Die Kunst des Filmrollenrettens
Schon vor einiger Zeit fiel mir das Rescued Film Project auf, das an sich mehr Fragen aufwirft als klärt. Dass nicht alle Filme, die jemals irgendwo verschossen wurden, auch entwickelt und weiterverarbeitet wurden, scheint einleuchtend. Aber Was für Fotograf*innen stecken hinter den verwaisten Filmen? Welche Informationen lassen sich aus den Bildern herauslesen? Um diese und andere Fragen zu klären, sprach ich mit dem Initiator des Projekts.
Hallo Levi! Danke, dass du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Stell Dich doch erst einmal vor.
Mein Name ist Levi Bettwieser. Ich bin Gründer und Filmtechniker für das Rescued Film Project. Ich komme aus Boise, Idaho in den USA, wo ich noch immer lebe. Ich arbeite in Vollzeit als Videoproduzent für die Health and Fitness Media Agency. Außerdem arbeite ich als freier Filmfotograf, hauptsächlich in den Bereichen Mode und Portrait, zu finden unter LBcustom.com.
Das Rescued Film Project sammelt und archiviert Fotografieren von vergessenen Filmrollen. Wie hat das Projekt begonnen?
Ungefähr vor drei Jahren begann ich damit, in lokalen Secondhand-Läden Kameras zu kaufen, in die noch ein Film eingelegt war. Da ich Film relativ günstig selbst entwickeln kann, entschied ich, alle Filme zu entwickeln. Ich war überrascht davon, wie viele der Filme noch brauchbare Bilder enthielten.
Ich vermutete, dass wenn es allein in meiner Umgebung so viele nicht entwickelte Filme gab, es noch sehr viel mehr davon auf der ganzen Welt geben müsste. Also veröffentlichte ich mein Hobby und begann damit, weltweit nach Filmen zu suchen, die zwar belichtet, aber nie entwickelt wurden. Seitdem ist das Projekt stetig gewachsen.
Wie hast Du Menschen erreicht, um an diese Filme zu kommen, und welche Reaktionen hast Du daraufhin erhalten?
Wir haben lediglich unsere Webseite und soziale Netzwerke genutzt, um unser Anliegen zu verbreiten. Aber wir hatten das Glück, dass genügend Medien Interesse an dem Projekt hatten, um über verschiedene Artikel unser Publikum zu vergrößern. Wenn Leute, die uns Filme gespendet haben, die entwickelten Bilder zurückbekommen, sind sie immer begeistert und überrascht darüber, was wir noch retten konnten.
Vergangenen Sommer habt Ihr das Ziel Eurer Crowdfundingkampagne erreicht, um 1.200 Filme zu entwickeln, die alle vom selben Fotografen stammen. Was hat es mit diesem Projekt auf sich und was ist seit dem Ende der Kampagne bereits passiert?
Wir haben schätzungsweise 1.200 Filmrollen von einem Fotografen aus Chicago, Indiana, erworben. Wir wussten, dass wir diese Filmmenge nicht selbst entwickeln konnten, also haben wir uns mit der Bitte an unsere Follower*innen gewendet, uns beim Retten der Bilder zu unterstützen, die auf den Filmen möglicherweise noch zu finden sind. Wir haben so genug Geld zusammen bekommen, um ein Filmlabor in der Umgebung mit der Filmentwicklung zu beauftragen.
Es ist ein langwieriger Prozess, aber inzwischen hat das Labor bereits 125 Filme entwickeln können, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Manche der Bilder sind sehr kräftig, aber viele sind auch stark zerstört. Wir haben außerdem Kontakt zur Familie des Fotografen aufnehmen können und konnten so mehr über „Paul“ herausfinden. Im weiteren Verlauf werden wir Updates zum Projekt „Paul“ herausgeben. Alle geretteten Bilder posten wir online, damit die Menschen, die uns unterstützt haben, sie auch betrachten können.
Auf der Webseite beschreibst Du auch, dass die Filme auf interessante Weise verpackt waren. Weißt Du etwas darüber, warum der Fotograf so vorgegangen ist?
Von der Familie haben wir erfahren, dass sie sich die Entwicklung damals nicht leisten konnten und „Paul“ nicht wusste, wann es der Fall sein würde. Also hat er die Filme sauber verpackt, um sie zu erhalten.
Die Bilder auf der Webseite zeigen hauptsächlich Kinder und Alltagsszenen auf der Straße. Wie viel weißt Du bereits über „Paul“?
Er war kein hauptberuflicher Fotograf, tagsüber hat er in einer Mühle gearbeitet. Die Bilder, die hauptsächlich direkt vor dem Haus der Familie entstanden sind, zeigen meist seine Kinder Paul, Frank, Annie und Rosemary. Annie hat mir von einer tollen Kindheit bei wunderbaren Eltern erzählt.
Es ist interessant: Ihr entwickelt nach und nach Bilder, die eine signifikante Rolle in der familiären Erinnerung spielen. Das Geheimnisvolle dahinter wird jede Person ansprechen, die einmal eine alte Kamera gekauft hat, in die noch ein belichteter Film eingelegt war. Aber was motiviert Dich persönlich, weiter an diesem Projekt zu arbeiten?
Für mich liegt der größte Kick darin, die erste Person zu sein, die diese Bilder je zu Gesicht bekommt. Das motiviert mich am meisten. Aber am wichtigsten ist, dass es da draußen noch Tausende Filmrollen gibt, die für Menschen wichtige Bilder enthalten. Ich will nicht aufgeben, bis ich das Gefühl habe, diese Bilder seien gerettet.
Auf Eurer Webseite gibt es mehrere Kategorien. Unter „rescued latest“, scheint sich eine zufällige Bildauswahl zu finden. Wo kommen sie her und wer hat sie geschossen?
Die große Mehrheit der Bilder im Archiv kommt von verwaisten Filmrollen. Wir haben bei diesen weder Informationen zu den Bildern noch zu den Fotograf*innen. Wir vermerken, wo die Filme herkommen, aber oft sagt uns das wenig über die Bilder selbst.
Wie sieht die Zukunft des Projekts aus?
Momentan arbeiten wir daran, die Webseite neu zu gestalten, um sie funktionaler und interaktiver zu gestalten. Abgesehen davon geht es vor allem darum, die Filme aus dem Projekt „Paul“ vollständig zu entwickeln. Allerdings haben wir auch mehrere tausend Filme aus anderen Quellen. Momentan geht es also vor allem darum, Bilder zur retten. Danach widmen wir uns Dingen wie Büchern und Kleidung, um die geretteten Bilder weiterzuverarbeiten.
Danke für das Gespräch, Levi. Wir sind gespannt, wie sich das Projekt entwickelt!