Die Beziehung des russischen Fotografen Oleg Videnin zur Fotografie reicht bis in seine Kindheit zurück. Mit seinen Portraits nimmt er den Betrachter oftmals mit nach Brjansk, seinen Heimatort. In den Vorstädten und Dörfern um seine Heimat entstehen Bilder von Menschen, die den Betrachter in eine eigenartige Beziehung zu den fotografierten Personen setzen.
Man kommt nicht umhin, sich der Geschichte zu widmen, die sich in den Gesichtern abzeichnen. Man ist der Melancholie der zeitlosen Aufnahmen ausgesetzt. Die Wirkung der Bilder ist eng mit dem inneren Schaffensprozess des Fotografen verbunden, dessen Motivation dahinter, eine Person zu fotografieren, nicht einfach in Worte zu fassen ist. Videnin formuliert es so:
Wenn ich mit jemandem durch die Stadt spaziere, der meine Fotos kennt, höre ich manchmal: „Schau mal, das ist Deine Art von Person, warum fotografierst Du sie nicht?“. Und ich fotografiere sie nicht und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Person eben nicht „meiner Art“ entspricht, vielleicht meinem Stil ähnelt, aber doch nicht meins ist.
Und warum nicht? Die Person ist visuell ebenso interessant, hat die passende Beschaffenheit, das Auftreten und die richtige Kleidung. Das Licht ist gut und der Hintergrund wundervoll. Ich weiß es nicht. Ich fühle nur. Die Unterscheidung zwischen dem, was mein ist und allem anderem, ist sehr fein und teilweise mystisch.
Ich weiß sicher, dass die Entscheidung keine gedankliche ist. Auch keine des Herzens. Natürlich kann es auch beides sein, eine Entscheidung der Gedanken und des Herzens, aber insgesamt stimmt das nicht. Es ist am ehesten etwas Intuitives, Instinktives, fast Animalisches.
Man kann es vielleicht so ausdrücken: Ich suche nach einem passenden Spiegel. Nicht nach einem, der sich für mich mit seiner Innenwelt, seiner Freude und seinen Sorgen, seiner Schwäche und Liebe interessiert. Es geht nicht um Interesse an mir, aber trotzdem bin ich nicht frei davon, Empathie zu empfinden und merke das vielleicht auch beim Fotografieren.
Aber das hält nur Sekunden an und ist eher zweitrangig. Was wirklich zählt, ist das Finden eines Spiegels. Natürlich sind alle Menschen Spiegel für jeden anderen, aber sie sind alle verschieden, spiegeln unterschiedlich. Sie verzerren, verschönern und verformen. Meine Aufgabe ist es, den für mich einzigartigen Spiegel zu finden, der, obgleich er krumm, schäbig und gebrochen sein mag, doch meinen eigenen inneren Zustand in jenem Moment am genauesten widerspiegelt.
Dieser Zustand muss sich, auf unsichtbare Weise, für den Bruchteil einer Sekunde, mit dem Bild der Person im Sucher verbinden und sich als reflektiertes Licht auf die silberne Emulsion ergießen.
Neben einer Reihe an Büchern, die er veröffentlicht hat, gibt es auch einen Film über seine Arbeit. Den Bildband mit den hier gezeigten Arbeiten gibt es direkt beim Fotografen zu erwerben.
Der zitierte Text wurde vom Russischen ins Englische und für diesen Artikel vom Englischen ins Deutsche übersetzt.