Jugendfotopreis: Ein Einblick in junge Fotografie
Den Deutschen Jugendfotopreis gibt es seit 1962. Sein Ziel ist es, junge Fototalente zu entdecken, zu fördern und dabei zu unterstützen, die Fotografie als eine persönliche und künstlerische Ausdrucksform zu entwickeln.
Seit über zehn Jahren sitzt auch Michael Biedowicz in der Jury. Er arbeitet eigentlich als Bildredakteur beim ZEITmagazin und verrät mir im Interview, was den Jugendfotopreis so besonders macht, wie die Juryarbeit abläuft und worauf man beim Einreichen von Fotos achten sollte.
Wie bist Du zum Deutschen Jugendfotopreis gekommen?
Ich wurde eingeladen und kannte den Wettbewerb damals nur vom Hörensagen. Aber ich fand es spannend, Fotografie von ganz jungen Leuten kennenzulernen.
Wie läuft die Jurierung ab?
Wir probieren immer wieder auch neue Möglichkeiten aus. Durch die vielen Online-Einreichungen sehen wir uns aktuell im ersten Durchgang erst einmal alle Bilder als Projektion an der Wand an, um einen ersten Eindruck von der Bandbreite und Qualität zu bekommen. Beim zweiten Durchlauf gibt es eine erste Abstimmung und jedes Foto, das mindestens eine Stimme hat, kommt eine Runde weiter.
Der Austausch mit den anderen Jurymitgliedern ist dabei sehr schön, weil er immer auch intensiv ist. Das Besondere an der Jury ist, dass wir aus sehr verschiedenen Bereichen kommen. Ich komme vom Magazinjournalismus, andere waren selbst mal Preisträger*in und kennen die Perspektive der jungen Menschen. All die Perspektiven führen in der Summe zu einem guten Austausch, der sehr viel Spaß macht.
Ein großer Vorteil des Preises ist auch, dass wir viel Zeit für die Entscheidungen haben. Wir sind zwei Tage zusammen. So können wir auch mal eine Arbeit zur Seite legen, bei der wir uns nicht einig werden können, die aber interessant ist. Ein zweiter Blick ist immer sehr hilfreich, weil man mit etwas Abstand und den Argumenten von anderen die Sache noch einmal neu angehen kann. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerben fühlen wir keinen Zwang, uns möglichst schnell zu entscheiden.
Das letzte Mal waren es 4.000 Einreichungen. Da klingen für mich auch zwei Tage kaum genug.
Man muss dazu sagen, dass es immer eine Vorjury gibt. Alle Einsendungen werden vor meiner Arbeit noch von Kolleg*innen gefiltert. Ich selbst sehe aber mehrere hundert Arbeiten.
Du warst auch schon in der Jury für andere Fotopreise. So ein Fotopreis für Kinder und Jugendliche bringt sicher Besonderheiten mit sich. Gibt es Dinge, die junge Menschen mehr beschäftigen? Oder gibt es andere Herangehensweisen an die Fotografie?
Ja, das Besondere ist, dass bereits Kinder im Alter von vier oder fünf Jahren teilnehmen. Das ist ein Einblick in eine Welt, die man sonst nie bekommt, außer man hat selbst Kinder in dem Alter. Ansonsten bleiben diese Sichtweisen meist verschlossen. Es ist sehr interessant, wie unbefangen Kinder an die Fotografie herangehen. Oft wünsche ich mir diese Unbefangenheit auch bei den älteren Jahrgängen, die doch oft sehr verkopft sind.
Eine Tendenz, die mir zum Beispiel unangenehm aufstößt, ist, dass viele Teenager beginnen, zu kopieren. Sie ahmen Dinge nach, von denen sie denken, dass sie gerade angesagt sind. Zum Beispiel Herzchen mit den Händen geformt – sehe ich gefühlt von jeder zweiten Einsenderin. Jungs zeigen hingegen oft ihre Muskeln.
Das sind Posen, von denen Jugendliche denken, dass man das heute so macht. Da steckt eine Absicht dahinter, die direkt zu durchschauen ist. Und eine solche Arbeit wird natürlich niemals in Preisnähe kommen. Das ist sehr schade, denn meine Sehnsucht war immer groß, die unverstellte Wirklichkeit von jungen Leuten zu sehen. Und da ist die Bereitschaft nicht mehr so offen.
Das sagt viel über die junge Generation aus.
Ja, absolut. Sie wissen, dass diese Posen eine Bedeutung haben und wie sie wahrgenommen werden möchten. Es ist ein Filter, den sie schon mitbringen und der heute üblich ist. Das sagt sehr viel über unsere Zeit aus.
Ist das eine Veränderung, die Du mit der Zeit bemerkt hast, da soziale Medien jetzt viel präsenter sind als noch vor zehn Jahren?
Ja, genau. Ich denke, das ist in allen Köpfen drin. Die Jugendlichen beziehen die Wirkung direkt mit ein. Sie fotografieren nicht, weil sie denkenn, das wird ein gutes Foto oder weil das Bild ihre Gefühlswelt wiedergibt, sondern sie produzieren eine Selbstdarstellung. Sie überlegen, wie sie sich präsentieren und darstellen möchten. Die sozialen Medien sind gerade bei jungen Leuten das erste, woran sie im Zusammenhang mit Fotografie denken.
Welche Rolle spielt die Technik sonst in der jungen Fotografie? Nutzen die meisten einfach ihr Handy, weil es eben immer präsent ist?
Das Handy wird viel genutzt, aber die wenigsten sind sich wirklich bewusst, dass das auch ein Fotoapparat ist. Wenn man fragt: Habt Ihr einen Fotoapparat? Dann schütteln neun von zehn den Kopf. Wenn man dann fragt: Habt Ihr ein Handy? Dann nicken alle zehn und merken, dass es ja doch auch wie ein Fotoapparat ist. Da wird nach wie vor unterschieden.
