Eine Frage, viele Antworten
In unserer Arbeit als Fotografen stehen wir immer wieder vor großen Fragen, für die es leider kein Handbuch mit der „richtigen“ Antwort gibt. Zum Beispiel Fragen zum Umgang mit Kunden wie unsere heutige Frage, die wir neun Berufsfotografen gestellt haben: Bekommen Deine Kunden auch die Rohbilder zu sehen?
Es ist eine scheinbar einfache Frage, aber es gibt so viele verschiedene Antworten darauf, wie es Fotografen gibt. Bei dieser Sammlung geht es nicht darum, eine allgemeingültige Antwort zu finden. Viel mehr wollen wir die verschiedenen Perspektiven aufzeigen, die jedem helfen können, bei Unsicherheiten eine eigene Meinung zum Thema zu entwickeln.
Simone Hertel, Portraitfotografin
Während der Fotosession zeige ich meinen Kunden einen kurzen Einblick in ein paar wenige Aufnahmen. Das vermittelt den jeweiligen Personen vor der Kamera auch eine gewisse „Sicherheit“, wenn sie durch einen kurzen Blick auf das Kameradisplay sehen, dass auf jeden Fall schon Bilder dabei sind, die richtig toll geworden sind. Dadurch sind sie dann sofort entspannter und losgelöster, was sich natürlich sehr positiv auf die nachfolgenden Aufnahmen und die restliche gemeinsame Zeit auswirkt.
Man sollte immer bedenken, dass die Personen vor der Kamera keine Modelle sind, die jeden Tag sicher und souverän ihren „Job“ machen. Sondern es sind ganz normale Menschen, die es nicht gewohnt sind, vor der Kamera zu stehen. Damit sie entspannt und natürlich auf den Bildern wirken, ist es wichtig, ihnen diese Sicherheit zu vermitteln.
Andrea Schneider, Fotojournalistin
Nein. Ich werde ja gebucht, weil ich eine bestimmte Art von Bild liefere. Wozu dann die Rohdaten? Im Übrigen mögen Redakteure es gar nicht, 2.000 uneditierte Fotos zu bekommen. Dafür fehlt im Redaktionsalltag einfach die Zeit. Fehlt wirklich mal ein Motiv in meiner Auswahl, wird noch einmal nachgesehen. Das setzt allerdings auch ein gewisses Vertrauen in meine persönliche Auswahl voraus. Andererseits weiß man nach einer gewissen Zeit, welche Art Foto im Magazin benötigt wird.
Jürgen Angelow, Mode- und Beautyfotograf
Wenn sie es wünschen, gern. An der Kamera zeige ich die Bilder sowieso, um während des Fotografierens notfalls nachzusteuern. Falls es sich einrichten lässt, kann ich sie auch gleich am Computer zeigen. Das ist meist im Studio der Fall. Kunden nehmen das gern an und können dann ihre Wünsche äußern.
Außerhalb des Studios ist das manchmal schwieriger, wenn man weniger Equipment mitnehmen kann. Allerdings würde ich niemals Rohbilder aus der Hand geben. Sehr kleine Vorschaubilder: Ja. Große Rohdateien: Niemals!
Jamari Lior, Fotografin für inszenierte Portraits
Ja, ich gebe meinen Kundinnen auf Wunsch sogar alle Rohbilder im Raw-Format mit. Als Modell fand ich das damals auch toll, alle Bilder anschauen zu können – schon zur Selbstkontrolle und zum Lernen. Da ich die Bilder aussuche, die ich bearbeite, hat die Kundin so auch den Überblick über alle anderen und kann ggf. auch eine Bearbeitung nachbestellen oder – zum privaten Gebrauch – unbearbeitete Fotos verwenden.
Nancy Ebert, Hochzeitsfotografin
Nein, meine Kunden erhalten immer nachbearbeitete Bilder. Die Nachbearbeitung macht mir mit am meisten Spaß! Und Hochzeitspaare buchen mich ja, um genau meinen Bildlook zu erhalten. Seit einigen Jahren bin ich meinem Bildbearbeitungsstil treu geblieben. Und ich denke, das ist sehr wichtig, damit Kunden genau wissen, was sie erwartet.
Seitdem ich meinen Stil gefunden habe, erhalte ich übrigens auch gar keine Anfragen mehr, ob ich auch Rohdaten herausgebe, wie es manchmal in den ersten Jahren der Fall war.
Lisa Meyer, Portraitfotografin
Meine Kunden erhalten nach der Fotosession eine Übersicht der Rohdaten als PDF. Fotos, auf denen sie aber beispielsweise blinzeln, lösche ich natürlich vorab. Die Bilder sind in der Übersicht relativ klein und über jedem Bild ist mein Wasserzeichen zu sehen, sodass die Rohdaten nicht anderweitig genutzt werden können. Denn die Übersicht dient lediglich dazu, sich die Bilder auszusuchen, die ich letztendlich bearbeiten soll. Die bearbeiteten Bilder erhalten sie dann natürlich in großer Auflösung und ohne Wasserzeichen.
Marco Schwarz, Hochzeitsfotograf
Niemals. Ich würde auch nie in ein Restaurant gehen und mir Fleisch und Gemüse zeigen lassen, bevor es zubereitet ist. Mit der Erklärung versteht das jeder Kunde.
Martin Neuhof, Portraitfotograf
Meine Kunden bekommen schon während der Fotosession die Bilder gezeigt, die wir gerade aufnehmen. Damit steigere ich das Vertrauen meiner Kunden. Sie merken: Okay, das läuft alles in die richtige Richtung, so machen wir weiter – oder aber sie können mir noch Hinweise geben, was sie gern verändert haben möchten.
Nach einer Portraitsession bekommt mein Modell oft die Kamera in die Hand gedrückt, wo der- oder diejenige auch gleich die Bilder bewerten kann. Auch bei der Bildauswahl bekommen die Kunden unbearbeitete Fotos zu sehen. Sie müssen schließlich entscheiden, welche Bilder bearbeiteten werden sollen.
Carmen und Ingo, Hochzeitsfotografen
Wir sind Hochzeitsfotografen und es lässt sich natürlich logistisch nicht machen, ein Bildaufkommen von über 5.000 Fotos pro Woche vom Kunden auswählen zu lassen. Das finale Bild ist das verkaufte Produkt und das schließt den Zwischenschritt der Raws aus. Am Kamerarücken gibt es hin und wieder Bilder zu sehen während des Fotografierens.
Nach dem Lesen der verschiedenen Sichtweisen überdenkt Ihr Eure bisherige Vorgehenseise vielleicht, eventuell fühlt Ihr Euch nun auch sicherer mit Eurer bisherigen Meinung zum Thema und wir konnten sie festigen. Egal wie – wir hoffen, die verschiedenen Antworten haben Euch zum Nachdenken angeregt.
Ihr ahnt es vielleicht schon: Dieser Artikel ist der erste Teil einer neuen Artikelserie. Die nächsten Wochen werden wir uns noch mehr spannende Antworten zu weiteren Fragen anhören. Ihr verdient mit der Fotografie Geld und wollt uns auch eine Frage beantworten? Schreibt mir!