Ein Mann läuft der Sonne entgegen.
24. Mai 2014 Lesezeit: ~8 Minuten

Eine Million Likes

Perfekt soll es sein, das Foto. Keine Makel, nur schillerne Großartigkeit, gepaart mit filigraner Bildbearbeitung und erfüllt mit solchem Drama, dass es ist, als ob man einem Liebslied zuhöre. Es soll sie begeistern, die Massen. Ihnen die Sprache verschlagen.

Das dachte ich. Als ich anfing mit der Fotografie. Ich wollte es so. Wünschte mir, dies einmal zu erreichen. Den Trick zu wissen, wie es funktioniert.

Damit ich es tausende Male wiederholen könnte, von jeder Sitiation ein perfektes Bild aufzunehmen. Ich sah mich mit dem Laser-Blick, der alles durchdringt und aus hunderttausend Perspektiven die beste findet.

Um allen zu zeigen, dass ich es kann. Dass meine Fotos einfach perfekt sind. Großartig. Unerreicht. Wahnsinn. Eine Million Likes bekommen.

Bullshit.

Ein Mann mit aufgeschminktem Hitlerbart guckt in die Kamera.

Was sich hinter meiner romantisierten Vorstellung der Fotografie versteckte, war die Sucht nach Anerkennung. Ja, wir haben Dich alle lieb und Du bist der Beste. Der Allergeilste.

Und der Angst vor Ablehnung. Wehe, mein Bild ist nicht perfekt. Wehe, es hat nicht mindestens so und so viele Favs und Likes. Wehe!

All das wollte ich übertrumpfen. Und allen gefallen. Die Fotografie war nur Mittel zum Zweck.

Doch diese Wunschvorstellung vom perfekten Bild erzeugte in mir vor allem das: Immensen Druck und eine riesige Kreativ-Blockade.

Moment, ich muss hier kurz ausschweifen. Kreativ. Das hört sich nervig esoterisch an. Kreativ-Workshop für Erwachsene. Töpfern mit Panflötenmusik. Ausdruckstanz in lilanen Kleidern. Irgendwie 80er.

Wenn ich „kreativ“ sage, dann meine ich nicht das. Wenn ich kreativ sage, dann meine ich, mit der Kamera unterwegs zu sein und einfach Spaß zu haben. Bock darauf zu haben, rauszugehen und zwei Stunden zu fotografieren, das Licht einzufangen und mich ins Chaos der Stadt zu werfen.

Verschiedene Menschen gucken in die Sonne und heben die Hand.

Das ist für mich kreativ sein.

Doch die bescheuerte Illision, das eine, perfekte Foto zu machen, torpedierte ein Kreativ-Werden die komplette Zeit über. Ich verkrampfte innerlich. Setzte mich unter Druck. War sehr, sehr streng zu mir.

Spaß am Fotografieren? Kaum. Ich verlor zunehmend die Lust daran. Zwang mich zwar immer wieder, loszuziehen und dachte, dass ich einfach nicht diszipliniert genug wäre. Einfach zu faul wäre und mich zwingen müsste.

Irgendwann würde ich es sicher machen, das

super
derb
geile

Foto.

Wenn ich gut genug wäre. Wenn ich meine Technik bis ins Hunderttausendstel ausgefeilt hätte. Dann. Irgndwie, irgendwo, irgendwann.

Ein Mann rast auf dem Fahrrad vorbei.

Dann würden mich die Leute beklatschen. Ich würde bekannt werden. Bekannt als Fotograf.

1.000.000 Personen gefällt das.

Doch, wie gesagt, es funktionierte einfach nicht. Ich bekam schon Kopfschmerzen beim Gedanken an die nächste Fototour. Alles fühlte sich taub und so komisch an.

Meine Vorbilder waren all diejenigen, die auf DeviantArt und Flickr absahnten. Die hunderttausend Views auf ihren Fotos hatten und die jeder geil zu finden schien. Sowas wollte ich. Das spornte mich an. Das war so… perfekt.

Und ich hörte auf die Foto-Profis, die ständig Disziplin predigten. Die allen erzählten, dass sie ihre Ärsche hochkriegen müssten. Die ach-so-erfahrenen, die jedem unter die Nase reiben, wie lange sie doch schon fotografierten und was für geile Burschen sie doch wären.

Nochmal Bullshit.

Ein Mann zieht eine Erotik-DVD heraus.

Der Perfektionismus hat meine Fotografie kaputt gemacht. Oder zumindest das, was ich mir unter perfekt so vorstellte. Dieser Hunger nach Anerkennung und die scheiß Angst davor, negative Kritiken, fiese Kommentare zu bekommen oder gänzlich links liegen gelassen zu werden.

Ja, all das hat meine Kreativität so lange gelähmt, bis ich in ein riesenfettes Loch fiel.

Das Loch war nicht schwarz und es war auch nicht rund. Nein, es sah so aus: Ich genehmigte mir ständig Fotopausen, die immer länger wurden. Noch eine. Dazwischen mal rausgehen, fotografieren, doch das reichte, um die alten Dämonen zu wecken und gleich wieder das Handtuch zu werfen.

Es fühlte sich an, als hätte ich alles verloren. So viel Hoffnung hatte ich auf die Fotografie gesetzt. So viel hineingewünscht, herbeigesehnt und so viel gewollt. Doch es schien so, als ob mir nicht mal ein einigermaßen gutes Foto gelingen könnte.

Klar, wenn der Maßstab perfekt ist.

Vor zirka fünf Jahren nahm ich dann Abstand von allem und fühlte in mich hinein. Spürte hin, was das alles mit mir machte und dachte nur eines:

Leckt mich doch. Alle.

Eine Frau steht von einer Fensterscheibe mit Plakatierungen zum Ausverkauf.

Denn langsam wurde ich wütend. Wütend auf alles, was ich mit (perfekter) Fotografie in Verbindung gebracht hatte. Auf alle tollen Fotorockstars, Superprofis und Disziplin-Prediger. Wütend Auf Kamera-Nerds, Foto-Blogger, Fotomagazine. Alles war scheiße. Und ich hätte am liebsten direkt aufgehört.

Vor allem aber war ich wütend auf mich. Ich wollte und konnte nicht zugeben, dass ausgerechnet ich jetzt in diesem Loch war. Ich, der doch schon zig Artikel über Disziplin und kreative Lösungen mit Blockaden geschrieben hatte. Ich, der doch dachte, alles verstanden zu haben. Der sein Blog „Digitale Fotografie Lernen“ genannt hatte.

Wie dumm.

Doch genau an diesen Punkt musste ich kommen. Denn irgendwann begann ich, diese Sehnsucht nach Perfektion und Anerkennung zu hinterfragen. Die Angst vor der Ablehnung anzusehen und zu überlegen, was denn daran so schlimm wäre, wenn meine Bilder auf einmal nicht mehr gemocht würden.

Keiner Person gefällt das.

Ein Mann mit Hornbrille.

Ja, und?

