Zwischen den Pixeln
Gewaltige Blätterschatten auf Hauswänden, leuchtende Laternen, blauer mit Pixelwolken zersetzter Himmel, von unten beleuchtete grünabgestufte Blätterwelten vor tiefblauem Hintergrund. Das waren Bilderwelten, die sich mir eines Nachts auftaten, als ich mit meiner neuen Digitalkamera loszog.
Ich komme aus der analogen Kamerawelt – es fiel mir immer schwer, mich auf Digitalkameras einzulassen und sie als gestalterische Werkzeuge anzusehen. Mir erschien die Digitalfotografie als zu unmittelbar und technisch perfekt, um die entstehenden Bilder eigenständig zu gestalten.
Anders als bei der analogen Fotografie, bei der es viele Zwischenschritte und Prozesse gibt, auf die man Einfluss nehmen kann und mit Hilfe derer schließlich eine eigenständige Gestaltung möglich ist. Ich denke, dass dies auch für die reine Komposition eines Bildes gilt, denn auch eine gute Komposition entsteht durch das Zusammenspiel von Bildobjekt und Bildmedium.
Trotzdem habe ich mich nach langer Überlegung für eine Digitalkamera (Olympus OM-D E-M10 ) entschieden, um meine selbst aufgestellten Prinzipien zu hinterfragen. Die Olympus war perfekt für mich, da sie sich wie eine analoge Kamera anfühlt, klein und handlich ist und trotzdem über einen hohen Standard der digitalen Fotografie verfügt. Mit diesem neuen Werkzeug war ich also auf der Suche nach Möglichkeiten, die Reinheit und Fehlerunanfälligkeit der digitalen Fotografie zu durchbrechen.
Ich wollte herausfinden, was das digitale Bild für Grenzen hat, wo Farbverschiebungen entstehen oder wie ich das „Rauschen“ in meinen Gestaltungsprozess mit einbeziehen kann, um so wie bei der analogen Fotografie den Prozess des Entstehens eines Bildes in kleine Handlungsschritte aufzuspalten. Um also einen Bezug zwischen digitaler und analoger Welt herzustellen, wollte ich die Pixel des digitalen Bildes durch Aufnahmen bei Nacht und einem hohen ISO-Wert fehleranfällig machen, das heißt, sie auch stärker sichtbar machen.
Ich fragte mich auch, warum der Pixel als solcher bei digitalen Fotografien meist vermieden wird und es viel zu oft um eine möglichst hohe Auflösung geht, wohingegen das „Korn“ einen Großteil der Gestaltung des analogen Bildes ausmacht. Im Zuge meiner fotografischen Experimente fand ich es zunehmend spannend, mit dieser Qualitätsminderung zu spielen und der Fotografie ein Stück ihrer „Eigenständigkeit“ zurückzugeben.
Diese vermeintlichen „Fehler“, die so auf dem digitalen Bild entstanden, versuchte ich wiederum in meine Komposition mit einzubeziehen und sie zu einem Teil des Bildes werden zu lassen.
Viele Aufnahmen finde ich gerade deswegen spannend, da keine Konturen mehr auszumachen sind und Farbflächen entstehen, die einem Ölgemälde gleichen, das mit grobem Pinsel gemalt wurde. Bei anderen Bildern ist der Kontrast zwischen pixellosem Hintergrund und durchsetztem Vordergrund spannend und wird teilweise durch die surreale Lichtsituation verstärkt. Denn der eigentlich tiefschwarze Himmel wird durch die angehobene Lichtempfindlichkeit wieder blau, während die Beleuchtungen die einer Nacht sind.
Mich hat das Anfertigen dieser Serie sehr weitergebracht, denn ich merkte einmal mehr, dass ein Werkzeug nur ein Werkzeug ist und dass es wichtig ist, es zu erforschen und die Möglichkeiten auszuloten, die es einem bietet.
Genau wie die analoge Technik bietet die Digitalfotografie viele Möglichkeiten, den Gestaltungsprozess zu beeinflussen. Bilder herzustellen, die fern von Perfektion und realistischer Darstellung sein können, die sich „eigenständig“ von jeglichem Medium absetzen und für sich stehend existieren.