26. September 2015 Lesezeit: ~6 Minuten

Eine Frage, viele Antworten – Teil 2

Heute beschäftigen wir uns mit einer Frage, die man sicher nicht jeder Berufsgruppe stellt und die bei Fotografen leider viel zu gängig ist: „Unter welchen Umständen arbeitest Du kostenlos?“

Wie oft man doch Anfragen per E-Mail erhält, die auf kostenlose Fotos abzielen. Meist mit dem Hinweis, dass man in den Credits erwähnt werden würde. Die meisten Fragesteller haben sicherlich ein Budget, setzen jedoch ihre Prioritäten auf andere Posten als den Fotografen, weshalb man gut überlegen sollte, ob man diese Mentalität unterstützen möchte.

Unsere befragten Fotografen sehen das dieses Mal alle sehr ähnlich, unterstützen aber dennoch einige Projekte unter bestimmten Voraussetzungen ohne Bezahlung. Wie und warum, erfahrt Ihr im Folgenden.

 

Ein Frauenportrait

Caroline Zenker, Portrait-, Sedcard- und Hochzeitsfotografin

Das ist eine ziemlich komplexe Frage, fürchte ich. Zuerst einmal muss man die eigenen Ansichten und Prioritäten kennen. Für mich ist klar: Portrait- oder speziell Hochzeitsfotografie sind Luxus. Nicht lebensnotwendig. Deswegen würde ich in diesen Bereichen wohl auch nicht kostenlos arbeiten.

Na gut, Fotos für die eigene Familie und Rabatte für den engen Freundeskreis natürlich ausgenommen. Generell wäre ich allerdings immer offen für Charity-Projekte oder wichtige gemeinnützige Organisationen. Trotzdem muss man bedenken, dass es auch ein Job wie jeder andere ist. Dass man dieselben Rechnungen bezahlen muss, die jeder andere auch hat. Würde man diese Frage auch Technikern, Beamten oder Bankern stellen?

 

Eine Frau mit Hörnern und weißem Kleid in einem Fliederbusch

Jamari Lior, Portraitfotografin

Da ich viel und gern schreibe, zum Beispiel für PICTURES und für den dpunkt.verlag, sowie meine Vorträge gern mit eigenen Fotos bestücke, mag ich es, ab und zu freie Projekte zu starten. Wichtig ist mir aber dabei, dass eine freie Fotosession nicht genauso abläuft wie eine für einen Kunden.

Meine eigenen Sets und Kostüme sind den Kundinnen vorbehalten, ebenso die etwas langfristigere Terminvergabe. Für kostenfreie Projekte muss das Modell in der Regel auch selbst organisatorisch tätig werden. Ferner dürfen mir, abgesehen von meinen Equipment, keine weiteren Kosten entstehen.

 

Eine Braut bindet sich die Schuhe.

Nancy Ebert, Hochzeitsfotografin

Kostenlos arbeite ich nur für Familie und Freunde. Dann immer. Ohne Bezahlung setze ich daneben noch inszenierte Sessions um, die ich gemeinsam mit Partnern aus der Hochzeitsbranche plane, um mein Portfolio zu erweitern und Ideen umzusetzen. Das ist zwar „kostenlos“, aber auch ein schöner Weg, um sich mit freien Arbeiten kreativ auszuleben und die Bilder für Werbezwecke einzusetzen.

 

Ein Pärchen am Strand umarmt sich.

Carmen und Ingo, Hochzeitsfotografen

Wir engagieren uns mindestens einmal jährlich beim Projekt „Help Portrait“, bei dem wir gemeinsam mit Kollegen bedürftige Menschen aufsuchen und Portraits machen, diese dann auch sofort ausdrucken und überreichen. Die Initiative gibt es weltweit und es macht nicht nur Spaß, sondern gibt den Leuten unheimlich viel. Auch uns!

 

Ein Mann verlässt eine Bäckerei.

