Vom Finden des persönlichen Werkzeugs
Eigentlich bin ich nicht der Typ, der Testberichte schreibt und lese diese auch nicht mehr. Meine Meinung zu Testberichten: Es gibt kaum etwas Subjektiveres und hilfreich sind sie nur, wenn ihr den Menschen und seine Anforderungen an die Fotografie kennt, die er mit dem Testbericht zum Ausdruck bringt. Zumindest, wenn es um mehr als pure Technik geht. Dennoch schreibe ich etwas zum Thema OM-D vs. Nikon als Testbericht im weiteren Sinn – warum?
Der Zeitpunkt bietet sich an, da ich nun über ein Jahr lang mit der OM-D E-M10* und der Nikon D810* in meiner Tasche unterwegs bin, um ein Zwischenfazit zu ziehen, von dem ich ehrlicherweise selbst überrascht bin. Vorab sei gesagt: Ich bin ein Opfer, denn auch ich konnte mich dem Syndrom des Technikanhäufens lange nicht entziehen.
Zu meinem Glück beschränkt auf den Bereich, der für meine Art der Fotografie relevant ist. Dennoch musste ich mich über diverse Bodys und Objektive zur jetzigen Ausrüstung im wahrsten Sinne des Wortes durchkämpfen. Seit diesem Zeitpunkt der größten Anstrengung und maximalen Belastung ist das Thema Ausrüstung fast vollständig irrelevant für mich geworden. Natürlich lässt sich das mit einer Vollformatkamera leicht sagen, aber so ist es nicht nur.
Technik als subjektives Stilmittel
Vor gut einem Jahr habe ich mir vor einer Afrikareise zu meinem Spiegelreflexequipment noch eine OM-D E-M10 mit dem 17-mm-Pancake-Objektiv* zugelegt. Zum schnellen Knipsen aus der Hand und für die Straßenfotografie. Heute fotografiere ich zu etwa 90 % mit der OM-D und einem Objektiv – doch wie kam es dazu?
Damals nervte mich mein großes und bis zu 20 kg schweres Equipment bei der spontanen Fotografie kolossal und machte jedwede Form der Flexibilität zunichte. Geschenkt bekommen hatte ich damals meine erste Spiegelreflexkamera: Eine Nikon D90* für die Reise- und Reportagefotografie.
In Afrika wurde mir schnell klar, dass für die großformatige Landschaftsfotografie durchaus ein Weitwinkelobjektiv und auch eine Vollformatkamera im Hinblick auf den Bildwinkel von Vorteil wären. Also schaffte ich mir in logischer Konsequenz eine Nikon D610* nebst 14-24-mm-Weitwinkel* von Nikon an.
Neben einer atemberaubenden Landschaft gibt es in Afrika auch eine atemberaubende Tierwelt, die es mir wirklich angetan hat. Mit dem Kit-Objektiv mit 105 mm und f/5.6 blieb es allerdings eher beim Versuch der Wildtierfotografie à la GEO oder National Geographic. Es war mehr als offensichtlich, dass dafür die zwei technischen Voraussetzungen Brennweite und Bildgeschwindigkeit von überragender Bedeutung sind.
Zu Hause angekommen kaufte ich mir deshalb ein Objektiv mit 120 – 300 mm und f/2.8* nebst zugehörigem 2-fach-Telekonverter von Sigma, um fortan näher am Objekt der Begierde sein zu können. Trotz 300 mm, Crop und Telekonverter war ich mit 900 mm Brennweite immer noch zu weit entfernt. So viel zum Thema Vollformatkamera – aufgrund des Cropfaktors sind APC-Kameras für die Wildtierfotografie wesentlich besser geeignet.
Zu meiner Affinität zu Landschafts- und Wildtierfotografie kam später die für Langezeitbelichtungen hinzu. In allen diesen drei Arten der Fotografie ist eine maximale Auflösung essentiell, zumindest wenn das Resultat für einen großformatigen Wanddruck ausreichen soll.
Darüber hinaus ist in der Wildtierfotografie, trotz maximaler Brennweite, regelmäßig das Beschneiden von Bildern notwendig. Dem steht die Langzeitbelichtung beim Thema guter und hochauflösender Sensor in nichts nach. Aus diesem Grund stieg ich von der fehlergeplagten Nikon D610 zur D810 um.
Jedem Genre sein persönlicher Pinselstrich
Aber warum schreibe ich Euch meine ganze Erfahrungsgeschichte auf, welcher Sinn soll dahinter stecken? Die Frage, die ich aufwerfen möchte, lautet: Würde ich mich heute unter den veränderten Bedingungen erneut so entscheiden oder eine OM-D vorziehen? Und warum habe ich mir überhaupt eine OM-D gekauft?
Mein durchaus schweres Equipment hat mich im Alltag zunehmend genervt: Es war einfach unhandlich, schwer und folglich kontraproduktiv, um im Alltag spontan und mehr zu fotografieren. Zudem habe ich die Objektivwechsel zunehmend als Belastung empfunden, denn natürlich ist immer gerade das falsche Objektiv am Body angebracht.
Kurz gesagt, fehlte es an Spontanität sowie Kreativität. Da es mir die Straßenfotografie schon immer angetan hatte und mich endlich selbst darin ausprobieren wollte, kaufte ich mir kurzerhand die OM-D E-M10 mit dem 17-mm-Pancake und legte los.