Ich fragte mich, ob es das alles wert ist. Überlegte, ob es nicht eigentlich alles anders wäre. Dass der Traum vom perfekten Fotografen ein Luftschloss war, in das ich mich selbst eingesperrt hatte.

Und irgendwann, ich weiß nicht mehr genau wann, machte es wortwörtlich klick. Ich schaute auf die letzten Monate zurück und entschied mich ganz bewusst gegen die Fotografie, wie ich sie bis dahin kannte. Und erfand meine eigene Version davon.

Ich stellte meine eigenen Regeln auf. Und die hießen ungefähr so:

1. Jedes Foto, das besser als völlige Scheiße ist, ist gut.
2. Ich fotografiere, was ich will und wie ich es will.
3. Ich ignoriere in den kommenden Monaten jede Meinung zu meinen Bildern. Auch die Lobhudeleien.
4. Wenn meine Fotos nicht gemocht werden, ist das nicht mein Problem.
5. Disziplin my ass.
6. Perfektion my ass.
7. Likes
8. My
9. Ass.
10. Ich glaube niemandem, der mir ungefragt meine Fotos „zerreißt“.

Für mich war erst einmal wichtig, zu klären, was ich nicht will. Um später eine Grundlage für das zu schaffen, was ich will.

Und auf einmal öffnete sich etwas in mir. Mir wurde im Herzen ganz warm und leicht. Hansi Hinterseer klingelte an meiner Tür und sang mir ein wunderschönes Lied.

Scherz.

Ein Mann spielt auf der Ziehharmonika – an der Wand hinter ihm steht LOL.

Scherz beiseite.

Irgendwann bekam ich wieder Lust. Hatte auf einmal wieder Bock auf’s Fotografieren. Wollte wieder losziehen. Neue Fotos machen.

Und das alles, ohne mich zu irgendetwas zwingen zu müssen. Ganz ohne Disziplin. Wer hätte das gedacht. Ich fand meinen Zugang zum Nicht-Perfekten. Zum Komplexen. Unfertigen.

~

All das ist heute Teil meines Fotografierens. Ich zwinge mich nicht, rauszugehen. Das Gegenteil ist der Fall: Ich habe heutzutage extrem viel Lust, neue Fotos zu machen und muss mich eher bremsen, damit der Rest der Arbeit nicht liegen bleibt.

Nein, ich bin nicht geheilt. Immer wieder werde ich neidisch auf andere Fotografen, die hunderttausend Fans auf Facebook haben oder ständig perfekte Fotos zaubern, die dann bejubelt werden.

Doch ich habe mich verändert. Ich verfalle dem Hype nicht mehr und weiß, dass es keinen Sinn macht, all dem hinterher zu hecheln. Der Wert meiner Bilder liegt nicht in der Anzahl der Likes.

Meine Fotos haben sich auch verändert. Ich habe mein Ding gefunden. Und ich weiß, dass meine Fotos nicht perfekt sind. Das müssen sie auch nicht mehr sein.

Einer Person gefällt das.

Mir.

Ein Mann lacht in die Kamera.

89 Kommentare

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  1. Ich kann das total nachvollziehen und verstehen…
    So schön diese (Foto-)Plattformen auch sind, und die Anerkennung, die man dort bekommt, und all die anderen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben (Menschen kennenlernen, usw.) – muss man aufpassen, sich nicht abhängig zu machen (gedanklich) von den Sternen und Daumen dieser digitalen Welt…
    „wenn ich das (Foto) auf flickr hochlade, gefällt den Leuten das sicher“ – ich muss mir da auch öfter sagen: QUATSCH. welches gefällt dir denn am besten?

    und auch die Gefahr, sich selbst weiterbringen zu wollen; besser zu werden, etc.
    man verliert die Leichtigkeit der ersten (fotografischen) Jahre.. Es ist doof, das zu merken.

    also, du bist nicht allein.

  2. Sehr gut geschrieben und erschreckend wie oft ich mich in den Worten wieder fand.
    Eine schöne Botschaft die man sich als ambitionierter Hobbyfotograf zu Herzen nehmen sollte.

  3. Danke Herr Gommel für diesen tollen Artikel.
    Gott sei Dank sind Sie aus diesem Loch wieder rausgekommen.
    Wurde schon langsam etwas eng hier für mich =)
    Spricht mir aus der Seele und geht mir zu Zeit in vielen Punkten ähnlich.

    Vor ca. 2 Wochen auch mal wieder eine „erzwungene“ Tour gemacht.
    Die erste in 2 Monaten. Und bis jetzt noch nichtmals die Bilder gesichtet.
    Keine Ahnung was los ist. Ich hechele jetzt nicht unbedingt irgendwelchen likes und
    und tausendfacher Lobhudelei hinterher, hinterfrage jedoch immer häufiger meine eigene
    Leistung, meinen Fortschritt und mein „Können“.

    Es gibt wirklich Tage an denen ich denke ich sollte mir wirklich ein
    anderes Hobby suchen, bringt doch eh alles nix und irgendwie ist doch sowieso alles
    irgendwie Sch***e.

    Werde mir diesen Artikel auf jeden Fall zu Herzen nehmen, darüber in tieeeeeefe Meditation
    versinken ;) und hoffentlich bald auch zu einer befreienden Erkenntnis gelangen.

    In diesem Sinne:
    Schönes Wochenende und nochmals vielen Dank für diesen Artikel.

  4. Ziemlich.geiler.guter.Text.
    Mir zumindest geht es mit Abstrichen ähnlich. Wenn der „Sozial“Neid zuschlägt und es fast unmöglich macht, sich die Werke anderer anzuschauen ohne auf mögliche Fehler zu achten, die das eigene Werk hervorheben könnten, weil eben diese Fehler von einem selbst nicht gemacht wurden.
    Und trotzdem keinen Erfolg. Oder nicht den gewünschten.
    Sich auf der Suche nach Anerkennung von Likes einer Community abhängig machen lassen, die einen im einen Moment hochleben, im nächsten Moment zerstören können.
    „Hey, ich wollte die Schärfe bei dem Portrait nicht auf den Augen, sie sollte tatsächlich auf der Nasenspitze liegen. Denn ich mag Nasen.“
    Ich denke ihr wisst was ich meine.

  5. Ich finde Fotografie ist halt was persönliches und fast schon intimes. Bilder die man der Öffentlichkeit zugänglich macht findet man persönlich immer gut, weil da ja auch irgendwo persönliche Momenten (Erinnerungen, Gerüche, Gefühle, usw.) dabei gewesen sind. Ein Bild ist halt meistens nur eine Momentaufnahme eines persönlichen Momentes. Beim Betrachter auf der anderen Seite sind diese Momente nun mal nicht vorhanden, weil dieser eben nur das Bild sieht. Wohlgemerkt ich rede jetzt nur von Straßen-, Reise- oder Reportage-Fotografie und keinen gebuchten Modellshooting.

