Liebeserklärung an eine Tochter
Ich liebe meine Tochter. Und ich liebe die Fotografie. Folglich wurde die Kombination aus beidem zu einer Leidenschaft mit regelrechtem Suchtpotenzial. Seit zwei Jahren arbeite ich, angeregt durch Martina Mettners Buch „Mutterblicke“*, an einem Projekt mit meiner Tochter. Ein Projekt, das mich schon manches gelehrt hat.
Seit jeher begeistern mich Portraitfotos, vor allem ältere, recht nahe Schwarzweiß-Aufnahmen. Mit Vorliebe studiere ich die Ausdrücke eines Gesichtes und das Licht, das die Züge betont. Es ist in gewisser Weise auch meine Art zu fotografieren geworden. Wo immer ich mich auf der Suche nach Motiven befinde, ziehen mich Gesichter magisch an. Somit liegt es auf der Hand, dass ich vor allem meine Tochter portraitiere.
Irgendwie ist es fast schon seltsam, aber ich ertappe mich oft dabei, dass es Ganzkörperaufnahmen eher selten in die engere Auswahl schaffen. Immer wieder sind es ähnliche Ausschnitte, die meine Aufmerksamkeit fesseln.
Dabei gebe ich bewusst weniger internes Familienleben preis, wie Sally Mann es beispielsweise zeigt. Meine Fotos sind selten Momente aus dem Alltag, sondern meist eher geplante Aufnahmen.
Gern arbeite ich mit Zöpfen, die an vergangene Zeiten erinnern, da dies zu beabsichtigten Assoziationen führt. Die Wahl der Location kann sehr unterschiedlich ausfallen.
Bei sehr kaltem und unschönem Wetter gibt es gelegentliche Shootings im Studio, wobei ich dies nur als letzte Option wähle, da es die Bewegungsfreiheit meiner Tochter und meine spontane Kreativität einengt.
Mittlerweile arbeite ich am liebsten mit einer Lichtqualität, wie ich sie bei bedecktem Himmel hinter großen Fensterscheiben oder am Waldrand bzw. im Wald habe. Mir gefallen klare Konturen und schöne Schattenverläufe, was bei zu diffusem Licht so nicht möglich wäre.
Ich habe keine Hemmungen, mit ISO 1600 oder mehr zu arbeiten, gibt es doch den Fotos die altertümliche Anmutung, die sie haben sollen.
Wie schon erwähnt, habe ich eine echte Schwäche für Schwarzweiß-Fotos, weshalb die meisten Aufnahmen auch so gehalten sind, da hierbei der Blick auf das Wesentliche fällt – die Art, wie das Licht das Gesicht umspielt.
Vor Ort greife ich nur gelegentlich ein, lasse meine Tochter spielen und einfach Kind sein. Manchmal drängt sie mich regelrecht zu neuen Versuchen und erstaunt mich mit einer perfekten Umsetzung. Ein andermal kippt die Motivation plötzlich in bodenlose Unlust mit allen dazugehörenden Emotionen, die eine mittlerweile 5-Jährige nur zu bieten hat. Auch das gehört dazu.
Motivation
Noch hat das Projekt keinen Namen. Doch mit jedem Blick durch den Sucher entdecke ich Neues an meiner Tochter, blicke ich tiefer in meine eigene Seele und komme der Wahrheit über mich und meine fotografische Motivation ein Stück näher.
Anfangs war ich hauptsächlich davon angetrieben, schöne Portraits fürs Familienalbum anzufertigen. Natürlich immer fröhlich lächelnd. Nicht, dass dies zu schlechten Ergebnissen geführt hätte, aber es war zu wenig von meiner Tochter und auch von mir – schließlich sind unsere Gene ziemlich ähnlich – darin zu sehen.
Also fing ich an, sie nachdenklich, traurig, frech, trotzig zu fotografieren. Und nicht immer gleich das Handtuch zu werfen, wenn unerwünschte, echte Emotionen sichtbar werden.
