26. Juni 2014 Lesezeit: ~7 Minuten

Marits Equipment

Fragt man unter den ganzen Fotografen mal, wie sie angefangen haben, antworten die meisten mit dem gleichen Sätzlein: „Mein Vater hat …“

Ich bin Teil dieser Massenantwort und schäme mich nicht, dass mein Vater einen Fotoapparat besaß. Wenn ich an meinen Vater denke, dann gehört dieser Apparat zu ihm wie Flügel zu einem Vogel. Ohne dieses seltsame Gerät wäre mein Vater ein anderer und dann wäre das hier eine ganz andere Geschichte.

Als wir letztens gemeinsam seine alte Diasammlung im Keller durchgingen, da war ich sehr froh, dass er das, was um ihn herum geschah, dokumentierte, denn sie zeigen mir, wie er die Welt sah und uns, seine Familie.

Ein Mädchen mit langen Haaren feiert Weihnachten in blauer Strumpfhose.

Wie mein Vater die Welt und mich sah.

Aber damals sah alles danach aus, dass ich mich niemals mit diesem „Gerät“ anfreunden würde. Mein Vater erklärte mir zwar Blenden und Zeiten, aber ich war schon immer jemand, der die Dinge selbst ausprobieren musste, um sie zu kapieren. Erklärungen haben mich ermüdet, dabei bin ich nicht mal ein Kind des digitalen Zeitalters. Ich war einfach so und ich kann es meinem werten Vater nicht verübeln, dass er manchmal recht traurig über mein Desinteresse war.

Aber später haben mich die Ergebnisse interessiert. Ich war beispielsweise den Schwarzweiß-Aufnahmen aus den Familienalben meiner Großeltern verfallen und fragte eben jene Löcher in den Bauch. Mit diesen Bildern wurde das weiße Blatt meiner Vergangenheit plötzlich gefüllt. Ich fühlte, wie sich die feinen Fäden meiner Existenz mit denen verknüpfte, die schon lange unter der Erde weilten.

Ein Foto war für mich also nicht mehr nur ein Foto. Es trug eine ganze Geschichte in sich, ob sie nun stimmte oder nicht.

Meine erste Kamera war dann die meines Vaters, eine Canon EOS 500. Mit Film und alles schön automatisch. Ich hatte sie oft auf Reisen mit. Sie besaß jedoch zu viel Schnickschnack und zu wenig Magie. Ich machte viel zu viele Bilder und viel zu viele gefielen mir davon nicht. Ich wollte nicht die Realität abbilden, ich wollte dahinter schauen. Und diese Kamera half mir zwar dabei, abzubilden aber nicht, die ganze Sache zu verstehen.

Das Bild eines Ehepaars in einem Spiegel.

Ich suchte nach einer Kamera, mit der ich die Fotografie langsam begreifen konnte und fand sie in Form einer Praktika L. Die Kamera kam ohne Belichtungsmessung daher und ich habe angefangen, Licht und Zeit zu schätzen. Manchmal lag ich gut, manchmal weniger gut. Aber sie war ein paar Jahre bei mir und ich habe damit schöne Erinnerungen festgehalten und die Bilder, die ich mochte, wurden auch mehr.

Aber wie das so ist, man möchte sich stetig weiterentwickeln. Die Praktika war gut, um zu kapieren, worum es geht. Doch ich erhob mich langsam aus der fotografischen Pubertät und wollte ein Schätzlein, das mir ein paar Sachen einfach abnahm. Ich entschied mich nach vielen Recherchen für die Canon A-1 und ein Canon FD 50 mm f/1.4 Objektiv*.

Ich habe diese Entscheidung bis heute nicht bereut. Noch immer ist die Kamera ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Sie ist robust und ich kann Blende oder Zeit selbst einstellen oder wenn ich mal ganz abenteuerlich sein will sogar beides. Sie hat außerdem eine Belichtungskorrektur, die ist ganz gut, denn manchmal weiß ich es einfach besser. Sie ist das perfekte Werkzeug für mich. Mit ihr entstand auch meine Lieblingsserie: Ghosts.