    Ich persönlich bin auch immer nur am Zweifeln und überlegen, ob ich diese oder jene Bilder überhaupt öffentlich machen soll. Aber wenn ich eben deinen Bericht hier lese, dann denke ich mir: „Scheisse, ja!“, weil es tatsächlich auch anderen so geht wie mir. Allerdings habe ich schon lange mit diesen Flickr-Streams aufgehört, weil ich hier einfach kein gescheites Feedback bekomme. Jeder sagt vielleicht „geiles Bild“ um so auch weitere „Follower“ zu bekommen. Mir hilft das einfach nicht weiter. Das ist mir zuviel Gruppendynamik dort. Persönlich wäre es mir lieber, wenn mir jemand sagt, was ihm nicht an einem Bild gefällt. Persönlich interessiert es mich aber nicht, ob jemanden mein Thema passt oder nicht. Aber so was gibt es beispielsweise auf Flickr oder ähnlichem kaum noch. Schade eigentlich! Nur noch „likes“ und „tolles Bild“!

    Und noch was Martin: Ich verfolge deine Webseite schon lange und mir gefallen deine Beträge immer sehr gut. Auch wenn einige Themen kontrovers sind. Aber das ist die Straßenfotografie hier in Deutschland ohnehin schon. Beispielsweise dein Bericht über „Älter Menschen“ fand ich sehr mutig überhaupt hier zu Veröffentlichen. Du hast halt noch „Arsch“ in der Hose und stehst zu deinen Projekten und lässt sich dich nicht in irgendeine Form pressen. Mach weiter so und lass dich nicht entmutigen. Viele hier (inklusive ich) ernähren sich mit „Motivation“ dank deiner Webseite.

  6. Sehr schön geschrieben, Martin. Ich denke, dass Plattformen wie Facebook, Flickr, etc. ersteinmal gar nicht so schlecht sind, um sich ein wenig mit dem Thema Fotografie auseinanderzusetzen, um sich inspiriren zu lassen, Sachen auszuprobieren, und gelegentlich auch mal Feedback zu bekommen. Wobei von 100 Kommentaren einen vielleicht zwei nützlich sind. Jedoch darf man wirklich nicht in den Hype verfallen, dass man mit jedem neuen Foto das letzte übertrumpfen möchte. Ich selbst erwische mich dabei des Öfteren. Allerdings frage ich mich dann auch: Warum eigentlich? Ist doch eigentlich Wurscht. Es bringt mich keinen Schritt voran und auch keinen zurück, ob ich nun 1 like, 100 likes oder 1000 likes oder was auch immer habe. Irgendwann verfällt man dann tatsächlich in den Trott und macht nur noch Fotos für solche Communities. Auch, wenn man keinen Bock hat, raus zu gehen. Man zwingt sich ein wenig dazu. Einfach, damit man nicht abfällt. Und ab dann kann einem schnell der Spaß vergehen.
    Am Ende zählt eigentlich genau das, was du sagst. Es muss mir gefallen. Es muss mir Spaß machen. Und es muss mich auch einfach ein wenig ablenken und frei machen von all dem Alltagsstress. Darum geht es eigentlich. Nicht um Communitys, Klicks, Favs und Likes. Vielen Dank für den Artikel, Martin. Da steckt sehr viel Wahres und Ehrliches drin.

  7. Ich meine, das von Dir in anderen Worten schon öfter gelesen zu haben. Eine der schönen Seiten am Dasein als Blogger und BlogLESER ist, dass man an den Entwicklungen seiner ‚Mittäter‘ teilhaben kann. ;-) Und ich bin jedem von ‚uns‘ dankbar dafür, denn es erweitert den eigenen Horizont. Dir bin ich sowieso dankbar, Deinen Blog (und heute: Euer Magazin) habe ich schon verfolgt, as ich selbst noch reiner Forenjunkie war. Du hast Deinen Anteil daran, dass cih seit einigen Jahren selbst zum Blogger wurde und die Foren heute nebenbei laufen.

    Was mich stolpern lässt (aber das kann und wird Dir – wenn das stimmt, was Du hier schreibst – entspannt ‚achtern gehen‘) sind die Bilder zu diesem Artikel. Die sind nämlich durchaus – wie soll ich sagen – netzkompatibel und haben Ihr entsprechende Feedback auch sicher bekommen (falls Du sie publiziert hast). Was bedeutet das? Bedeutet das, dass Dein Unterbewusstsein anders tickt als Dein Bewusstsein oder bedeutet es dass sich diese ‚Netzkompatibilität‘ als Nebenprodukt eingestellt hat? Da Du sicher keiner Bist, der nicht weiß, dass wir immer auf den Schultern anderer stehen, ist das zweite schwer zu glauben. Da Du andererseits jemand bist, den ich so einschätze, dass er sich immer wieder hinterfragt, glaube ich auch das erste nicht. Also: Wie kommt’s?

    ;-)

  8. Als ich die Überschrift gelesen habe, dachte ich mir schon, von wem der Artikel ist. Ich finde es auf der einen Seite befremdlich, aber auf der anderen auch sehr mutig, mit seinem Ego so umzugehen. So ganz abzuschalten ist es ja offenbar nicht und ich frage mich, ob das eine neue gesellschaftliche Entwicklung (2.0) ist, oder ob die Menschen von ihrem Selbstverwirklichungstrip früher auch schon so gestresst waren.

    Ich kann nur empfehlen, dieses ganze Veröffentlichen und auf Facebook/Flickr abhängen mal sein zu lassen. Vielleicht verschwindet dann auch das Denken, dass viele Menschen die Bilder gut finden müssen. Ich bin eher skeptisch bei diesen Massen-Hypes. Meistens sind das emotionslastige Ästhetiken, die inhaltsarm reproduziert werden. Und wenn man auf den Zug erstmal aufgesprungen ist… tja, schade.

    • Ich denke, dass diesem Wunsch nach Anerkennung sowie Bestätigung etwas zutiefst Menschliches zu Grunde liegt und jede Zeit neue Formen und Wege schafft, um genau diese zu erlangen… jetzt ist es halt 2.0. Wobei ich schon meine, dass diese derart exzessive und auch zum Teil massenhaft mögliche Art der Anerkennung, wie bei Facebook usw. und der Umgang damit eine wahnsinnige Herausforderung für uns heute darstellen.
      Zudem denke ich, dass Herrn Gommels Artikel (dessen Ehrlichkeit beeindruckend ist) gewissermaßen auf alles Mögliche anzuwenden ist… Verlangen nach Anerkennung schafft Druck und entfernt mich, wenn dieser Druck und dieses Verlangen überhand gewinnt, in den meisten Fällen von mir selbst… und bringt mich dazu mich in anderen gewissermaßen “aufzulösen“…

