23. Februar 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

15 Minuten Dunkelheit

Ich habe immer schon Abzüge bewundert, auf denen das Abgebildete oder die Abgebildeten wirken, als wären sie einer anderen Zeit entsprungen. Nun hatte mir kürzlich ein Bekannter ein Lith-Schnupperset geschenkt, in dem alles enthalten war, was man für das erste Mal benötigt. Das Set war zwar schon seit sechs Jahren überlagert, aber bevor man so etwas wegwirft, probiert man es aus.

Wer nicht weiß, was das überhaupt ist, hier eine kurze Beschreibung: Beim Lith-Printing wird extra dafür geeignetes Fotopapier (mit hohem Silbergehalt) überbelichtet und anschließend mit einem Lith-Entwickler sehr lange (5-15 Minuten) entwickelt. Je nach Verdünnung des Entwicklers und Verwendung des Photopapiers können die Ergebnisse einen sepia-braunen bis grünen oder roten Ton annehmen.

Als erstes habe ich mir meine Lieblingsnegative rausgesucht. Nicht jedes ist geeignet, wie ich selbst feststellen durfte. Von Vorteil ist es, wenn das Negativ schon richtig belichtet ist, also weder unter- noch überbelichtet ist, obwohl das sicher auch seinen Reiz haben kann. Ich habe mir verschiedene Motive mit unterschiedlichen Lichtstimmungen ausgesucht, um die Vielfalt und Möglichkeiten zu sehen, die dieses Verfahren mit sich bringt.

Aber das Aussuchen ist schwer, denn beim Durchblättern des Negativordners fallen einem so viele Bilder auf, deren Umsetzung man als Lith-Abzug unbedingt sehen möchte. Aber am Ende schafften es nur fünf Negative in die endgültige Auswahl.

Und dann ging es los. Die Dunkelkammer war präpariert, der Entwickler angesetzt im Mischungsverhältnis 1+7 (in diesem Fall der LP Lith von Maco/Labor Partner), ebenso Stoppbad (bei dieser Methode verdammt wichtig, um die Entwicklung aufzuhalten) und der Fixierer (A-300).

Meinen ersten Versuch startete ich mit dem menschenleeren Bild oben. Das Fotopapier (Maco expo RF) wurde 24 Sekunden belichtet. Bei normalen Abzügen belichte ich nur 3-6 Sekunden. Beim Lithverfahren heißt es, dass die normale Zeit hier vervierfacht werden soll. Anschließend habe ich das belichtete Fotopapier in den Entwickler gleiten lassen und die Schale hin und wieder gekippt. Danach begann eine mich zermürbende Zeit.

Während ich immer wieder einmal in die Entwicklerschale schaute, passierte einfach nichts. Also habe ich, um mich abzulenken, Gedichtspassagen von Rimbaud rezitiert, mich als Spezialist und Fachmann von Lith-Print-Verfahren gesehen (diese Wahnvorstellung ist sicher den Chemiedämpfen zuzusprechen) oder mit den Augen gezuckt, um mein Sehvermögen zu testen.

Aber mit dem Verstreichen von endlos langen Minuten schwand auch meine Hoffnung auf ein gutes Bild, denn in dieser verdammten Entwicklerschale passierte überhaupt gar nichts! Ich war schon kurz davor, das zunächst so postiv begonnene Unternehmen abzubrechen.

Vielleicht war der Entwickler ja doch zu alt? Oder ich hatte das Papier falsch herum in den Vergrößerer gelegt oder aber das Papier war schon einmal aus Versehen mit Licht in Berührung gekommen oder ich hatte irgendetwas anderes Grundlegendes vergessen. Ich war schlicht verzweifelt und was sollte ich überhaupt meinem Freund, meiner Mitbewohnerin und allen anderen sagen, denen ich vorher so herzerhellend vom tollen Lith-Print-Verfahren vorgeschwärmt hatte?

Aber dann, nach einer gefühlten halben Stunde (es waren aber wohl nur ungefähr 10 Minuten) war eine leichte Kontur zu sehen. Tatsächlich, das Bild schälte sich heraus. Zunächst langsam und dann immer schneller. Ich konnte kaum abwägen, wann es genug war und zog das Bild schnell heraus, ließ es abtropfen und schob es in die Schale mit dem Stopbad. Ich verschnaufte, freute mich wie blöd, weil da tatsächlich etwas zu sehen war und hob es beruhigt weiter in die Fixiererschale, wo es noch einmal zwei Minuten liegen durfte, bevor ich es wässerte und mir bei Licht genauer betrachtete.

Ich fand das Bild gut und versuchte mich am nächsten Negativ. Ich behielt die Zeiten bei, weil mir die Färbung und die Schwärzen gefielen, dennoch fielen die anderen Bilder immer ein wenig anders aus, denn auch das Kippverhalten während der Entwicklung scheint einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Stärke der Färbung zu haben.

Oben seht Ihr auch einmal einen direkten Vergleich zwischen Lith-Print und einem digitalisierten und ins Positiv umgewandelten Negativ. Und ohne die Bilder beschreiben zu müssen, ist der Zauber und die Faszination, die so ein Verfahren ausüben, ziemlich augenscheinlich.

Dies war jedenfalls mein erster Testlauf fürs Lith-Print-Verfahren. Der zweite Durchlauf wartet schon und ich werde mich das nächte Mal nur für zwei Negative entscheiden und hoffen, den Abzug im richtigen Moment ins Stoppbad zu ziehen.

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