Eine Frage, viele Antworten – Teil 12
Zur heutigen Frage an unsere Berufsfotograf*innen gab es die wenigsten Rückmeldung: „Wie hoch schätzt Du das Risiko der Existenzgründung in Deiner Branche ein?“ Vielleicht gab es nur fünf Antworten, weil sie nicht allgemeingültig zu beantworten ist, vielleicht aber auch, weil die Antwort für einige doch sehr ungemütlich ist, denn leicht ist es für Selbstständige sicher nie.
Alex Ginis, Hochzeitsfotograf
Das Risiko ist auf jeden Fall vorhanden, wie in jeder freiberuflichen Branche. Man muss an dieser Stelle Klartext reden und in dieser Hinsicht sind sich erfahrene Hochzeitsfotograf*innen relativ einig: Der Hochzeitsfotografie-Markt ist momentan recht übersättigt. Es gibt zehn Mal so viele Hochzeitsfotograf*innen wie noch vor zehn Jahren, aber nicht zwangsläufig genauso viel mehr Brautpaare.
Das bringt typisches Marktverhalten mit sich wie Dumping oder gar kostenloser Portfolioaufbau – die Kund*innen freuen sich sicherlich, dass sie an der Stelle schon mal sparen können. Wer jetzt durchstartet, muss ein klares Konzept sowie viel Durchhaltevermögen mitbringen, damit er von diesem Beruf auch langfristig leben und dabei Spaß haben kann.
Stefan Boness, Fotojournalist
Als Fotojournalist, der ich im Wesentlichen bin, ist das Risiko für einen Neuanfang schon recht groß. Es werden ziemlich viele Fotojournalist*innen ausgebildet (u. a. in Hannover), der Markt ist letztendlich jedoch recht eng. Zusätzlich kommt hinzu, dass die Honorare immer und immer mehr fallen, die Budgets der Fotoredaktionen schrumpfen. Gerade verschickt Gruner + Jahr neue Haustarife, die eine erhebliche Kürzung beinhalten.
Gute allgemeine Grundkenntnisse sind für die Arbeit aller Fotojournalist*innen wichtig: Mir hilft immer meine ursprüngliche Ausbildung als Politikwissenschaftler; sei es bei der Beurteilung aktueller Deutungen im Bereich der Bundespolitik (eines meiner Schwerpunkte) oder bei der Recherche für zukünftige Projekte. Zudem habe ich früher als Fotoredakteur für verschiedene Fotoagenturen und Redaktionen gearbeitet, das hilft enorm für das Verständnis der Arbeitsstrukturen in der Fotobranche.
Anne Hufnagl, Hochzeitsfotografin
Ich halte das Risiko für recht hoch, allerdings sehe ich das nicht nur in der Fotobranche so, sondern eigentlich überall. Selbstständige haben in Deutschland hohe Ausgaben zu schultern (Krankenversicherung, Altersvorsorge, betriebliche Versicherungen, Steuern, Beiträge zur Handwerkskammer oder IHK und dann natürlich die normalen Lebenshaltungskosten), müssen viele Auflagen erfüllen und Hürden nehmen und bekommen aus meiner Sicht dafür, dass sie sich selbst und eventuell irgendwann noch weiteren Angestellten einen Job schaffen, systemseitig denkbar wenig Unterstützung.
Dafür besteht mit einer Selbstständigkeit, wenn sie denn funktioniert, die einmalige Chance, das zu tun, was man liebt, und eben nicht von 9 bis 5 ins Büro zu rennen und für jemand anderen zu schuften.
Ich denke, dass bezüglich der Existenzgründung viel Augenwischerei betrieben wird – Berichte über hippe Start-Ups und geglückte Gründungen sind natürlich schöner als Meldungen von Entlassungen bei Start-ups, Insolvenzen oder Berichte über Freelancer, die doch wieder in eine Festanstellung gehen. Ich kenne keine offiziellen Statistiken, denke aber, dass es mindestens ebenso viele gescheiterte Gründungen wie geglückte gibt, oder, dass die gescheiterten Gründungen sogar überwiegen.
Daher sollte man vorsichtig sein mit der Gründung, sich möglichst vorher schon einen Ruf und einen Kundenstamm aufbauen, zum Beispiel nebenberuflich, und sich, wenn es irgendwie geht, ein finanzielles Polster aufbauen, um die ersten zwei, drei Jahre abzufedern und in Ruhe schauen zu können, ob man das Ding ans Laufen bekommt.
Martin Neuhof, Portrait- und Hochzeitsfotograf
Ich denke, es kommt ganz darauf an, wo man wohnt und wie lange man schon dabei ist. Ich habe ganz lange im Nebengewerbe mit Fotos Geld verdient, um mich dann von diesem „Kundenstamm“ und „Bekanntheitsgrad“ komplett selbstständig zu machen. Ich denke, das ist eine ganz einfache Entwicklungsfrage, von 0 auf 100 kann man nicht als Fotograf*in selbstständig sein.
Wenn man in einer Kleinstadt lebt, in der es kaum „moderne Fotograf*innen“ gibt, sehe ich die Chance als sehr gut an, sich damit selbstständig zu machen. Lebst Du aber in einer größeren Stadt, wo es enorm viel Konkurrenz gibt, muss man sich erst einmal einen Namen machen, damit man am Ende auch gebucht wird.
Jule Frommelt, Foodfotografin
Mittel. Ich bin der Meinung, dass man auch mit sehr geringem Startkapital und kleiner Ausrüstung ein*e sehr gute*r Fotograf*in werden und es damit auch schaffen kann, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gibt sehr viele Fotograf*innen, aber es werden auch immer noch viele Fotos gebraucht. Sich auf etwas zu spezialisieren, finde ich immer gut und dabei auch nicht zu sehr darauf zu achten, was gerade hip ist, sondern auch immer an den Themen zu bleiben, die einen selbst auch etwas interessieren.
Jede Woche werden wir nun eine neue Frage und die verschiedenen Antworten dazu veröffentlichen. Alle bisherigen Artikel der Reihe findet Ihr hier. Habt Ihr auch eine Frage? Dann stellt sie in den Kommentaren und vielleicht wird sie schon bald in einem Artikel beantwortet.