Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Es war ziemlich heiß, den ganzen Tag über, und jetzt auf dem Meer gen Abend endlich kühler, sogar schon kühl genug, um ins Fleece zu schlüpfen. Über dem Schiff tauchen die ersten Sterne auf, je mehr Zeit vergeht, desto düsterer werden Wasser und Himmel und umso funkelnder die Lichter der Insel in der Ferne.
Durch die rostigen Stufen hindurch sehe ich die meist weißen Autos im Bauch der Fähre schaukeln. Die Vorhersage, dass beim Verreisen mit Großformatkamera sowieso gleich ein Koffer voll sei, habe ich zunächst nicht glauben wollen, bis es zum Packtag kam und dann, zusammen mit digitalem Equipment und Zubehör, mein Handgepäck von zwölf Kilogramm ausgefüllt war.
Die Linhof wiegt auf ihrer Stange nur etwa so viel wie eine Mamiya Rb67, also um die drei Kilogramm, aber mit Tuch, den Kassetten, fünf an der Zahl, dem Film, einem Puster, Wasserwaage, Putztuch, Wechselsack und Drahtauslöser addiert sich so einiges an Gewicht auf. Was noch auf die zwölf Kilogramm fehlte, habe ich dann mit einer 5D mit 50mm und 100mm aufgefüllt.
Ich war nun zum dritten Mal im Oman, konnte mir also genug Gedanken machen, was ich abbilden möchte bzw. was ich da überhaupt sehe. Es war unkompliziert, die Kamera mitzunehmen, auf der Hinreise musste ich sie nicht auspacken. Vor Ort hatten wir ein Auto gemietet, also ideale Bedingungen für Großformat.
Die Berge und die Weite im Oman machen mich staunen. Das Format 13x18cm sollte genau das richtige sein, um sie abzubilden. Während ich mit einem Mal all die Farben wirklich sah, an die ich mich von meinen vorherigen Bildern nur noch traumartig erinnert hatte, verloren wir uns zwischen grauem Staub und Steinen, zwischen rotem Sand und Geröll.
Die Kamera war schnell auf- und abgebaut. Schwieriger, viel schwieriger war es, den wirklich richtigen Punkt für eine Aufnahme zu finden. Auch, weil das Gelände schwer zugänglich ist. Während ich einige Bilder bereits im Kopf hatte, überkamen mich während der Reise Zweifel, zu wenige Bilder gemacht zu haben und Unglaube, dass ich das, was ich abbilden wollte, schon in der silbernen Schachtel hatte.
Die Filme habe ich immer nachts gewechselt, im Zelt, im Wechselsack. Fünf Kassetten hatte ich dabei, das war auch am besten Tag genug. Die Hitze der Tage machte es unmöglich, sich während des Bildermachens zu enthusiastisch zu gebärden, allerdings war ich jeden Abend voller Vorfreude, wenn ich ein oder zwei Blatt Film mehr in meine selbst gebaute, lichtdichte Aufbewahrungsdose gelegt hatte.
In einem Fall haben wir uns entschlossen, die Kamera mit in einen Wadi zu nehmen, zum Glück hat B. die meiste Zeit den Koffer getragen. Hier hatte ich die Kamera aufgebaut, um ein Bild von mir zu machen, beziehungsweise machen zu lassen, und obwohl wir an einem schwer zugänglichen Ort waren, kam eine Gruppe Saudis vorbei, die tatsächlich an der Kamera interessiert war.
Da ich zunächst noch auf irgendeinem Felsbrocken klettern war, hörte ich amüsiert zu, wie der Liebste den Jungs das erklärte, was ich ihm wiederum Minuten zuvor erklärt hatte, damit er das Bild machen könne und stelle mich dann dazu: Hier Blende und Belichtung einstellen, da drunter schlüpfen, um Bild und Schärfe einzustellen, da dann die Filmkassette einschieben und dann auslösen. Und dass die Kamera etwa 40 Jahre alt sei.
Eines Mittags, am Ende einer Ebene, nach einem kurvenreichen, langen Aufstieg durch leeres Land, durch frisch gesprengten Fels und rotbraunes Geröll, eröffnete sich vor uns plötzlich eine Weite, in der ich Berge sah, wie ich sie bisher nur gezeichnet kannte. Ich stellte die Linhof auf eine Anhöhe und kroch unters Tuch. Ein Auto schlich langsam hinter uns vorbei, daraus schauten drei Paar misstrauische Augen.
Die Fotos von diesem Tag sind, als einzige, auf mir nicht erklärbare Weise ins Licht gekommen; so bleiben sie denn nur in meinem Kopf. Zurück in Berlin habe ich die Negative bei Fotoimpex entwickeln lassen. Auf dem Stapel war dann vermerkt, dass ich den Belichtungsmesser checken sollte, weil die Bilder alle unterbelichtet seien. Zuvor hatte ich keine Probleme mit dem Belichtungsmesser gehabt. Vielleicht war mein f/45-Projekt nicht die beste Idee.
Ich habe einige wenige perfekt belichtete Fotos und viele, die leider nur ein recht dünnes Negativ abgeben. Noch habe ich keine exzessive Dunkelkammerarbeit betreiben können, um zu sehen, was sich rausholen lässt. Die digitalen Scans lassen mich in Details verlieren und durch graue Riesengebirge tauchen. Ich glaube, dass meine Idee, die Größe dessen, was ich im Oman sehen kann, mit einem umso größeren Negativ besser darstellen zu können, nicht aufgegangen ist.
Zumindest nicht, wenn ich in meinen bisherigen Maßen denke, mit denen ich Bilder im Internet oder meinem Vergrößerer erzeuge und betrachte. Es ist vorstellbar, dass das Ausmaß dessen, was zu sehen ist, sich auf Abzügen ab einer Größe von A2 erschließt. Vielleicht hat der außerordentlich hell strahlende Himmel das Ergebnis der Belichtungsmessung verfälscht. Vielleicht ist aber auch einfach der Größe des Negativs wegen viel mehr Detailarbeit nötig, die sich auch bereits jetzt bei den Scans sichtbar auszahlt.
Mit den Bildern bin ich eigentlich nur in zwei Fällen zufrieden. Bei manchen mag ich Details. Ich stelle die Bilder also nicht rein unter der Idee zu dem Artikel, weil ich sie top gelungen finde, sondern um zu zeigen, was (mir) möglich war und um zu bebildern, wie es mir damit ergangen ist. Die Kosten halten sich übrigens, sofern man bei schwarzweiß bleibt, in relativen Grenzen.
Adox wird diesen Planfilm nicht weiter produzieren (hier lag man bei einem Euro pro Negativ), dann bleibt Ilford, was dann, soweit ich mich erinnere, 1,50€ pro Negativ bedeutet. Die Entwicklung kostet ab vier Stück 2,26€. Ich weiß nicht so recht, ob ich die Kamera weiterhin für Außenaufnahmen nutzen werde, denn ich denke bei der Motivauswahl bedarf es da mehr Sorgfalt.
Im Innenraum habe ich gute Erfahrungen gemacht mit ihr; auch, was die Belichtung angeht. Da war es dann genau der Großformateffekt, den ich mir vorgestellt hatte und von einer Sinar kannte – wow.