Ein Geist ist zu sehen.Und noch ein Geist ist zu sehen, diesmal mit betender Handhaltung.

Irgendwann wurde mir das Kleinformat aber zu klein und ich schaute mich nach einer Mittelformatkamera um. Es gab viele Empfehlungen, aber am Ende entschied ich mich dann für die unglückliche Kowa Six, die kaum einer kennt und wenn doch, keiner mag. Sie hat ein paar Macken und angeblich ein paar Schräubchen zu viel, aber wenn man sie gut kennt, ist sie für Innenaufnahmen wunderbar und mit einem Menschen davor noch viel besser.

Ich habe mich mittlerweile an sie gewöhnt und will sie nicht mehr missen. Allerdings hat die Gute keinen Belichtungsmesser, aber dafür nehme ich meine Canon A-1. Meine Kamera mag Standfestigkeit, deswegen bekommt sie ein gutes Stativ. Es ist ein Slik Able 300 DX* aber mit einem Stativkugelkopf von Manfrotto*.

Ein Mensch ohne Gesicht.Ein Mensch auf einem Sessel und im Hintergrund ein Klavier.

Ein weiterer Schatz und immer dabei ist meine Holga 120 GCFN*. Ich mache um sie kein Tamtam. Sie ist eine Billigkamera und kostet meiner Meinung nach viel zu viel, für das was sie kann, aber sie ist für mich die Kamera des Diffusen.

Mit ihr bilde ich ab, was man nicht sieht. Ich nutze sie für Langzeitbelichtungen oder Doppelbelichtungen. Das kann sie gut und manchmal überrascht sie mich.

Und ganz wichtig: Die Klappe der Holga springt gern einmal auf, wenn man den Film weiterspult. Außerdem ist sie immer ein bisschen undicht, also unbedingt schwarzes Tape* auf die hintere Klappe kleben, um zuviel Überraschung zu vermeiden.

Grün und blau und gelb in einem Bild voller Dunkelheit.Eine Frau ist ein Geist.

Mit im Boot sitzt nun noch die SX-70, eine Sofortbildkamera, die ich aber nicht oft nutze. Manchmal gelingen mir damit gute Aufnahmen, manchmal finde ich sie aber ganz schlimm und dass ich auf fast nichts einwirken kann, das nervt mich oft.

Ich wollte sie mal verkaufen, aber ich kann mich noch nicht so recht von ihr trennen, denn manchmal sind die Ergebnisse überirdisch gut. Aber 20 € für einen Film mit nur acht Aufnahmen? Ich glaub’, es hackt!

Frau mit weißer Haube.Frau vor blauem Hintergrund schaut geradeaus.

So, da wären wir nun schon fast durch galoppiert, aber ein bisschen fehlt noch. Denn was wären all die schönen Kameras ohne die tollen Filme? Viele schwören ja auf abgelaufene Filme, ich nicht ganz so. Ich mag derzeit den Rollei RPX 400.

Ich nutze ihn für Innenaufnahmen und für Gesichter. Natürlich mag ich auch den Kodak Tri-X 400, aber der von Rollei ist einfach günstiger und wenn ich mir mal was gönnen möchte, dann kommt auch der Tri-X in die Tasche und beide sind gutes Futter für meine Kowa Six.

In die Holga werfe ich dafür abgelaufene Filme. Da die Ergebnisse oft sowieso überraschend sind, möchte ich sie nicht mit teuren Filmen füttern und da ist es eigentlich egal, von welchem Filmhersteller die Sachen kommen.

Zusammenfassend kann ich also sagen: Technik ist nicht wichtig, aber seine Kameras gut zu kennen, hilft allemal. Meine Kameramodelle sind alle grösstenteils ausgediente Teile und wurden von mir nie zum Neuwert gekauft. Aber meine Kameras sind Charakterdarsteller, sie haben Macken, die ich gut kenne und die ich manchmal auch bewusst einsetze.