Zugegebenermaßen bedurfte es noch eines Kurses mit dem Straßenfotografen Thomas Leuthard, bevor ich mit dem täglichen Fotografieren begann. Vorher steckte die kleine und leichte Kamera bereits immerzu in meiner Tasche und begleitete mich somit täglich, aber der letzte Schritt zu spontanen Fotografie fehlte noch.
Aus heutiger Sicht fotografiere ich zu 90 % mit der OM-D, habe sie täglich bei mir und bin sehr zufrieden mit der Entscheidung. Dazu trägt natürlich auch die Straßenfotografie an sich bei. Allerdings ist das Gewichtsverhältnis unschlagbar, sodass ich die Spiegelreflexkamera mittlerweile nur noch zum geplanten Fotografieren einpacke.
Resümee
Würde ich heute gänzlich auf eine Spiegelreflexkamera verzichten wollen? Noch gibt es ein klares Nein von meiner Seite, wobei ich mir das in Zukunft mittlerweile vorstellen könnte und von der jeweiligen Art meiner Fotografie abhängig mache. Dass für die Straßenfotografie die OM-D das Mittel der Wahl ist, ist augenscheinlich.
Für das Brennweitenkriterium der Wildtierfotografie gibt es mittlerweile ein hervorragendes OM-D-Objektiv mit einer Brennweite von 300 mm, was 600 mm am Micro-Four-Thirds-Format entspricht. Mit einem Telekonverter sind so auch 900 mm Brennweite möglich. Der Bildstabilisator der OM-D ist dem der Nikon sowieso haushoch überlegen, was ebenso für den Autofokus gilt.
Ein Ausschlusskriterium bleiben für mich zur Zeit noch die 16 Megapixel, die das Beschneiden der Bilder kaum zulassen und damit meinen Ansprüchen an großformatige Fotos noch nicht gerecht werden. Das Argument der maximalen Auflösung gilt für mich auch in der Landschaftsfotografie: 36 Megapixel sind mir wesentlich lieber als 16 Megapixel – wobei das mit der neuen OM-D EM-5 für starre Motive relativiert wird.
Darüber hinaus sind 14 mm an einer Vollformatkamera auch 14 mm und keine 28 mm wie beim Micro-Four-Thirds-System. Damit ist der Bildwinkel ein weiterer, was der Landschaftsfotografie sehr zugute kommt. Die Argumente Auflösung und Vollformat gelten auch für die Langzeitbelichtung. Hinzu kommt das Argument der hohen ISO-Leistung bei der Sternenfotografie. Hier sind Werte ab ISO 3000 notwendig. Meiner Ansicht nach bringt das Micro-Four-Thirds-System diese Leistung zur Zeit noch nicht in ausreichender Qualität.
Zusätzlich nehme ich häufig Langzeitbelichtungen mit einer Belichtungszeit von 5 Minuten auf und habe eine gewisse Affinität dazu, dass dieser Vorgang in einer einzigen Belichtung erfolgen sollte. Dadurch bekommt das Bild bei Wischeffekten wie etwa sich bewegenden Wolken eine besondere Weiche aufgrund der Stetigkeit der Bewegung.
Das Micro-Four-Thirds-Format bedient sich einer neuartigen OM-D-Technik im Bereich der Langzeitbelichtung: Zuerst wird ein Basisbild erzeugt. Auf dieses Bild folgt eine Reihe weiterer Belichtungen, die mit dem Basisbild verrechnet werden. Allerdings wird nur eine Veränderung in den Lichtern in das Basisbild gerechnet, sodass etwa Lichtspuren von Autos entstehen.
Aufgrund des diskreten Ineinanderrechnens einzelner Bilder im Gegensatz zur stetigen Aufnahme der Spiegelreflexkamera empfinde ich die Übergänge bewegter Objekte wie Wolken oder Wasser als nicht so weich. Auf der anderen Seite werden Bilder auch bei einer Ultralangzeitbelichtung durch diese Technik nicht überbelichtet und die Entstehung des Bildes kann in der Kamera direkt verfolgt werden.
Ich persönlich finde den Look der Spiegelreflexlangzeitbelichtung schöner, auf der anderen Seite sprechen auch wesentliche Argumente für das Micro-Four-Thirds-Format. All diese Erfahrungen habe ich Euch geschildert, da Testberichte ohne den Fokus auf den eigenen fotografischen Schwerpunkt aus meiner Sicht nutzlos sind.
Ein People-, Portrait- oder Hochzeitsfotograf würde wahrscheinlich einen ganz anderen Blickwinkel einnehmen als ich es tue und gerade deswegen ist es so wichtig, sich die Frage zu beantworten, was man eigentlich mit der Kamera machen möchte.
Für mich kommt infolge meiner Schwerpunkte auf Landschafts-, Wildtierfotografie und Langzeitbelichtungen aufgrund der Argumente Auflösung, Vollformatbildwinkel und ISO-Empfindlichkeit ein vollständiger Wechsel auf das Micro-Four-Thirds-Format noch nicht in Frage.
Außer Frage steht für mich, dass die OM-D meine Kamera für den Alltag ist und ich meine Aufnahmen in der Straßenfotografie mittlerweile zu 90 % damit mache und das nicht mehr missen möchte. Für die restlichen 10 % bleibt die Spiegelreflexkamera weiterhin fester Bestandteil meiner Fototasche. Rückenschmerzen inklusive.
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