dieMotive – Zeitschrift zur Kultur der Fotografie
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an unseren letzten Crowdfunding-Überblick von Anfang April: Darin hatten wir unter anderem die Kampagne von Alexander Hagmann und Lara Loeser vorgestellt, die mit „dieMotive“ eine Zeitschrift zur Kultur der Fotografie verlegen wollten – inzwischen ist die erste Ausgabe erschienen, die ich Euch im Folgenden vorstelle.
Spätestens an der Gestaltung des Heftcovers sieht man schon sehr deutlich: Bei „dieMotive“ handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Fotomagazin, wie man es zu Dutzenden aus den Buchhandlungen kennt und selbst modernen, mutigeren Magazinen wie dem Auslöser ähnelt es nur bedingt. Es geht auch nicht um die Fotografie an sich, sondern die Kultur der Fotografie.
Auf der Webseite von dieMotive erfährt man, dass sich das Projekt als „multimediale Plattform“ versteht. So hatte mich am Anfang überrascht, dass sich auf der Webseite auch umfangreiche Linksammlungen mit Interviews, Artikeln und Videos zur Fotografie finden – das ist also nicht einfach nur die Webseite zur Zeitschrift, sondern Teil eines großen Ganzen.
Die Zeitschrift dieMotive wird in Zukunft ein Puzzleteil sein, denn es kommen noch weitere Formate dazu: Das erste Kartenquiz erscheint im September, außerdem sind mindestens ein Podcast, Workshops und Ausstellungen geplant. Die Zeitschrift soll zwei Mal jährlich erscheinen.
Nun zur #1. Dass das Layout locker, aber modern und minimalistisch sein würde, war auf den Vorabgrafiken schon gut zu sehen. Mir gefällt sehr, dass die Grafikerin nur kleine Experimente untergebracht hat. So ist die Lesbarkeit immer gegeben, auch wenn Texte mal um 90° gedreht sind oder Schrift von anderen Elementen überlagert wird.
Die Zeitschrift hat ein Format von 19 x 26 cm, etwas kleiner als A4, und ist damit noch handlich. Das verwendete Papier hat in seiner Stärke und der leicht rauen Oberfläche eine tolle Haptik; da es strahlend weiß ist, war ich überrascht, dass es sich um ein nachhaltiges Papier aus chlorfrei gebleichtem Altpapier handelt. Nur saubere Finger sollte man stets haben – was das angeht, bin ich von Glanzpapieren wohl schon etwas verwöhnt.
Im Inhalt der ersten Ausgabe erwarten einen 12 Beiträge plus einem kleinen redaktionellen Teil, Danksagung und Impressum auf 84 Seiten. Neben mehreren Essays finden sich hier zwei Interviews, zwei (im weitesten Sinne) Reiseberichte, eine Bildbetrachtung, eine Technikkolumne und eine konzeptionelle Arbeit.
Letztere nimmt als einzige Bildstrecke mit 18 Seiten die Mitte der Zeitschrift ein, drum herum wechseln sich kurze und längere Beiträge ab. Neben Doppelseiten, die in bis zu vier Spalten fast gänzlich mit Text gefüllt sind, stehen Seiten, auf denen sich Text und Bild in luftigem Abstand den Raum teilen und dann wieder das volle Seitenformat nutzende Fotos oder Illustrationen.
So ergeben sich eine inhaltliche Vielfalt und eine formale Abwechslung, die dafür sorgen, dass man die ganze Zeitschrift am Stück lesen kann, wenn man mag. Das clevere Konzept fiel mir erst hinterher auf, beim Lesen war ich einfach im Fluss. Oder man blättert herum und liest mal hier und mal dort, da alle Beiträge alle völlig unabhängig voneinander sind.
Insgesamt überwiegt in dieMotive #1 klar der Textanteil, es gibt außerhalb der Bildstrecke nur wohldosiert sehr wenige Bilder und Illustrationen. Die Bildbetrachtung von Sandra Gugić kommt sogar ohne das besprochene Bild aus, sodass man es sich während des Lesens im Kopf ausmalen kann. (Und da auch die Fotografin nicht genannt wird, geht man anschließend auf die digitale Bildersuche, um das Kopfbild abzugleichen.)
Die Herangehensweise der Artikel ist durchgehend philosophisch und für mein Empfinden auch intellektuell anspruchsvoll, der akademische Hintergrund der Autor*innen wird stets deutlich. So werden etwa Zitate aus dem Englischen und Französischen für die Leser*innen nicht übersetzt und es wird je nach weiter gefasstem Themenkomplex auch einfach nichtfotografisches Wissen und Fachvokabular vorausgesetzt bzw. nicht näher erläutert.
Ich habe mich davon zwar erst etwas überrumpelt gefühlt, aber nicht genervt aufgegeben, sondern stattdessen bei Bedarf noch etwas nachgelesen oder meinem in Sachen Französisch eingerosteten Gehirn dabei zugesehen, wie es Wort für Wort die Zitate enträtselt hat. Dabei fiel mir wieder auf, dass nicht-visuelle Inspiration in unserem Bereich der Fotografie tatsächlich sonst viel dünner gesät ist.
Es war einmal eine schöne Abwechslung, darüber zu lesen, wie man das Fotografieren in Ausstellungen analysieren kann, wie aus Cartier-Bressons in verdächtiger Eile aufgenommenen Bildern der entscheidende Augenblick wurde oder wie der Schnappschuss einer Frau im Bikini in die Annalen der digitalen Bildbearbeitung einging.
Die üblichen Praxistipps, Technik- und Ausstattungsempfehlungen, Anleitungen für Bildbearbeitung, Modell-Posen oder DIY-Hacks sowie Inspiration im herkömmlichen Sinne mit Bildstrecken über Bildstrecken findet man hier also nicht. Ebenso wenig das dünne Hochglanzpapier und die Werbeanzeigen jeweils auf der rechten Seite, die man sonst schon so gewöhnt ist.
Stattdessen gibt es philosophische Themen aus Nischenblickwinkeln vom Rande der Fotografie, die man mit einem offenen Geist durchaus als Ausgangspunkt für die eigene, künstlerische Beschäftigung mit der Fotografie verwenden kann. Ich bin nach diesem Aufschlag sehr gespannt auf nächsten Ausgaben von dieMotive und was das Team rund um die Zeitschrift noch alles auf die Beine stellen wird.
Informationen zu dieMotive #1
Format: 19 x 26 cm
Seiten: 84
Papier: Jupp ech öko, Jupp wiess
Einband: Klebebindung
Sprache: Deutsch
Preis: 12 € (zzgl. 1,45 € Versand innerhalb D)
Bezugsquellen: über dieMotive-Webseite