  9. Hallo Martin,
    vielen Dank für diesen Artikel.
    Ich stehe mit meiner Fotografie noch ganz am Anfang. Ursprünglich war sie als Skizzenbuch gedacht, um Momente festzuhalten, die vielleicht später so oder anders auf Papier mittels Stift und Pinsel „gebannt“ werden. Doch in der Zwischenzeit verselbständigen sich die Fotos. Manche werden auch von mir veröffentlicht.
    Sicherlich mache ich beim Fotografieren Fehler. Sicherlich könnte ich daran mit viel Ehrgeiz etwas verbessern, Kurse besuchen etc.. Und ich habe auch schon darüber nachgedacht, wenn ich diese tollen, mit viel Akribie berabeiteten Fotos in Zeitschriften oder im Internet sehe.
    Aber nachdem ich deinen Artikel gelesen habe, weiß ich gar nicht, ob das wirklich so erstrebenswert ist. Ich glaube, ich sollte meine Ursprünglichkeit, meine perönliche Note beibehalten und nicht unbedingt jeden Fehler aus meinen Bildern ausmerzen wollen. Weil das macht meine Bilder wahrscheinlich auch aus…
    Ich bedanke mich auf jeden Fall für diesen wunderbaren Artikel, der mir die Augengeöffnet hat, dass Perfektion lähmt und vielleicht auch gar nicht notwendig ist.
    Viele Grüße, Carola

  10. word !
    Eine kleine Sache hab ich noch in Sachen der vielgeschundenen « Kreativität » : Inspiration / Eingebung kommt und geht und lässt sich vor allem nicht erzwingen. Da rennst in die berühmte Blockade und fällst in das komische Loch.
    Kreativität nach meiner eigenen Interpretation im Sinne von allen möglichen visuellen Spielereien ist das Ergebnis praktischer Übung.

  11. Ach Martin, dein Artikel spricht mir so aus der Seele. Ich befinde mich gerade mittendrin, in diesem kreativen Loch. Und all die aufgezählten Symptome kenne ich gerade nur zu gut.
    Es ist „schön“ zu sehen, dass man mit dem Problem nicht allein da steht. Ich versuche auch gerade einen Neustart, nach etlichen immer länger werdenden Pausen, die den Druck erhöhen und den Spaß mehr und mehr rauben. Deine Worte kommen zur richtigen Zeit und eure Artikel sind immer wieder Inspiration pur. Vielen Dank dafür und weiter so – unbedingt!

    Ps: Den Abschnitt mit Hansi Hinterseer würde ich gern überspringen. Auch Andrea Berg kann mir fern bleiben! ;)

  12. Gott sei Dank wollte ich nie „eine Million“ likes, das würde mich wahrscheinlich total überfordern. Wobei aber die Sucht nach Anerkennung wohl für die meisten irgendwann einmal zum Problem wird und zwangsweise in die Krise führt. Wenn der eigene Anspruch dahin geht, ein Meister des Faches Fotografie zu werden, setzt man sich unweigerlich einem hohen Druck aus. Anfangs meint man noch, das kann man kompensieren mit immer besseren und teureren Kameraausrüstungen, irgendwann scheitert man jedoch, an seinem eigenen Unvermögen gepaart mit Kreativlosigkeit. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Große Fotokunst entsteht für mich immer durch ein Höchstmaß an Kreativität, und dabei bin ich mir durchaus bewußt, das dies genau den Unterschied ausmacht zwischen mir und der großen Fotokunst.
    Heute versuche ich , für mich gute Fotos zu machen, egal was die anderen denken und das dies meilenweit von großer Fotokunst entfernt ist, ist mir mittlerweile klar. Ich fotografiere, einfach weil es mir Spaß macht. Auf Flickr “ likes“ zu verteilen mag ich trotzdem, so habe ich mir meine persönliche Favoritenliste zusammengeklickt die wohl jeden noch so guten Bildband in den Schatten stellt. Und überhaupt, wer weiß was das Leben noch so mit sich bringt. Vielleicht sagt man, wie bei so vielen „Alten Meistern“ einmal in zweihundert Jahren, Mensch die alten Bilder von Martin , wie die damals so in Karlsruhe gelebt haben sind Klasse, das kostet jetzt 1000 000.

    • Gebe dir vollkommen recht, wobei ich mir mit zunehmender „Fachkenntnis“ inzwischen auch oft auch die Frage stelle, wo bei den großen Meistern die Kreativität ist, denn im Grunde hat man ja alles schonmal irgendwo gesehen und selten erfindet ja jemand das Rad neu.

  13. Ein großartiger Artikel, der mir direkt aus der Seele spricht. Nur hat es bei mir leider noch nicht „Klick“ gemacht. :-)

    Danke sehr für die offenen Worte und den Stoff zum Nachdenken!

  14. chapeau!
    ich bin komplett und zu 100% bei dir. ich kann jede phase, durch die du gegangen bist, absolut nachvollziehen und habe das selbst so erlebt.
    der weg zu dieser erkenntnis ist steinig, mitunter schmerzvoll aber am ende eine totale befreiung. wahnsinn, wie man sich selbst verrückt machen kann und am ende den spaß verliert an dem, was doch eigentlich spaß machen soll.
    let it flow … opinions? my ass!!!

  15. klingt super. ist es aber leider nicht ganz.
    ich stimme dir in allen punkten zu. nur in der konsequenz liegst du falsch.

    eigentlich ist es sogar verlogen. es ist wie bei den millionären, die den anderen erzählen, dass geld keine rolle spielt. aber wenn du nicht weißt, wie du die rechnungen der letzten monate bezahlen sollst und dein vermieter dir mit dem rauswurf droht, dann spielt geld sehr wohl eine rolle.

    „mir ist egal, was andere über meine fotos denken.“ ist leicht gesagt, wenn man tausende fans hat. da kann man große reden schwingen, wie egal einem alles ist -> „bullshit“
    wenn du für deine fotos nur gedisst wirst und kein schwein sich dafür interessiert, dann hat das einen einfluss! da machst du nicht einfach so dein ding und kümmerst dich nicht drum. dann zweifelst du nur noch. und zwar auf einem anderen niveau, als wenn man mit zig-tausenden fans im rücken zweifelt. dann zweifelst du existenziell [als fotograf].

    vielleicht würde ich es anders formulieren als du: man kann sich nicht nur nach den anderen richten, sondern muss in erster linie seinen eigenen ansprüchen gerecht werden.
    da fotografie immer einen betrachter braucht, ist es aber nicht egal, ob deine fotos nur bei dir ankommen. weil dann wärst du wie ein prediger in der wüste – ohne publikum, der sich selbst gern zuhört …

    • Hier muss man aber differenzieren zwischen dem Fotografen, der damit seine Brötchen verdient, und dem Hobbyfotografen (wobei das in keinster Weise abwertend ist).
      Natürlich kann ein selbstst. Fotograf nicht darauf scheißen, was seine Kunden wollen. Allerdings habe ich diesen Artikel so verstanden, dass er sich mehr auf die „freien“ Fotografen, die es als Hobby betreiben, bezieht.

      Fotografie hat doch immer einen Betrachter – mindestens den Fotografen selbst. Und dann lieber 10 aufrichtige Betrachter als 10.000, die im Vorbeigehen auf „Like“ drücken.

