Durch mein Vorhaben, eine Einleitung zum Werk der schwedischen Fotografin Kersti K. zu schreiben, hatte ich sofort ein Dutzend Fragen an sie. Ich habe mir einen Fragebogen ausgedacht in der Hoffnung, so in ihre Arbeit und Gedankenwelt einsteigen zu können, ihre Urspünge und Einflüsse zu erkennen, um am Ende besser zu verstehen, was mich eigentlich an ihren Fotos so anzieht. Zum Glück habe ich ihn ihr nie geschickt. Indem ich mich länger mit ihren Bildern beschäftigt habe, wurde mir klar, dass die Besonderheit ihrer Arbeiten nicht durch Antworten in Fragebögen zu erfassen ist.
Die Welt, die Kersti K. erschaffen hat, ist eine, in der Geschichten so fragmenthaft sind wie ihre radikal beschnittenen Kompositionen. Körperteile sind oftmals durch die Ränder der Fotos abgeschnitten, Gesichter wenden sich ab oder sind verdeckt und andere Details sind durch Stoff, Schatten oder Nebel verhüllt. Dieser Prozess der Auslassung führt zur Nichtidentifizierung mit den Personen. Die Anonymität verhindert eine psychologische Verbindung, Empathie oder Verständnis. Stattdessen wandert der Fokus zu einer emotionalen Beobachtung der Bewegungen und Gesten.
Kerstis Arbeitsmethoden ähneln denen der Filmemacher Robert Bresson oder Athina Rachel Tsangari, die einmal gesagt hat:
Ich bin daran interessiert, meine Charaktere eher als biologische Wesen zu behandeln denn als psychologische. Mir gefällt die Idee, mich Menschen von verschiedenen Seiten zu nähern und ihr Verhalten sowie ihre Lebensgeschichten vom Rand her zu betrachten anstatt direkt.
Da sind expressive Hände, ganz wie bei Bresson. Es gibt die namenlosen, nicht identifizierbaren Protagonisten wie in einem späten Roman Marguerite Duras’. Es gibt düstere Schauplätze, die an das Schweden aus Ingmar Bergmans Filmen erinnern. Und es gibt den Hauch von Magie eines Rene Magritte, in der Spiegel als Portale dienen, Körper schweben und es ist nicht untypisch, eine Person mit vier Armen zu entdecken.
Kersti K.s Arbeit ist verspielt, unheimlich, bedrückend und surreal zugleich. Durch das zarte Spiel von Distanz und Emotionen, Mehrdeutigkeit und Zusammenhängen, konstruiert sie zauberhafte Welten, die überzeugen und gleichzeitig völlig unverständlich sind. Kerstis Arbeiten findet Ihr auf ihrer Webseite, bei Flickr oder auf Instagram.
Dieser Text wurde von Brent Smith über Kersti K.s Arbeiten geschrieben und von Anne Henning für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.