Vieles wird aktuell mit dem Handy gemacht, aber ich merke auch, dass es eine Phase gab, wo das Analoge plötzlich wieder cool war. Seitdem gibt es viele, die auch mit analogen Kameras herumprobieren. Die sehen ja auch cool aus und man hebt sich damit von der Masse ab.
Ja, stimmt. Ich hatte bei der letzten Ausstellung des Jugendfotopreises auf der Photokina sogar Dunkelkammerexperimente entdeckt. Sehr spannend, dass das wiederkommt.
Ja, die Kameras bekommt man ja jetzt auf dem Flohmarkt und bei Ebay mittlerweile auch sehr günstig. Und das Geheimnisvolle der Dunkelkammer hat auch eine Aura, die zum Eintauchen einlädt und hochinteressant ist. Ein Bekannter von mir gibt Dunkelkammerkurse und ist auch immer wieder beeindruckt, wie sich vor allem junge Leute dafür interessieren und gar nicht mehr so sehr die Älteren, von denen man annimmt, sie wollen sich vielleicht perfektionieren.
Neben dem Jahresthema und der freien Kategorie gibt es in den vergangenen Jahren auch eine Kategorie für Mixed Media. In der Beschreibung wird auch In-Game-Fotografie aufgeführt. Das ist dann das komplette Gegenteil von analog.
Da hat der Wettbewerb schon relativ früh die Tür für aufgemacht und diese Art von Experimenten zugelassen. Nicht nur kameragenerierte Aufnahmen zuzulassen, sondern auch Experimente mit dem Computer und mit digitaler Technik mit in eine Kategorie aufzunehmen, war schon immer eine große Bereicherung des Wettbewerbs. Gerade die junge Generation ist mit dem Computer groß geworden und dadurch sehr kreativ im Umgang damit. So gibt es hier immer wieder sehr beeindruckende Beiträge.
Also jurierst Du gleichzeitig Dunkelkammerexperimente sowie CGI. Wie lassen sich solche verschiedenen Herangehensweisen miteinander vergleichen und bewerten?
Indem man sich fragt: Ist das ein preiswürdiges Bild und nicht vergleicht, ob jetzt analog oder computergeneriert besser ist. Viel mehr müssen wir uns fragen, was ein Bild zum Beispiel über unsere Zeit aussagt und was wir fördern möchten.
Gibt es Bilder, die Dir bei Deiner Juryarbeit besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Ein Bild war ein ganz junger Beitrag und zeigte ein Mädchen im roten Kleid. Es wurde von einem Jungen fotografiert und war ganz ungewöhnlich, denn es wirkte wie ein Modefoto. Ein weiteres Foto, das mir im Gedächtnis geblieben ist, stammt von Robin Hinsch. Er hatte Jugendproteste fotografiert. Auf seinem Bild stand ein Junge im Fellkostüm und hinter ihm brannte es. Eine ganz groteske Zusammenstellung zwischen Verspieltheit und ernstem Protest. Im Wettbewerb gibt es immer wieder Bilder, die über Jahre hinaus eine Langzeitwirkung haben.
Das Jahresthema dieses Jahr ist #Lovepeace. Habt Ihr als Jury ein Mitspracherecht bei der Themenwahl?
Nein, die Jahresthemen wählt der KJF (Deutsches Kinder- und Jugendfilmzentrum). Es gibt dort ein kleines Team, das sich berät, was gesellschaftlich gerade im Fokus steht und worauf man den Schwerpunkt setzen könnte, weil es besonders viele junge Menschen gerade bewegt. Das war einmal auch Fußballfieber, als gerade WM war, es können aber auch private oder gesellschaftliche Themen sein.
#LovePeace zielt also wahrscheinlich auf die aktuellen Klimaproteste ab?
Ja, das beinhaltet das Thema auf jeden Fall auch.
Hast Du Tipps für junge Leute, die gern teilnehmen möchten? Worauf achtet man am besten bei der Themenumsetzung?
Wichtig ist, dass man das Thema nicht vergisst und es immer im Hinterkopf behält. Aber auch, wenn am Ende das Thema nicht eindeutig herauszulesen ist, sollte man sich nicht abhalten lassen und es dennoch einsenden. Wir messen nicht alles am Thema, sondern das Foto muss vor allem erst einmal ein gutes Foto sein. Ein merkfähiges Foto, das bei den Betrachtenden etwas auslöst.
Diese Frage kann man sich selbst oft nicht beantworten, deshalb ist ein Austausch auch in der Familie oder mit Bekannten wichtig. Fragt, was andere in Eurem Bild sehen. Ich finde wichtig, dass man auch über die Bilder spricht und nicht nur sagt „toll“ oder „nicht so toll“. Hakt tiefer nach: Was siehst Du denn da? Was macht das mit Dir?
Wir schauen uns die Bilder hier am Ende ja auch genau mit diesen Fragen an. Welche Stimmung transportiert das Foto, was löst es in mir aus? Ist es etwas, das mich noch weiter beschäftigt? Wenn es eine Diskussion anstößt, zeigt es, dass eine Qualität darin liegt.
Vielen Dank für die Tipps und das Gespräch, ich bin gespannt auf die Gewinner*innen des aktuellen Wettbewerbs!
Infos zum Wettbewerb
Für alle bis 25 Jahre mit Wohnsitz in Deutschland. (Es gilt das Alter zum Zeitpunkt der Einsendung.)
Einsendeschluss: 6. Dezember 2019
Weitere Informationen: jugendfotopreis.de