      • erstmal macht er die differenzierung zwischen unterschiedlichen fotografentypen nicht.
        und dann sagst du, dass 10 schon ausreicht. er sagt, es ist völlig egal und es interessiert nur, dass es ihm gefällt. ihm wäre es angeblich egal, wenn seine fotos niemandem gefallen. nicht 10, nein – NIEMANDEM. also 0.

        das ist verlogen oder zumindest realitätsfern. mit dieser luschen-einstellung tut man sich selber keinen gefallen und auch der gesellschaft nicht. einige der kommentatoren hier haben z.b. ausstellungen hängen und meinen dann hier, dass es ihnen völlig egal wäre, wie andere darauf reagieren – es müsse nur ihnen selbst gefallen. das ist „bullshit“

        und noch zur ergänzung:
        das gegenteil zu einem hype ist nicht der gegenteilige hype. also wenn alle dem millionsten like nachjagen und man sich dann hinstellt und das genaue gegenteil macht und das 0-like zum neuen hype macht, ist es nur die andere seite der medallie. das gegenteil zu einem hype ist: sich normal zu verhalten.
        in diesem falle: statt mich dem perfektionsdruck und dem wunsch allen zu gefallen komplett zu verweigern einfach einen gesunden hohen anspruch an sich stellen und darauf achten, dass man die „richtigen leute“ mit seiner arbeit anspricht. die, die einem wichtig sind. das gegenteil von druck ist nicht gegendruck, sondern gelassenheit.

  16. Also, ich habe lange überlegt, ob ich diesen Kommentar veröffentliche oder nicht.

    Wenn ich deinen Artikel lese und mal nicht auf die konkret benannten Inhalte achte, sondern darauf, was in diesem Text an Emotionen mitschwingt, dann nehme ich Folgendes wahr: Verletzung, Enttäuschung, Trotz und auch Wut. Und Ohnmacht.

    Aus der Tatsache, das es nicht zum ersten Mal ist, dass du über dieses Thema schreibst und wie du deine Worte wählst, leite ich ab, dass dich das Thema noch immer sehr beschäftigt und dass du damit noch immer kämpfst.

    Ich habe mit einem ähnlichen Thema gekämpft – nicht in Bezug auf Fotografie sondern im Bereich Musik.

    Ich habe für mich irgendwann erkannt, dass die Ursachen hinter diesem selbst erzeugten Druck viel viel tiefer liegen. Ich nenne mal Beispiele möglicher Ursachen, ohne die tatsächlich unterstellen zu wollen:
    Deine Eltern haben dich nicht geliebt, waren nicht für dich da, haben dich eventuell geschieden.
    Du hast vielleicht im Schatten eines Geschwister-Kindes gestanden, deine Leistungen waren nie gut genug, hat als Kind keine Anerkennung bekommen, oder oder oder…

    Worauf ich hinaus will: Die Reaktion, wie du deine Einstellung zum Fotografieren ändern willst, ist verständlich. Was du hier jedoch angehst, könnten möglicherweise jedoch nur die Symptome eines oder mehrerer tieferliegenden Ursachen sein. Ich hab den gleichen Kampf über Jahre gekämpft und hab ihn viele Male aufgegeben.

    Erst als ich den Mut aufbrachte, mir einzugestehen, wo das eigentliche Thema liegt (hat Eier gekostet) und dies dann auch angegangen (hat noch viel mehr Eier gekostet), hat sich in meinem Leben etwas nachhaltig verändert.

    Ich wünsche dir, dass du das Thema für dich löst!

  17. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und der Wunsch nach Anerkennung dürfte wohl in den meisten vorhanden sein. Bis zu einem gewissen Grad sehe ich das auch als positiv an, kann es doch eine Triebfeder sein sich selbst zu verbessern.

    Ich bin eher zufällig über die Fotografie gestolpert und habe mich anfänglich gefragt warum das eine Foto umjubelt wurde während andere (auch die eigenen) im großen Teich des Desinteresses vor sich hin dümpelten. Mein Fehler war dann, auf Leute zu hören die einem mit nahezu missionarischem Eifer erzählen wollten was man zu tun und zu lassen hat… mach das so und so, die Technik ist trendy und die nicht… sei kreativ *ächz*

    Eigentlich muss man nur zu der sehr einfachen Erkenntnis kommen das die eigenen Fotos andere nicht interessieren und es auch nie werden …und das auch nicht müssen. Wenn man das verinnerlicht hat ist man quasi automatisch tiefenenspannt und es wird wieder das was es in den meisten Fällen auch ist, ein Hobby. In gewissem Maße bin ich immer noch Ehrgeizig und möchte „besser“ werden, der Fokus ist aber ein anderer.

    ..ach ja, für mich ist ein Foto dann gut wenn ich es mir einrahme und an die Wand hänge, schlussendlich zählt nur das was einem selbst gefällt.

  18. Blogartikel dazu: Likes my ass. | SA Photograph-Y | Blog

  19. In dem Drucktopf war ich auch gerade, nachdem ich mich durch viele, viele Foren und Bücher und Plattformen durchgeklickt und gelesen, das Equipment aufgerüstet habe……….Martin Gommel spricht mir da sehr aus der Seele. Mein Hilfsmittel und Ausstieg bzw Wiedereinstieg war Runterschalten, Pause machen, Malen, ganz viel Malen und Zeichnen, mit Klickklack knipsen und einfach neugierig sein, so wie es mal bei mir angefangen hat. Wie schön ist es jetzt an einem nebligen Morgen sich einfach mit der Kamera treiben zu lassen……
    in diesem Sinne Danke für die offenen Worte

  20. Daumen hoch, lieber Martin, kann ich voll verstehen!!

    Meine persönliche Schutzmauer vor dem Loch schaut so aus, dass ich quasi keine Fotos bei FB poste, keine Flickr- oder 500px- oder sonstwie-Seite habe, sondern einfach nur eine kleine Portfolio-Page ohne Kommentarfunktion, darüber hinaus gedruckte Fotos hier zu Hause zum ansehen, an-die-Wand-pinnen und ab und an mal zeigen.

    Jeder muss da seinen Weg finden. Meiner ist: First of all mache ich die Bilder für mich, ab und an als Geschenk für Familie, Freunde und Bekannte. Mir gefällt es, und basta! :)

    Dir weiterhin viel Spaß beim Fotografieren und beim Sichten Deiner Bilder!
    Geiles Gefühl, oder? ;)

  21. An dieser Stelle möchte ich mich für Euer Feedback bedanken. Es freut mich, dass sich manche Leute mit meinen doch sehr persönlichen Gedanken identifizieren können. Dass dies nicht alle tun, ist völlig in Ordnung – deshalb schreibe ich ja von mir.

    Jedenfalls finde ich, nachdem ich den Artikel publiziert habe das Thema „Disziplin“ durchaus spannend und denke darüber nach, diesem Terminus und seinen Konnotationen etwas auf den Grund zu gehen bzw. meine Fragen dazu auszuformulieren.

    Weiter spannend ist die hier von Einzelnen angesprochene Thematik des Feedbacks im Web und der Gewichtung dessen. Viele gute Themen!

