Das Land der pommesgelben Haare ist manchem auch als Sachsen-Anhalt bekannt. Dort wohnen meine Eltern, da bin ich geboren und träumte als kleines Kind von der Republikflucht. Das habe ich geschafft und nun kehre ich doch ein paar Mal im Jahr zurück, um meine Familie zu sehen und Freunde zu treffen. Weihnachten eignet sich dafür besonders gut. Man hat Zeit, alle haben Zeit und es gibt genug Gründe, diese Zeit miteinander zu verbringen.
Essen zum Beispiel ist ein wunderbarer Grund und so koche ich gern einmal im Jahr für meine Eltern. Dieses Jahr hat mir meine Freundin Sheila dabei geholfen. Na ja, vielleicht habe auch ich ihr dabei geholfen. Genau weiß man das nicht. Weihnachten ist in meiner Familie kein opulentes Fest. Man isst, man schenkt, man isst und dann geht man schlafen. Geschenke – selbst als sozialistisches Kind war ich zu Weihnachten eigentlich nur auf Geschenke fixiert.
Auch heute finde ich Geschenke noch großartig und vor allem finde ich Schenken großartig. Meinen Eltern bekamen Andreas Kielings und Kilian Schönbergers Buch „Sehnsucht Wald“ und ich bekam von meinen Eltern Helmut Newtons „Sumo“ (Nein, nicht das gaaaaaanz große). Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut und musste ein bisschen kichern.
Immerhin haben meine Eltern mir damit de facto ein Buch mit Brüsten geschenkt. Das so etwas mal passiert, denkst Du Dir in der Pubertät auch nicht aus. Meiner Großmutter wollte ich ein bisschen mehr schenken, als einfach nur ein Objekt. Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß und auch wenn ihr Heimatort nur 30 Minuten entfernt liegt, ist das für sie schon eine Weltreise. Durch die Straßen zu schlendern, wäre ohnehin nicht mehr möglich.
Also sind wir nach Schwanebeck gefahren und haben alles von Bedeutung fotografiert. Das ist ein verschlafenes kleines Dörfchen in der Nähe von Halberstadt. Wenn man dort angekommen ist, fühlt man Sachsen-Anhalt zum ersten Mal richtig. Davor ist alles doch irgendwie auch ein bisschen Niedersachsen und riecht etwas mehr nach Wohlstand. Schwanebeck dagegen ist Osten. Niemand ist auf den Straßen und hinter großen Toren bellen ein paar Hunde.
Hier kommt die AfD auf 22,8 %. Ich fand es ein bisschen lustig, dort durch die Straßen zu laufen und alles zu fotografieren. Auch wenn da niemand auf den Straßen zu sehen ist, bekommt man im Ort doch alles mit. Vielleicht kursieren jetzt ein paar Gerüchte über einen jungen Wuppertaler Investor, der da ein paar leerstehende Gebäude kaufen möchte.
Möglicherweise denkt man aber auch, dass die Lügenpresse nur im Ort war, um ein bisschen ostdeutsche Tristesse einzufangen. „Weihnachten in der national befreiten Zone“ oder so. Wir haben die Bilder gleich gedruckt und meiner Großmutter geschenkt. Sie hat sich sehr gefreut und ein paar Geschichten zu den Motiven erzählt. Es ist schön, etwas von Bedeutung zu schaffen, immer wieder.