12. September 2018 Lesezeit: ~5 Minuten

Atlas of Humanity

„Jeder Mensch ist ein Schatz für die Menschheit“ – diesen unsagbar wertvollen Schatz abzubilden, hat sich „Atlas of Humanity“ zum Ziel gemacht. Rund 1.300 erfasste ethnische Gruppen existieren weltweit, jede anders, einzigartig, wunderschön und doch verbunden. Verbunden durch unsere DNA – sie macht uns alle zu Menschen. Unterschiedlich, aber doch gleich.

Martin Vegas von Defactory – einer gemeinnützigen Kunstvereinigung aus Italien – hat sich als Kurator der Mammutaufgabe gewidmet und dieses außergewöhnliche Projekt auf die Beine gestellt. Er sammelt Portraits verschiedener Fotografen*innen aus unterschiedlichen Ländern und bildet so die Vielfalt unserer Menschheit ab. Da diese Aufgabe allein schwer zu bewältigen ist, wird das Projekt zudem von der UNESCO unterstützt.

Frauenportrait

Frau aus der Provinz Kalinga, Philippinen © Adam Koziol

Männerportrait

Salzarbeiter in der Danakil-Wüste, Äthiopien © Gaston Saldasa

Die UNESCO definiert kulturelle Diversität als „Charakteristik der Menschheit“ und als „das Erbe unserer Menschheit, das anerkannt und zum Wohle der heutigen und künftigen Generationen erhalten werden sollte.“

Der Atlas of Humanity wurde auf dieser Grundlage geschaffen und spiegelt diesen Gedanken in der Sammlung von Bildern und Geschichten wider. Dank der Arbeit zahlreicher Fotografen*innen hat sie schon eine beachtliche Größe erreicht. Hierbei steht jedoch nicht der individuelle, künstlerische Ausdruck der einzelnen Fotografen*innen im Vordergrund, sondern die einheitliche Darstellung der Portraitierten, sodass der Fokus auf die Menschen und die Diversität gelenkt wird. Durch die gleichartige Darstellung wird zwar die Individualität des Einzelnen zurückgenommen, aber auch die Gleichheit der Menschheit betont.

Junge mit Gesichtsbemalungen

Junge aus Beja Flor, Brasilien © David Lazar

Frau aus Brescia, Italien © Mario Frassine

Natürlich gibt es Abgrenzungen zwischen ethnischen Gruppen, aber das Ziel dieses Projektes ist es nicht, diese Abgrenzungen zu betonen oder zu forcieren. Es wurde stattdessen von der UNESCO Universal Declaration on Cultural Diversity inspiriert, um die weltweite kulturelle Diversität der Menschheit zu bewahren und zu zeigen. Seit 2015 hat Martin Vegas nun Fotografien von über 400 ethnischen Gruppen gesammelt, von denen allerdings noch nicht alle auf der Webseite des „Atlas of Humanity“ zu sehen sind.

Ich selbst habe mich in der Internetpräsenz verloren und stundenlang durch die Galerien mit Menschen, Gruppen und ihren einzigartigen Geschichten geklickt und gelesen. So findet man hier nicht nur Portraits, sondern auch einzelne Serien über spezielle Themen und Geschichten. Wusstet Ihr zum Beispiel, was die Kinder tragen, wenn sie in Bahrain Aschura feiern? Oder wo das Basterland liegt? Beeindruckt haben mich auch die Portraits der Tuareg, einer Berbergruppierung, die nomadisch in der Sahara lebt.

Junge mit Fellmütze

Junge während der Nadaam-Feiern in einem kleinen Dorf in der Wüste Gobi, Mongolei © Franca Peratoner

Kind mit Tüchern vor dem Gesicht

Kind der Gypsy aus Valliyur, Tamil Nadu, Indien © Sarathi Thamodaran

Aber auch bewegende und ergreifende Geschichten, wie die der Straßenkinder aus Mosambik oder die Bilder von Shahria Sharmin über „Hijras“ – Transgendermenschen aus Südasien – regen zum Nachdenken an. Beim Betrachten einiger Portraits hat man das Gefühl, in die Bilder einzutauchen. So beispielsweise auch bei den Portraits der Bauern aus Punjab in Indien. Zu vielen dieser Länder oder Gruppen gibt es auch ausführliche Hintergrundinformationen zur Entwicklung oder der Geschichte, zu lokalen Bräuchen und Feiern.

Natürlich stellt sich aber auch die Frage, ob so ein Projekt nicht von der Zurschaustellung des Exotischen und Unbekannten lebt. Ob die Darstellung wirklich allen ethnischen Gruppen gerecht wird. Alle Bilder des Projektes sind inszeniert und keine Momentaufnahmen, jedoch begegnen alle Fotograf*innen unterschiedlichen Kulturen und das gemeinsame Ziel ist es, die Menschheit an sich und ihr einzigartiges Erbe zu feiern.

Das Exotische ist für Martin Vegas irrelevant, es ist eine Form der Repräsentation, die den Unterschied der Menschen, Orte und kulturellen Praktiken zeigt, aus einer einzigen Perspektive, des Fremdseins. Atlas of Humantity aber zeigt über 100 unterschiedliche Perspektiven, von überall auf der Welt. So findet man neben all diesen Ländern und ethnischen Gruppen auch Portraits aus zum Beispiel Deutschland, Italien, Frankreich oder Spanien.

Frau aus Toronto, Kanada © Jeff Bowen

Mann mit Bemalungen im Gesicht

Stammesangehöriger der Kunai, Papua-Neuguinea © Trevor Cole

Im Rahmen der Photokina in Köln wird „Atlas of Humanity“ im September erstmals in einer Ausstellung gezeigt. 120 Bilder zeigen den Reichtum und die Vielfalt unserer Welt, dem großen Mosaik der Menschheit. Ihr findet die Ausstellung in der Passage 4/5. Wer selbst noch bei diesem Projekt mitwirken und es durch eigene Fotografien bereichern möchte, kann sich gern bei den Initiatoren unter info@atlasofhumanity.com melden.