    Nunja. Ich wünsche Euch jedenfalls ein angenehmes Wochenende und „gut Licht”. ;-)

  22. Ich glaube fast durch dieses tiefe Tief müssen alle Fotografen durch, es ist schwer sich dem Sog zu entziehen der da in Form von Foto-Streams und Social-Media-Timelines durch Internet strömt – …und dann trifft man ne Entscheidung, und am Ende laufe auch ich genau so durch die Welt: Es ist MEIn Ding, meine Sicht, mein Gefühl, mein Bild… ich mach was ich will, wie ich es will, und wann ich will… was andere darüber denken ist mir nicht immer egal… aber ich nehme es nicht persönlich. Wer will kann sich zum Teufel sharen, mir ist das Wurscht… wer meine Arbeiten missachtet ist selber schuld :-P …ich sehe mich nicht als Unterhalter der Massen, und beuge mich nicht dem Zwang der Selbstvermarktung, und so verwaist mein FB Konto allmählich… ich gehe dann mal lieber Fotos machen.

    Schickes Wochenende für euch – Carsten

    http://www.glimpse-of-life.de/2013/04/25/fotografie-zwischen-share-like/

  23. Unterschreibe ich zum überwiegenden Teil vor allem

    4. Wenn meine Fotos nicht gemocht werden, ist das nicht mein Problem.
    5. Disziplin my ass.
    6. Perfektion my ass.
    7. Likes
    8. My
    9. Ass.
    10. Ich glaube niemandem, der mir ungefragt meine Fotos „zerreißt“.

    Nummer fünf wird dann relevant, wenn man von der Fotografie lebt – und eine Familie oder ein Team davon abhängt.

    Guido Karp „Starfotograf“ ;-)

    • Ich denke auch als hauptberuflicher Fotograf unterliegt man dem Druck möglichst vielen gefallen zu müssen. Da gibt es diesen direkten Zusammenhang mit dem Umsatz. Das dann die Gefahr besteht die künstlerische Freiheit zu verlieren liegt auf der Hand. Die Gefahr ist groß dem Mainstream anheim zu fallen. Der Wünsch des Kunden steht im Vordergrund und nicht der eigene. Für Experimente ist wenig Platz wenn die Terminbücher voll sind. Die Kunst ist dann eher das zu lieben und darin langfristig auf zu gehen., oder den Spagat zu schaffen bzw. die Energie aufzubringen sich parallel „künstlerisch“ weiter zu entwickeln. Was aber von Kunden oft nicht gern gesehen wird. Schließlich wird man ja (im besten Fall) wegen seiner ganz individuellen Handschrift gebucht. Das Business hat aber auch tolle Facetten :-)

  24. Ich danke Dir für diese Worte und glaube, das jeder (Hobby-)Photograph irgendwann mal genau an diesen Punkt kommt. Ich kann mich noch so gut an den Tag erinnern, als ich mir, nach ewig langem überlegen, meine Canon Eos 7d gekauft habe….mit Kit-Optik. Und wie stolz ich war, als ich sie dann zu Hause das erste Mal „richtig“ in der Hand hatte und alles und jeden photographiert habe. Mann, wie nervig muß das für meine Familie, meinen Hund, ja sogar für den Baum im Garten gewesen sein – und wie verdammt stolz ich auf (beinahe) jedes Foto war !! …und dann, nach neuen Optiken, gelesenen Büchern, ersten Ausflügen, gesteckten Zielen die Ernüchterung: Alles Scheiße, was ich da mache….nichts Neues dabei, alles schon 1.000 mal von Anderen viel besser gemacht. Wozu der ganze Aufwand, warum tu ich mir das an, so viel Zeit und Geld für nichts….
    Da wieder rauszukommen ist wahrlich nicht einfach.
    Die Voraussetzungen sind da, es liegt weder am Gerät noch an der Bereitschaft – aber je mehr ich mache, desto mehr Fehler sehe ich, desto weniger Spaß macht es.
    Aber damit ist Schluß – und du hast vollkommen recht: Scheiß auf die „Likes“ und die „Fav´s“ – mir muß es gefallen, ich möchte Spaß an der Sache haben. Es ist ein Hobby, ein wunderschönes, und es sollen Momente festgehalten werden, die einen an etwas erinnern. Und ob das Foto dann bis ins letzte Detail perfekt ist oder nicht – who cares ?? Wichtig ist, was in diesem Moment passiert ist, und das soll einfach nur „schön“ sein….

  25. Absolut die richtigen Worte! Mehr muss man eigentlich nicht sagen, vielleicht noch eines. Solange ein Bild nur einer Person gefällt, hat man doch schon gewonnen! ;-)

    Sehe ich genauso und auch meine Bilder sind nicht perfekt aber für alles gibt es Menschen denen es gefällt!

    Klasse!!!

    Und danke für diesen grandiosen Text!
    Martin

  26. Selten so einen guten und unterhaltsamen Text zu dem Thema gelesen. Den sollte man sich ausdrucken und in golden Lettern über den Schreibtisch hängen als ständige Erinnerung um nicht wieder dem Diktat der Öffentlichen Meinung zu verfallen. :)

  27. Ein gutes Foto muss erst mal gar nichts, außer dem Betrachter dazu bewegen es anzusehen. Dabei ist es völlig belanglos wie groß oder klein denn nun die Geschichte ist, welche genau dieses Foto erzählen will, muss, soll, kann. Zwänge haben für mich in der Fotografie keinen Platz, und mir scheint viele Menschen hinter einer Kamera haben diese Zwänge. Wenn du also der Meinung bist, das genau dein Foto eine Geschichte erzählen muss, dann hast du bereits deinen ersten selbst auferlegten Zwang. Es ist und bleibt wie es ist. Der Kreis schließt sich immer wieder. Es kann nur dein eigenes Foto an deiner eigenen Wand hängen. Nicht das ´beste´. Denn nur dein eigenes Foto ist für dich das ´beste´. Denn du hast es gemacht.

    Aus diesem Grund geht Fotografie nur, wenn ich davon nicht leben muss. Das ist für mich ganz klar.

    Schaut euch doch nur mal diesem Facebook-Zirkus an. Genau die Art von Netz, die keiner wollte, aber nun alle haben. Sehr langweilig, oder? Aber es geht wie immer ums Geld, und nur um das. Netz 2.0 soll das sein? Das Internet bietet mehr als dieses Kindergarten-Interne´tt´ via Facebook. Geschäftsbeschleunigung via Facebook könnte man dazu meinen. Genau das, was der Fotobegeisterte ja eigentlich gar nicht benötigt.

    Anscheinend vergessen viele Hobbyfotografen die Form von Luxus die man doch hat. Eben genau das zu machen was man möchte. Wie man es möchte und vor allem wann man es möchte. Ohne einen Kunden im Genick der mit zeigendem Finger auf der Uhr seine Ideen haben will.

    Wenn man allerdings seinen eigenen Anspruch quasi weg wirft, verwässern dann aber auch deine eigenen Fotos, das sollte klar sein. Denn schließlich gilt weiterhin …

    “ Die erste Tugend eines Bildes ist es, ein Fest für das Auge zu sein. “

    Nimm dein Foto-Leben nicht zu ernst … :)

    Gruß Martin

  28. Sehr geil geschrieben und nachvollziehbar!
    Vor allen Dingen aber sehr ehrlich geschrieben!
    Ich hoffe viele viele Fotografen lesen das!