Sie sind ein gutes Werkzeug und nicht ich habe mich meinen Kameras angepasst, sondern ich habe bewusst gewählt, was zu meiner Arbeitsweise am besten passt. Es ist also völlig egal, mit welchem Kameramodell und Zubehör Du Deine Fotos machst. Wichtig ist, Du beherrschst alle und fühlst Dich gut damit.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas bestellt, erhält kwerfeldein eine kleine Provision, Ihr zahlt aber keinen Cent mehr.

14 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. Danke, ein interessanter Einblick mit ansprechenden Ergebnissen !

    Zitat : “ Es ist also völlig egal, mit welchem Kameramodell und Zubehör Du Deine Fotos machst. Wichtig ist, Du beherrschst alle und fühlst Dich gut damit „.

    Genau, aus diesem Grund bin ich auch völlig auf digitale Knipsen umgestiegen und versuche auch die Postproduktion und den FineArt Druck immer besser zu beherrschen.

  2. Schöner Artikel!
    Auch ich gehöre zu der „Massenantwort“; mein Vater hatte damals… z.B. jedes Jahr ein Jahresalbum von uns Kindern für meine Oma zusammengestellt. Alles in SW, tagelang Bildes des ganzen Jahres im Wohnzimmer auf dem Teppich ausgebreitet, eingeklebt, Texte dazu geschrieben. Was für eine Arbeit.
    Heute reißen wir Geschwister uns um die Alben, weil sie über 15 Jahre unserer Kindheit dokumentieren :-)
    Der Effekt damals: Fotoapparat, SW-Labor, nächtelang DuKa. Erst mit Aufkommen der „Digi-Knipsen“ war das einige Zeit eingeschlafen…
    Ach ja: Canon A-1 Schon damals gab’s die Canon vs. Minolta (XE oder XD7) Fraktionen (Nikon war schon raus, da zu teuer). Wir sind bei Minolta hängen geblieben, da hier -im Unterschied zu Canon- eine Zeitautomatik drin war, so dass wir die Blende immer selber bestimmen konnten/mussten. Und da wir ja (Star-)Portraitfotografen waren… ;-)

    • Mein Vater hatte leider nie eine Dunkelkammer aber mit 16 hab ich dann endlich mal bei einem Fotografen ein Praktikum gemacht und gesehen, wie diese schwarzweiß Bildchen entstehen.

      Mhh, bei der A-1 kann ich die Blende doch auch selbst bestimmen und das tu ich auch immer :-)

    • Hallo Chris,

      das ist unterschiedlich. Entweder einen Negativscanner oder eine Digitalkamra mit der ich die Negative abfotografiere. Fürs zeigen im Web reicht das meiner Meinung nach. Ansonsten muss die Dunkelkammer her für großformatigere Abzüge. Dafür muss man mich dann aber besuchen kommen, um die zu sehen und ich bin noch immer der Meinung das so ein Abzug um einiges schöner ist als ein digitaler Abdruck meiner Negative.

  3. Das ist ein wirklich sehr schön geschriebener Artikel, sehr authentisch.
    Ich schließe mich ebenfalls der „Massenantwort“ an. Mein Vater hatte eine analoge Spiegelreflexkamera von Nikon und so bin ich damals auch direkt zu Nikon gegangen, und bis heute dort geblieben.
    Und ich bezeichne meine Kamera nicht nur als Werkzeug, für mich hat sie auch irgendwie Charakter.
    Ich sage immer: Meine Kleine hat mich das Fotografieren gelernt. Das kleinste vom Kleinsten der Spiegelreflexkameras. Zwei Jahre lang hat sie mich im Automatikmodus begleitet, dann irgendwann wurde es langweilig und ich fing an, komplett manuell zu fotografieren. Und sie hatte nicht viel. Mit ihr lernte ich, die einzelen Parameter bewusst und gekonnt einzusetzen.
    Heute ist sie mein „kleines Baby“. Und meine „große“, ja, die macht mich einfach nur glücklich mit ihren viele Funktionen und Knöpfen. Mit ihr kann ich vielmehr umsetzen, die Fotografie viel besser ausleben. Und ich rede auch mit ihr, wenn sie mal nicht das tut, was sie will. Es geht sogar manchmal so weit, dass ich sie am liebsten an die Wand schmeißen würde. Oder ich flehe sie an, doch bitte endlich abzudrücken. Trotzdem liebe ich sie. Weil sie mir hilft, Dinge auszudrücken.
    Nun ja, so interpretiere ich die Kamera „als Charakter“. Und ich finde Dein Fazit sehr gut, dass Du jede Deiner Kameras mit ihren Ecken und Kanten kennst und sie dementsprechend nutzt.

