Testbericht: Kleinbildfilm Cinestill 800T
Schon seit einer Weile gibt es den Cinestill 800 Tungsten für das Kleinbildformat. Von Anfang an bin ich ein begeisterter Nutzer dieses Films. Da es sich nun mehr als andeutet, dass dieser Film demnächst auch im größeren Mittelformat verfügbar sein wird, lohnt sich noch einmal ein kurzer Blick zurück: Warum genau macht es so wahnsinnig viel Spaß, mit einer mit Cinestill geladenen Kamera zu fotografieren?
Grundsätzlich ist der Cinestill 800 Tungsten ein Kodak Cinefilm, der – und das auch heute im digitalen Zeitalter noch – in der Filmindustrie Verwendung fand und findet. Durch ein patentiertes Verfahren ist es dem Team von Cinestill gelungen, die Rückseitenbeschichtung der ursprünglichen Cinefilme zu entfernen, sodass sie nun wunderbar einfach im C-41-Prozess entwickelt werden können und wir so die Möglichkeit haben, sie überhaupt für unsere fotografischen Aufnahmen zu nutzen.
Der hochempfindliche Film, hauptsächlich ausgelegt für Kunstlicht mit einer Farbtemperatur von 3200 Kelvin, erlaub es einem so, ohne Blitz die Stimmung in Bars, Clubs, beleuchteten Innenstädten bei Nacht und anderen ähnlichen Szenerien in ihrer natürlichen, atmosphärischen Wirkung festzuhalten.
Für gewöhnlich bin ich, egal ob ich nun eine Kleinbild- oder Mittelformatkamera in der Hand halte, Fan von Schwarzweiß-Bildern, meist mit starken Kontrasten. Farbe kommt bei mir nur selten mit auf das Bild. Am Look von Tageslichtfilmen habe ich mich ehrlich gesagt schon seit langer Zeit satt gesehen.
Dass ich heute überhaupt noch farbig analog fotografiere, liegt einzig und allein am Cinestill 800 Tungsten. Als dieser erstmalig im Fotoladen in Deutschland zu erwerben war, schnappte ich mir gleich drei Patronen und zog los.
Schnell fand ich Gefallen daran, mich mit einem Modell zu verabreden und jeweils gemeinsam mit ihr meine Heimatstadt in der Dunkelheit zu erkunden. Immer auf der Suche nach toll beleuchteten Szenen. Um letztendlich das dort vorhandene, meist spärliche, Licht und seinen Einfluss auf das Gesicht der zu Portraitierenden abzubilden.
Man prüft sehr genau, wie das Licht auf das Gesicht fällt und überlegt mehrfach, wie es auf dem fertigen Foto wirken könnte. Irgendwann fing ich an, das städtische Licht mit anderen Augen zu sehen. Jedes Mal im Hinterkopf, wie es wohl aussehen würde, wenn es auf einem kleinen Stück Cinestill für die Ewigkeit gebannt wäre.
In regelmäßigen Abständen trieb es mich nun immer zur späteren Stunde in die Dunkelheit der Stadt. Ich fand überhaupt erstmals Gefallen daran, in so einem Licht zu fotografieren. Und vor allem fand ich Gefallen daran, wieder Farbe in meine Bilder aufzunehmen.
Aber der Cinestill schärfte nicht nur meinen Blick für bis dahin eher unbekannte Lichtsituationen. Er schaffte es auch, meiner Fotografie etwas mehr Experimentierfreudigkeit einzuhauchen. Beispielsweise ist es mit ihm möglich, äußerst stimmungsvolle Doppelbelichtungen aufzunehmen. Ich überlagerte dabei meist ein klassisches Porträt mit der grellen Lichtspur einer Lichtquelle. So entstanden faszinierende Resultate.
Durch seine gute Pushfähigkeit konnte ich den 800 Tungsten auch in Situationen nutzen, in denen ich zuvor mit der analogen Kamera ohne Stativ in die Knie gezwungen wurde. Das erweitert natürlich das eigene Arbeitsspektrum enorm und zeigt einem so neue Motive auf.
Neben der beschriebenen Arbeitsweise ist es aber vor allem der Look, der mich immer noch dazu bewegt, immer mal wieder eine Rolle Cinestill einzulegen. Bei ein-, zwei- oder gar dreistufigem Pushen erhält das fertige Bild zudem einen verstärkten Kontrast.
Die dabei immer stärker auftretende Körnung, bei mir noch einmal gesteigert durch einen technisch eher mäßigen Scan mittels Flachbettscanner, empfinde ich nicht als störend, sondern in Verbindung mit dem Kontrast und dem meist kühl wirkendem Licht als perfekte Kombination, die den gesehenen Augenblick spannend in bildhafter Form dauerhaft wiedergibt.
Der Cinestill wird bei mir auch in Zukunft oft in einer meiner Kameras landen. Hoffentlich bald auch in der Mittelformatkamera. Ich kann jedem Fan der analogen Fotografie nur ans Herz legen, diesen Film einmal auszuprobieren, um dadurch neue Szenerien und Lichtsituationen kennen- und einschätzen zu lernen und in Kunstlicht gefärbte Momente stimmungsvoll wiedergeben zu können.