    Ich mag es auch wenn Leute meine Bilder liken, aber ich stelle nur Bilder online, die MIR gefallen. Natürlich ist man enttäuscht, wenn das Bild nicht die gewünschte Aufmerksamkeit erhält, da sind alle gleich, da kann sich keiner von freisprechen! Aber ich habe da einen Trick! Ich sage dann zu mir: „Ich fotografiere eben nicht für den Mainstream“
    Und ich fotografiere nur wenn ich richtig Bock drauf habe, genau so ist es mit der Bildbearbeitung.
    Gott sei Dank muss ich nicht von der Fotografie leben, sodass ich mir das erlauben kann.

    Und wenn ich mal 1.000.000 Likes habe dann kaufe ich mir davon …..ääähhmm was kann ich mir dafür nochmal kaufen?

    In diesem Sinne, danke für den tollen Artikel!

  29. Blogartikel dazu: [Von Lücken, Löchern und anderen Mythen] Dallmayr ohne Kaffee | Stefan Senf – Motivprogramm

  30. *unterschreib*
    solch ein loch hatte ich auch. inzwischen habe ich das glück, dass ich es auch zur „scheiss auf andere, mir muss es gefallen“-einstellung geschafft habe. und die gibt es an keinem kamera-programmknöpfchen, nur in jedem selbst.

  31. Sehr schön!
    Es leben die 10 Gebote!
    (ich beziehe den Artikel auch nicht auf die kommerzielle Fotografie, bei dem es ja weniger um künstlerischen Ausdruck als um Kundenwunsch befriedigen geht).
    Also: Likez my Azz, wie die Amis mit halb heruntergelassenen Hosen sagen würden.
    Gruß,
    Micha.

  32. Ich komme wohl von einem anderen Stern, wenn ich seit bald 8 Jahren fotografiere und nie derartige Tiefpunkte hatte. Ich war mal mehr oder weniger aktiv, aber hatte immer Spaß an der Fotografie! Vielleicht darf ein Hobby auch einfach Freude machen…

  33. Du kannst Dir gar nicht vorstellen wie 1:1 Du mir gerade aus dem Herzen sprichst. IN GENAU DIESER PHASE habe ich mich befunden und rutsche auch hin und wieder da hinein. Ich bin jetzt 54, bin seit 1983 professioneller Fotograf, habe bei Zeitungen gearbeitet, ab 1998 freiberuflich. Habe von Kleinbild über Mittelformat bis zu Linhof und Sinar alles gehabt um immer perfektere Bilder zu machen. Seit FB und Google+ wurde das ganz schlimm mit mir und vor ein paar Wochen war es aus. Hatte die Schnauze voll und musste doch immer wieder raus. Dann eine Woche Auszeit, kein Rechner, kein Internet, keine Kamera nur jeden Tag mein Garten ;) . Habe Erde bewegt, Beete angelegt, gepflanzt, gesät. Gesessen in meinem Paradies und den Bienen und Käfern zugesehen. Tag für Tag entkrampfte sich meine Körper und mein Geist immer mehr. Jetzt habe ich schon wieder neue Ideen, ohne Auftrag, nur von mir aus purer Lust am Thema. Wird vielleicht nur eine Handvoll Leute oder keinen außer mich interessieren was da rauskommt, ist mir egal. Aber ich habe endlich wieder Lust was zu machen :) Will Dir nur sagen, diese Kriese die Dich erwischt hat ist heutzutage fast zwangsläufig, nicht altersabhängig und zu bewältigen. Schwer ja, man muss aufpassen nicht in die alten Gewohnheiten zurückzufallen, aber es ist machbar!
    Wünsche Dir alles Gute, Gesundheit und vor allem Spaß am Bildermachen, denn das ist wirklich geil…
    Gute Grüße Frank

  34. Bin dabei! Habe dieses Wochenende das 3te Mal das Buch vom stilpiraten gelesen. Da gehts ja auch darum: Finde Deinen Weg. Auch wenns sch*** schwierig ist. Du musst Dich selbst mögen. Sonst ist Fotografie lediglich Mittel zum Zweck.

  35. Ach was soll, das Foto ist vielleicht nicht perfekt, vielleicht gar nicht mal gut, aber es war ein verdammt geiles Shooting, ein toller Tag in der Natur oder auch nur ein spannender Moment in dem das Foto entstanden ist, hauptsache es hat Spass gemacht, und es gefällt MIR, wenn es dann auch noch anderen gefällt super, wenn nicht auch nicht schlimm, mir gefällt ja auch nicht alles!!!

    Das wichtigste ist doch Spass und Freude bei dem zu haben was man macht!! Und den hab ich! Alles andere zählt nicht!

    Grüsse
    Mille

  36. Sehr schön. Du sprichts aus meinem Herzen. Dabei und das ist der Witz, sehe ich nur ganz wenige Fotos auf Flickr oder sonst wo, die wirklich originell sind, mich vom Herzen berühren, also was ganz besonderes sind. Die meisten sind technisch perfekter Durchschnitt. Mir fällt nur einer auf Anhieb ein, desen Fotos ganz besonders sind JUNKU NISHIMURA alias JUNKU NUCLEUS. Dieser japanische Fotograf fotografiert mit einer Leica M 5 auf Film und nur auf Schwarz-Weiss.
    Seine Sujets sind Alltagsszenen in Japan, aber beste japanische Tradition. Nicht zu beschreiben. Der schwimmt wirklich gegen den Strom – unberdingt ansehen.
    Wahre Vorbilder sind für mich Robert Frank, Sebastiao Saglado und noch so ein paar andere. Für einen Bezirksligisten (oder Kreisliga) der richtige Ansporn.

  37. Blogartikel dazu: http://kwerfeldein.de/2014/05/24/eine-million-likes/ | Candy Shop

  38. OMG! Selten habe ich etwas gelesen, dass mich so sehr an mich erinnert. Nahezu jedes Wort.
    Allerdings häng ich noch gewaltig in dieser Schleife, die über mich herrscht und mich im Griff hat wie ein Doppelknoten. Der Sog des Selbstzweifels gepaart mit… Egal, muss schnell was auf Facebook posten!

  39. Was für ein toller Artikel. Auch ich habe mich oft viel zu
    sehr unter Druck gesetzt und tue dies noch immer aus Unsicherheit.
    Aber irgendwann habe ich mir auch gesagt: es gibt hier keinen
    Zwang. Niemand verlangt das von Dir. Du hast alle Zeit der Welt um
    a) noch viel mehr über Fotografie zu lernen und b) weiterhin viele
    Fotos zu machen. Es ist ja mein Hobby und nicht mein Beruf. Und
    seitdem sehe ich das Thema etwas lockerer, mache wirklich nur dann
    Fotos, wenn ich Lust dazu habe. Und bewege mich auch nicht viel in
    diesen Plattformen wie Flickr und diversen Foren sondern kaufe mir
    lieber Bildbände. Ich poste auch keine Fotos in Facebook. Denn
    diese Sucht nach Likes kann einem wirklich alles zerstören. Und es
    gibt immer etliche, die besser sind, tollere Bilder machen, mehr
    Anerkennung bekommen, tollere Orte entdecken etc etc. Viele Grüsse,
    Sarah

  40. Wasn? Hat jeder (mehr)mal(s) (,der einigermaßen offen für gute Arbeiten und selbstbetreffend anspruchvoll an das Thema Fotografie herangeht).