Mittlerweile löst nicht mehr jedes Bild die großmütterlichen Begeisterungsstürme aus wie zu Beginn, aber so ist es eben mit der Wahrheit: Sie gefällt nicht jedem. Ich bin der Wahrheit über mich selbst dadurch näher gekommen. Erkenne immer mehr, dass ein Teil von mir eher tiefgründig, sensibel, introvertiert, ja fast schon melancholisch ist.
Meine Tochter zeigt mir viel von mir selbst, ob es mir gefällt oder nicht. In den Fotos kann ich dem eine Gestalt geben, was ich zu sehen beginne und kann lernen, auch Vorteile in Charakterzügen zu sehen, die in unserer westlichen Gesellschaft nicht gerade en vogue sind.
Durch das Fotografieren – oder doch durch meine Tochter? – bin ich weiter gekommen. Davon profitiere ich als Persönlichkeit und als Fotografin bei meinen Auftragsarbeiten. Mich selbst zu kennen ist unerlässlich, will ich den Fotos einen unverwechselbaren Anstrich verleihen.
Ich denke, ich bin auf einem guten Weg, mich mit meinem Hang zur Melancholie, meiner Introversion – die mir bei größeren Aufträgen oft im Weg steht – auszusöhnen und diesen Wesenszügen sanften Ausdruck zu geben. Wohin das Projekt sonst noch führen wird? Ich bin gespannt. Denn manchmal überkommt mich die Sehnsucht, andere an meinen Fotos, Empfindungen und Ansichten teilhaben zu lassen.
Ansichten, die alles andere als objektiv sind – die Blicke einer Mutter eben.
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Eine sehr persönliche Serie mit persönlichem Hintergrund. Die Nähe schafft natürlich eine unerschöpfliche Zahl an Gelegenheiten und Motiven.
Ich finde alle Aufnahmen ansprechend und man erkennt das Gespür für Situation und Licht.
Dennoch fehlt mir selbstverständlich die Verbundenheit, jedes einzelne Bild zu bewundern.
ich finde es aber immer wieder aufregend, wie die Konzentration auf eine fotografische „Aufgabe“ den Fotografen selbst reflektieren kann.
für mich gibt es nur einen namen für das projekt: den namen deiner tochter.
Schöne Fotos. Solides Handwerk, jedoch künstlerisch nicht außergewöhnlich. Qualitativ das, was ein durchschnittlich „peoplefotografierender“ Hobbyfotograf von den Kindern aus dem engeren Verwandten- oder Bekanntenkreis nach und nach erstellt. Um darüber hinaus zu kommen fehlt ein roter Faden oder eben etwas, das die Portraits zu mehr macht als „nur“ gute Fotos eines heranwachsenden Kindes.
Das soll nicht zu negativ klingen. Denn tatsächlich musste ich feststellen, dass es auch unglaublich viele handwerklich schlechte Kinderfotos gibt; offenbar speichern viele Eltern jeden noch so großen Knipsmüll, der ihren Nachwuchs abbildet, selbstkritiklos ab.
Da muss ich ein wenig dagegen halten. Ich habe schon von „peoplefotografierenden“ Profifotografen sehr viel schlechteres gesehen, und dieser Satz soll nicht heißen, dass mir die Fotos nicht gefallen, sie gefallen mir sogar sehr gut.
Es muss ja auch nicht alles was hier gezeigt wird hoch künstlerisch sein.
Und ich persönlich finde, es muss auch nicht alles immer einen roten Faden haben, um aus Portraits oder anderen Fotos mehr zu machen.
Ich sehne mich zwar auch öfter nach einem roten Faden, vor allem was meine eigenen „Kunstwerke“ betrifft, das ist aber mehr so ein persönliches Ding.
