkle Objekte schnell mit ihrem dunklen Hintergrund optisch verschmelzen, wenn sie für eine Low-key-Aufnahme zu wenig ausgeleuchtet sind. Versucht dann, Licht- und Aufnahmewinkel so zu wählen, dass die Kanten statt die Flächen des Objekts beleuchtet sind, damit die Konturen sich vom Hintergrund abheben.

schwarzes Flatlay

© Petra Holländer

Man ist schnell versucht, für eine noch stärkere Bildwirkung eine High-key-Aufnahme doch ein bisschen überzubelichten und eine Low-key-Aufnahme durch etwas Unterbelichtung stärker abzudunkeln. Achtet dabei jedoch auf die Lichter und Tiefen, behaltet zum Beispiel das Histogramm im Blick:

Eine High-key-Aufnahme hat idealerweise auch einen kleinen Bildanteil, der ganz schwarz ist und die Lichter sollten noch Zeichnung haben, also nicht flächig „ausgefressen“ sein. Ebenso sollte eine Low-key-Aufnahme am besten auch einen kleinen Bildanteil reines Weiß haben, die Tiefen noch Struktur zeigen und nicht großflächig „absaufen“.

Architektur mit Uhr

© Steve Simon

Ihr müsst übrigens nicht zwingend „Licht setzen“ im klassischen Sinne, um dieses Thema umzusetzen. Auch natürliches Licht kann die Beleuchtung übernehmen, ein Fensterplatz etwa bietet sich an. Draußen sowie in Genres abseits des klassischen Stilllebens ist es schon schwieriger, aber auch möglich, wenn Ihr Euch an die Zutaten haltet:

Heller Hintergrund und helle Objekte bzw. dunkler Hintergrund und dunkle Objekte mit einem prominenten bzw. abwesenden Hauptlicht. Solche Szenen lassen sich herstellen oder finden, sei es das luftig-leichte Fashionportrait vor einer hellen Wand bei gutem Wetter oder das Straßenfoto mit dunkel gekleideten Passant*innen in einer Unterführung am Abend.

Noch ein Tipp: Sowohl High-key- als auch Low-key-Aufnahmen sind nicht auf die Schwarzweißfotografie beschränkt, beide lassen sich ebenso auch mit Farben gestalten. Am Anfang hilft allerdings die Beschränkung auf schwarzweiß ungemein, weil es die Sache vereinfacht. Bei der (digitalen) Schwarzweißumwandlung können Farbfilter zusätzlich die gewünschte Bildwirkung verstärken.

© Rupert Vandervell

Inspiration

In unserem Archiv finden sich einige tolle High-key- sowie Low-key-Aufnahmen in Artikeln, die sich gar nicht mit der technischen Seite der Stile auseinandersetzen. Sie werden oft einfach gewählt, weil sie die gewünschte Stimmung eines Bildes unterstützen. Entsprechend haben wir kaum Artikel, die exklusiv solche Aufnahmen zeigen.

Besonders beliebt ist insbesondere die Low-key-Technik im Bereich der Stillleben. So findet Ihr sie überwiegend von Konstantin Voronov eingesetzt und auch Ksenija Spanek sowie Bettina Güber verwenden sie für ihre Blumenportraits.

Jorge Schramm zeigt tolle Beispiele sowohl für Low-key- als auch High-key-Aufnahmen und beherrscht beides auch noch wahlweise in Farb- oder Schwarzweißausführung. Daniel Bollinger zeigt Beispiele für den Einsatz des Low-key-Stils bei minimalistischen Aktaufnahmen. Und Christian Meermann schwört für seine Tierportraits auf Low-key-Aufnahmen.

Sanddünen

© Christian Meermann

Ablauf

Ihr habt wieder eine Woche Zeit, um ein Foto zum Thema zu erstellen – oder in diesem Fall gern auch ein entsprechendes Bildpaar! Ihr könnt diese kleine Hausaufgabe ganz für Euch selbst machen, sie aber auch sehr gern mit uns teilen. Verlinkt Euer Bild in den Kommentaren, nutzt den Hashtag #kwerfeldein52 oder schickt uns Euer Foto ganz einfach bis zum Dienstag, den 8. Dezember 2020 per E-Mail. Wir zeigen jeden Samstag eine Auswahl der Einreichungen.

Auch wenn das Projekt „52 Wochen“ heißt, könnt Ihr jederzeit mit einsteigen, nur jede zweite Woche mitmachen oder wann es Euch zeitlich oder thematisch am besten passt. Aber bitte reicht keine Archivbilder ein, auch wenn sie perfekt zum Thema passen. Das Projekt soll eine Herausforderung sein, Neues zu kreieren!

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