    Ich frag mich auch jedes Mal, wie sie alle ihre Arbeiten mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit aus dem Ärmel schütteln. Meist sind es aber diejenigen, die ein Brett nach dem anderen raushauen, die völlig entspannt ihrer „Vision“ folgen, welche ich für mich weder zu finden, noch den Begriff zu verstehen scheine. Nicht denken, machen.

    «I never have taken a picture I’ve intended. They’re always better or worse.» Diane Arbus

    Es fühlt sich nett an wenn viele Menschen dir sagen, wie toll deine Arbeit ist, aber solche Kommentare von Fotografen (Ich schere sie grad alle mal über einen Kamm), deren Arbeiten du in der Pfeife rauchst, sind dir nichts wert, wetten? Und von denen, derer du bewunderst, kannste dir nix „kaufen“.

    Ich selbst habe ein und die selbe Strecke zwei befreundeten Galeristen gezeigt: Der eine hat sie in der Luft zerrissen, der andere mit höchsten Tönen gelobt. Auch Bullshit. Letztendlich musst du dir immer wieder die Frage stellen, ob das, was du dir erhalten oder anderen mit deinen Bildern mitteilen möchtest, auch in eben denselben zu finden ist. Wenn du das siehst, bist du auf dem richtigen Weg, wenn’s dir selbst in den Bildern fehlt, such nach den Details, die dir fehlen und achte künftig darauf.

  41. Es ist faszinierend deine fotografische Entwicklung zu erfolgen. Und das geht auch ganz gut, weil du ja auf Kwerfeldein in regelmäßigen Abständen über deine Beweggründe schreibst. Aber DIESER Beitrag hat’s so dick in sich, der wirkt wie ein Befreiungsschlag. Text und Bild ergänzen sich so hervorragend und sprechen in genau dem selben Ton – fast so, als ob du alle Bilder der letzten Monate nur für diesen Beitrag gemacht hättest.

    Den Maßstab „Perfekt“ hab ich vor kurzem ebenfalls abgehakt. Seitdem fällt es mir sehr viel leichter neue Fotos zu veröffentlichen.

  42. Blogartikel dazu: Gedanken zur Veröffentlichung von Fotos in Social Media › kwerfeldein - Fotografie Magazin | Fotocommunity

  43. Da ist schon viel Wahrheit in dem Beitrag. Ich glaube auch, dass es der Tod für die Fotografie und die eigene Kreativität sein kann, wenn nur noch die „likes“ für ein Foto im Vordergrund stehen. Was allen gefällt, eckt nicht an, ist fad und, meines ERachtens, oft irgendwie sch***** .

    Ich mag diese Art der Selbstinszenierung auch nicht (mehr), hasse hyperscharfe und bis zu einer völlig irrealen Plastizität bildbearbeitete Wunderbilder der allgemeinen Gefälligkeit und lasse das für mich selber auch lieber bleiben. Zerreiße auch nicht Bilder anderer Leute sondern sage halt nichts, wenn ich keinen Zugang dazu finde.

    Wenn man davon ausgeht, dass im Wesentlichen ohnedies alles von Belang ausreichend oft und auch ausreichend gut abgelichtet wurde, und diese Annahme wird meist zutreffend sein, dann bleibt als Hauptgrund überhaupt Fotos zu machen, ja auch eher die eigene Befriedigung im Tun, also dem Akt des Fotografierens selbst. Und das macht mir immens viel Spass.

    Aber ich möchte die verschiedenen Zugange auch nicht werten – jedem sein Plaisier.

  44. Grins… Auch ich kenne das alles!
    Meine Lösung war, back to the roots!
    Entschleunigung….
    Ich legte mir eine analoge Kiev 88 Mittelformat zu… ohne jede Vorahnung…
    Naja in der Schulzeit hab ich schon mal 1 Foto entwickelt…
    Das ist wie als wenn du mit einem Super- Sportwagen in voller fahrt, plötzlich auf die Klötze gehst.
    Seitdem arbeite ich mehr und mehr analog….
    Und ich komme mir vor wie ein blutiger Anfänger.
    Mittlerweile entwickel ich selber….
    Und bin weit aus glücklicher mit meinen 30 Fotos( die man verwenden kann) die ich bisher gemacht habe als jemals zuvor. Die Digital Jokeys zerreißen sie ganz gerne, zu mal weil ich nur schwarz- weiß fotografiere.
    Ich liebe diese Kommentare: Das rauscht aber ganz schön doll ! ( ich weiß das es das Korn ist aber ich sag es nicht und grinse nur)
    Seitdem geh ich wieder los, ich genieße die Blicke auf der Straße, wenn ich meine riesen Kamera rum schleppe. Ich genieße die Blicke wenn ich den Lichtschachtsucher auf klappe und und ich genieße das Rattern und knacken beim Auslösen. Und ich genieße das nicht kontrollieren können des Fotos… es wird damit der richtige Augenblick… in vielen Fällen so verschwommen wie die Erinnerung.

    Es macht mir einfach wieder Spaß, Fehler zu machen….

    MfG

    Sven Rausch

  45. Ich sehe das ganze in aller Bescheidenheit. Habe ich früher analoge Fotos gemacht und dann auch noch ganz mutig herumgezeigt, kam ich inklusive Freunde und Kollegen auf max. 40 Leutz. Die durchschnittliche Sachkenntnis und Reaktion entsprach erstaunlicherweise in etwa der durchschnittlichen Community (inkl. „schönes Bild“, „ist ja verwischt“ und ernsthaften Diskussionen). 40 Leutz.
    Mache ich heute ein digitales Bild, das ich für gut genug befinde und online stelle, komme ich teilweise in den 300er Bereich an Klicks. Selbst, wenn ich schon semiberühmt wäre und sich irgendein Mäzen mit einer Vernissage meiner annimmt, müsste ich mich für über 300 Hanseln schon ganz schön strecken. Und die Kommentare der Ausstellungstouristen wären vermutlich auch nicht viel tiefgreifender.

    Fotoplattformen wie die FC zum Beispiel oder Flickr sind Inspirationsquelle und Netzwerkbildung. Mehr nicht. Der Rest ist so zufallsabhängig – wieviele Andere laden auch gerade hoch, wieviele Besucher sind gerade in Kommentarlaune, etc. – daß ich da nicht viel darauf gebe.

    Daß ich besser werde, merke ich daran, daß ich mir mittlerweile sogar das eine oder andere Bild von mir an die Wand hänge.
    And that’s it.

    Diana.

  46. Blogartikel dazu: Tschüss Facebook!projectXlevel