Und was die unglaublich handwerklich schlechten Kinderfotos angeht…natürlich speichern Eltern jeden noch so großen Knipsmüll ab, und natürlich auch völlig selbstkritiklos…denn die Fotos, die sie von Ihren Kindern gemacht haben sind so einzigartig wie jeder Moment unseres leider viel zu schnell vergehenden Lebens. Auch wenn es vielleicht keine hochwertigen Kunstwerke sind. Dafür sind aber die darauf abgebildeten Wesen die schönsten Kunstwerke, die es gibt.
„denn die Fotos, die sie von Ihren Kindern gemacht haben sind so einzigartig wie jeder Moment unseres leider viel zu schnell vergehenden Lebens. “
Das mag ja stimmen, mündet jedoch in einer (später) unüberschaubaren Bilderflut, in der man kaum noch die „echten Highlights“ finden kann. Setz Dich in 20 Jahren mal hin mit einer 1 TB HDD voll mit Kinderfotos. Und wenn die Tochter mal 1 TB Kinderfotos erbt, landet die Platte bestenfalls im Schrank. Da ist ein Album oder eine Auswahl von 100 tatsächlich einzigartigen Bildern der mittlerweile 20jährigen Tochter etwas ganz anderes.
Beim Thema Bilderflut fällt mir immer der „Filmer“ Thiery aus der Doku „Exit through the gift shop“ ein. Der hat auch versucht jeden Moment festzuhalten. Und im digitalen Zeitalter ist die Gefahr unselektiv alles aufzubewahren noch größer, es macht eine spätere Betrachtung jedoch noch schwieriger.
Ich sehe das etwas differenzierter, wenngleich auch ich ein klein wenig Kritik anbringen möchte. Aber aus einem anderen Grund als mein Vorredner.
Das Titelbild finde ich echt stark. Großes Kino und großes Kompliment dafür!
Der Großteil der anderen Fotos lässt mich ein wenig kritisch auf mich selber blicken. Sie erinnern mich – insbesondere was die Zeichnung der Haut angeht – daran, wenn ich in Silver Efex Pro nachträglich mal wieder zu viel an den Kontrastreglern gedreht habe.
Das ist aber nur meine bescheidene Meinung…
Die Fotos entsprechen sicher dem, was „man“ zeitgeistgemäß unter „schön“ versteht. Mich verstört, dass ich mich so stark an die Kindheitsfotos meiner Mutter erinnert fühle. Und die ist 1941 geboren. Es wird inszeniert, mit Zöpfen gearbeitet. Ja und dieses Inszenieren ist sichtbar. Und im Gegensatz zu Sally Mann fehlt mir hier die emotionale, beobachtende und entdeckende Komponente, die zu herausragenden Bildern führte.
Mein Kommentar kommt irgendwie negativ rüber, daher noch eine Ergänzung: „Verschreckt“ ist natürlich ein Kompliment, denn den Look hast du großartig hinbekommen. Ich würde gern in die Zukunft schauen, um zu sehen, was für Bilder du von ihr machst, wenn sie später ihren eigenen Style hat ;-)
Ich finde die Bilder sehr ansprechend inszeniert. Und das ist gleichzeitig auch das, was mich ein wenig irritiert. Es wirkt auch in der textlichen Beschreibung teilweise so auf mich, als wäre das Mädchen ein „Gegenstand“, der inszeniert wird und Impulsgeberin für ständige fotografische Selbstreflexion ist. Das finde ich schon eine ganz schöne Herausforderung für ein Kind, dieser Rolle gerecht zu werden. Ich vermisse eine gewisse kindliche Leichtigkeit in den Bildern.
Hallo, habe gerade diesen Beitrag noch einmal gelesen, weil aktuell gefunden. Ich bin Portraitfotografin und Oma und ich möchte Dir sagen: Lass Dich nicht beeinflussen davon, dass die Großmutter nicht begeistert ist von Deinen Portraits – sie hat schlicht keine Ahnung!
und nun interessiert mich deine Entwicklung seit 2014 – mal sehen ob ich was finde ….