Andrea Schneider, Fotojournalistin

Ich tue das, wenn mir ein Thema sehr am Herzen liegt. Bei dem mir die Veröffentlichung wichtiger ist als der monetäre Erfolg. Das war zum einen damals das Projekt über die Dülmener Wildpferde (wobei größere Magazine hier auch sehr gut gezahlt haben) sowie jetzt eine Geschichte über die aussterbende Spezies der alten Traditionscafés für ein sehr kleines Magazin mit begrenztem Budget. Wobei das auch als Freundschaftsdienst zu sehen ist.

In aller Regel tue ich das aber nicht. Schon gar nicht für Credits nach dem Motto „Ist doch schön, wenn Sie kostenlose Werbung haben“. Das ist Unfug.

 

© Martin Neuhof

Martin Neuhof, Portraitfotograf

Das Projekt muss mich einfach überzeugen. Ich habe vor ein paar Jahren einmal für ein kleines, am Anfang stehendes Modelabel aus Leipzig kostenlos die Bilder ihrer Kollektion geschossen. Dafür haben sie für meine Freundin und mich ein paar Kleidungsstücke angefertigt. Es muss nicht immer Geld fließen, Leistung gegen Leistung funktioniert auch erstaunlich gut. Natürlich machen mir auch freie Projekte oder Serien kreative Vorgaben – mit diesen Inspirationen kann man sich dann voll ausleben.

 

Eine Frau hält sich eine Blüte vor das Auge.

Lisa Hantke, Portraitfotografin

Ich arbeite so gut wie gar nicht mehr kostenlos. Das war natürlich anders, als ich vor etwa fünf Jahren mit dem Fotografieren angefangen habe, da musste ich erst einmal alles lernen und mir ein Portfolio aufbauen. Seltene Ausnahmen sind heute, wenn mich ein Projekt wahnsinnig interessiert, mein Portfolio aufwertet, mich ein Modell überaus begeistert oder ich eine ganz bestimmte Idee umsetzen möchte.

 

Ein Portrait eines Boxers

Michael Omori Kirchner, Portrait- und Business-Fotograf

Ich mache regelmäßig freie Projekte, die ich selbst plane und vorschlage. Ich sehe drei wichtige Gründe für ein freies Projekt: Man möchte sein Portfolio ausbauen, denn ohne gute Bilder bekommt man kaum gute Aufträge. Man möchte seine handwerklichen Fähigkeiten erweitern oder neues Equipment testen. Man plant ein künstlerisches, nicht-kommerzielles Projekt.

Meine freien Projekte setze ich aber genauso professionell um wie die bezahlten Aufträge und erwarte das auch von den anderen Teilnehmern. Daher bezeichne ich das ganze auch nicht als „kostenlos“, denn alle Beteiligten investieren Zeit und Arbeit und erwarten dafür im Gegenzug ein hochwertiges Ergebnis.

 

© Marco Schwarz

Marco Schwarz, Hochzeitsfotograf

In meinen Anfängen wäre ich vielleicht dazu bereit gewesen, wenn ein besonders exotischer Auftrag gelockt hätte. Exotische Aufträge gibt es heute genug und die bezahlen meine Kunden ganz regulär. Ich würde heute aber auch kostenfrei arbeiten, wenn mich das Projekt interessiert. Allerdings nicht in der Hochzeitsfotografie.

 

Ob und wann jemand kostenlos arbeitet, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Etwas gezielter über das Thema nachzudenken ist jedoch sehr wichtig und wir hoffen, wir konnten Euch einige Ideen mitgeben. Vor einer Woche haben wir Teil 1 der Serie zur Frage „Bekommen Deine Kunden auch die Rohbilder zu sehen?“ veröffentlicht.

Ihr verdient Euer Geld mit der Fotografie und möchtet uns auch einige der nächsten Fragen beantworten? Dann meldet Euch bei mir. Natürlich dürft Ihr auch gern weitere Fragen für die nächsten Artikel der Serie vorschlagen.

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