Die Selbstportraits der Serie „Identität I“ sind eine fotografische, persönliche Auseinandersetzung mit den Fragen: Was bedeutet Zugehörigkeit und welchen Einfluss hat die Hinterfragung der Herkunft auf die eigene Identität?
„Wo kommst Du wirklich her?“ Diese Frage bekommen alle Deutschen im Laufe ihres Lebens gestellt, die keine weiße Hautfarbe haben. Es mag eine Frage, geboren aus freundlicher Neugier sein. Letztlich jedoch wird damit aber immer impliziert und verdeutlicht, dass auch heute noch Deutschsein mit Weißsein verbunden ist.
Dies ist ein gesellschaftlicher Zustand, der nicht nur realitätsfern ist, sondern auch eine Hürde zur ganzheitlichen Anerkennung und Akzeptanz der kulturellen Diversität von Deutschland darstellt. Diese kleine aber feine Frage stellt aber nicht nur einen kollektiven Komplex dar, sondern löst auch immer etwas bei den Empfänger*innen aus.
Meine Zugehörigkeit als schwarze Deutsche wird häufig hinterfragt. Häufig aber auch werden mir Identitäten aufgrund meines Aussehens zugesprochen. Um diesem gesellschaftlichen Phänomen entgegenzutreten, es besser zu verstehen und zu verarbeiten, entschied ich mich dazu, mit Selbstportraits zu arbeiten. Ich stelle mich visuell ins Zentrum, diene dabei aber gleichzeitig als Platzhalter.
Tief in uns wurzelt das Bedürfnis, unser Erbe zu kennen – zu wissen, wer wir sind und woher wir kommen. Ohne dieses bereichernde Wissen pocht eine dumpfe Sehnsucht in uns. Unabhängig davon, was wir in unserem Leben erreichen, ist da immer noch ein Vakuum, eine Leere und eine beunruhigende Einsamkeit. (Alex Haley)
Die verschiedenen Stoffe stehen für die unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen zu denen ich, aufgrund meines Aussehens, von Fremden bereits zugeordnet wurde. Ich arbeite mit den Stoffen intuitiv vor der Kamera. Sie bedecken mich, verhüllen mich, schützen mich und ersticken mich. Jedes Selbstportrait steht für meinen Umgang, mein wechselndes Gefühl und meine Auseinandersetzung mit der Frage „Wo kommst Du wirklich her?“
Ich finde, man sollte die Frage nach der Identität nicht nach denselben Kriterien versuchen zu beantworten, die einem die Rassisten vorschreiben: Hautfarbe und Nation.
Die Frage „Wer bin ich“ wird meiner Meinung nach viel mehr durch anderes beantwortet, beispielsweise
– „Welche Bücher habe ich gelesen oder geschrieben?“
– „Welche Bilder habe ich gemalt?“
– „Welche Musik habe ich gemacht?“
– „Welche Freundschaften geschlossen und beendet?“
– „Welche Erfahrungen habe ich gemacht, und was habe ich daraus gelernt?“
– „Mit wem habe ich worüber diskutiert, gestritten? War das gut so?“
etc.
„Tief in uns wurzelt das Bedürfnis, unser Erbe zu kennen – zu wissen, wer wir sind und woher wir kommen. Ohne dieses bereichernde Wissen pocht eine dumpfe Sehnsucht in uns. “
DAS ist es doch, was interessiert! Nicht nur uns selber, sondern auch (der überwiegende Anteil) der Fragenden, „woher wir kommen“.
Ich unterstelle bei solchen Fragen keinen Rassismus Gedanken, sondern die ehrliche Neugier, nach den „tieferen Wurzeln“. Selbstverständlich spielt die Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsethnie, zu einer Religion, einer Kultur eine immense Rolle! Sonst gäbe es wohl kaum die Auseinandersetzungen zwischen Hutu und Tutsi, zwischen Türken und Kurden, zwischen Katholiken und Protestanten….
Und hier spielt Kleidung seit jeher eine entscheidende Rolle!
Natürlich macht es einen enormen Unterschied, welches Tuch ich trage, welcher Stoff verwendet wird, ja sogar, welche unterschiedlichen Muster darauf sind.
Selbst in Frankreich wird jeder weiße Franzose (!) gefragt, woher er komme. Natürlich aus Frankreich… das interessiert aber niemanden. Bei den Franzosen gibt es bei „ich komme aus…“ zunächst einmal den Ort, wo ich wohne, dann den Ort, wo ich geboren wurde, und dann, am wichtigsten, der Ort, wo meine Großeltern, meine „Vergangenheit“ her kommt.
Ein Franzose bleibt im. Herzen immer „Bretone“, oder „da la Provence“, „du Bordelais“….., selbst, wenn er in Straßburg geboren wurde und jetzt in Toulouse lebt.
Wer das verneint, war noch nirgends in der Welt unterwegs, oder nur mit Pauschalreisen am Pool großer Hotels und hat von der Kultur der Welt nicht mitbekommen.
DIese (kulturelle) Ignoranz heutzutage aber mit Rassismus zu verwechseln zeugt in meinen Augen eher von (milde gesagt) Unwissenheit!
Zustimmung!