    Liebe Grüße,
    Verena

  4. Immer wieder interessant, wie die Photography in ein Leben kommt.
    Eine Frage – zu Beginn steht der Satz: „Ich bin Teil dieser Massenantwort und schäme mich nicht, dass mein Vater einen Fotoapparat besaß.“ – gibt es einen Grund sich zu schämen, weil der Vater einen Photoapparat besaß?

  5. Angenehm undigital und so geschrieben, daß man merkt, daß Deine Kameras für Dich mehr sind, als austauschbare Kästchen mit etwas Technik drin.

    (Hat der arme DJ die Begegnung mit Wednesday Addams eigentlich überlebt?)

    • Ich glaub, ich hab den armen DJ als Verbündeten gesehen. Wir beide mussten auf einer Party sein, auf der wir nicht sein wollten. Und das ich eine blaue Strumpfhose tragen musste und dieses Kleid, das weiß ich noch, das hab ich meinen Eltern damals nicht verziehen.

  6. Was für ein wunderbarer Artikel.

    Ich teile wie du die Leidenschaft fürs Analoge. Die Canon A1 mag ich auch tatsächlich am liebsten. Nur mit der Diana werde nicht so richtig warm. Die macht einfach zu viel zicken, das ist auf Dauer recht anstrengend. Für Doppelbelichtungen liebe ich die Agfa Clack, weil sie auch sonst so ein unkompliziertes Schätzchen ist. Die Pentacon Six macht für Alter ebenfalls sehr schöne Fotos ist aber als Immer-Dabei-Kamera einfach zu schwer.

    Nur in die Massenantwort kann ich mich nicht einreihen. Wir hatten damals halt irgendeine Knipse die hin und wieder zum Einsatz kam. Ich glaub die Fotografie hat mich gefunden.

    Viele Grüße,
    Natalie

  7. Mein Vater hatte nichts mit Fotografie am Hut, ich hab das selbst für mich entdeckt und mir alles selbst beibringen müssen über Leihbücherei, und probieren.
    Damals mitte bis Ende der 80´er des letzten Jahrtausends gab es noch kein Internet und Video Tutorials.
    Jaja, die guten alten Praktica´s.
    War meine erste die Praktica Super TL 1000, habe ich heute noch mit den drei Festbrennweiten und immer ein paar Tri-X400 im Regal liegen.
    Manchmal kribbelt es mich richtig in den Fingern, und ich werde mir demnächst wieder eine kleine Hexenküche einrichten um die Filme auch wieder selbst zu entwickeln.
    Ein ausbelichtetes Bild, ein Unicat, in der Hand vermittelt ein ganz anderes Wertigkeitsgefühl als ein auf Knopfdruck reproduzierbarer Digitalprint.

    Seit 2007 fotografiere ich hauptsächlich digital.
    Vielen Dank für den Artikel.

    LG
    Michael

  8. total schön zu lesen. ich teile deine meinung sehr, wenn man sich erstmal mit der kamera angefreundet hat und sie verstanden hat, ihre guten und weniger guten seiten, kann man auch ganz bewusst entscheiden wen man mitnimmt wenn man loszieht. charakter statt technik, würde ich auch so unterschreiben. danke.