14. November 2011 Lesezeit: ~6 Minuten

Im Gespräch mit Anna Ådén

Anna Ådéns Fotoarbeiten hatten mich sehr schnell davon überzeugt, sie zu interviewen. Denn bei manchen Fotografen weiß ich innerhalb von Sekundenbruchteilen, dass da „mehr“ ist, das ich gern wissen will. Doch bevor es losgeht, ein paar Hintergründe: Anna ist 25 Jahre alt, lebt und arbeitet als selbständige Fotografin in Schweden und hat sich bereiterklärt, ein Interview mit mir zu führen.

Anna, wo liegen Deine fotografischen Wurzeln? Wo und wann kam die erste Kamera in Dein Leben?

Meine fotografischen Wurzeln liegen in meiner Leidenschaft, mir durch meine Kreativität neue Welten zu erschaffen und mich in diesen zu verlieren. Es muss nicht unbedingt Fotografie sein. Ich male auch sehr gern und spiele verschiedene Instrumente. Alle meine Kreationen haben die gleiche Quelle. Ich habe all diese Interessen jedoch nie wirklich weiterentwickelt. Bis ich zur Fotografie gekommen bin.

Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich all meine Ideen und die Dinge, die ich ausdrücken wollte, mit der Fotografie umsetzen konnte. Ich mache das jetzt schon einige Jahre und mein Interesse daran verstärkt sich jeden Tag. Es gibt so viele Möglichkeiten und Chancen, mich selbst als Künstler durch die Fotografie weiterzuentwickeln.

Wie sehr planst Du Deine Fotos und wie viel Platz bleibt Dir für Spontanität?

Meistens habe ich zuerst eine simple Idee. Aber ich versuche mich nicht zu sehr in Planung von Details zu verlieren, um mich auch noch auf die Dinge, die mich beim Fotografieren umgeben, einlassen zu können. Das kann das Sonnenlicht sein, das durch einen Baum scheint oder einfach nur ein Vogel, der am Himmel fliegt. Ich mag Einfachheit mit kleinen Details.

Hast Du Deine Kamera immer bei Dir?

Im Alltag leider zu selten. Ich wünschte, ich könnte mehr alltägliche Dinge um mich herum dokumentieren, aber ich versuche die Kamera so oft bei mir zu haben, wie ich kann. Man weiß nie, welche Gelegenheit man vielleicht verpasst.

Ich vermute, Du arbeitest mit Modellen. Und sind manche Deiner Portraits Selbstportraits?

Ich fotografiere gerne Menschen, die sich genauso für den kreativen Prozess interessieren wie ich und die daran genauso Spaß haben wie ich. Manchmal arbeite ich mit Modellen, aber meistens sind es Freunde oder Familienmitglieder. Momentan arbeite ich an einer Serie mit dem Namen „Autumn Fields“. Eine Serie, bestehend aus Selbstportraits. Aber vorher habe ich mich selbst nur sehr selten fotografiert.

Das klingt interessant. Lebst Du von der Fotografie?

Ich arbeite als Freelancer für einige lokale Zeitungen und mache Portrait-Shootings mit privaten Kunden. Aber meine eigentliche Leidenschaft liegt in der Fine-Art-Fotografie.

Möchtest Du mit Deinen Bildern etwas Besonderes aussagen?

Ich möchte jedes Bild und jede Serie ihre eigene Geschichte erzählen lassen. Manchmal gibt es aber keine spezielle Aussage, nur ein überwältigender Moment, den ich gerne mitteilen möchte. Ein leichter Hang zur Nostalgie und der Wunsch, näher an der Natur zu sein, ist häufig eine Grundaussage meiner Arbeit.

Was würdest Du als die größte Lehre beschreiben, die Du aus der Fotografie in den letzten Jahren gezogen hast?

Wenn ich meine alten Fotos so betrachte, finde ich diese manchmal recht flach und langweilig. Damals habe ich sehr auf die Betrachter der Fotos geachtet. Darauf, was sie schön finden könnten. Mit den Jahren habe ich versucht, nicht in die Schönheits-Falle zu tappen und mehr auf meine eigene Symbolik und meinen eigenen Geschmack geachtet.

Dabei habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich habe gelernt, mich voll auf meine innere, künstlerische Stimme zu verlassen und mich nicht länger gescheut, mich selbst in meinen Bildern zu reflektieren. Außerdem habe ich recht früh bemerkt, dass eine gute Ausrüstung nicht automatisch gute Fotos mit sich bringt. Ich bezeichne meine Kamera gerne als meinen Lieblingspinsel.

Sehr gut. Ich stimme Dir zu, dass eine gute Kamera nicht automatisch gute Fotos macht. Aber manchmal kann sie einem schon helfen, bestimmte Fotos zu machen, die man nicht mit jeder Kamera machen kann. Meine nächste Frage: Was macht ein gutes Fotos aus? Was ist essentiell wichtig, um ein besserer Fotograf zu werden?

Es stimmt schon, dass Dir eine bessere Kamera helfen kann, die Aussage eines Bildes zu verstärken. Eine bessere Kamere gibt einem mehr Möglichkeiten, aber letztlich glaube ich, dass die Aussage und das Gefühl immer wichtiger bleiben wird.

Basierend auf meinen Fotos – speziell denen, die meine eigenen Favoriten geworden sind – glaube ich, dass es wichtig ist, emotional präsent zu sein. Man sollte eine starke Verbindung zu dem Moment spüren. Und es ist nicht verwunderlich, dass dies auch die Fotos sind, die die meiste Resonanz bekommen haben.

Fallen Dir noch weitere wichtige Faktoren ein?

Für mich ist es das Wichtigste. Wenn ich keinen persönlichen, emotionalen Bezug zu dem Motiv habe, selbst wenn es ein technisch perfektes Bild ist, bringt mir das gar nichts. Aber ich denke, es gibt noch zwei weitere wichtige Dinge: Licht und Kompostion. Es ist schwierig, Fotos in einem komplett dunklen Raum zu machen. Licht und Kompostion sind enorm wichtig. Wie alles in einem Bild Bezug zueinander hat, sodass es nicht vom eigentlichen Objekt ablenkt.

Was inspiriert Dich? Sind es andere Fotografen oder Bücher oder…?

Landschaften, eine weites leeres Feld am Morgen. Filme, besonders poetische und bildgewaltige. Bücher, besonders Gedichte. Gemälde sind eine große Inspirationsquelle. Ich mag die schwedischen Künstler John Bauer und Andrew Wyeth.

Wo wir gerade über Bücher sprechen. Ich würde dieses Interview gern mit der letzten Frage abschließen: Welches Buch liest Du gerade und würdest Du es weiterempfehlen?

Ich lese gerade ein Buch, das ich mir von einem Freund ausgeliehen habe. Es heißt „Muminpappans Memoarer“, geschrieben vom finnischen Künstler und Schriftsteller Tove Jansson. Ich würde es definitiv weiterempfehlen. Es ist eine außerordentlich einfallsreiche, humorvolle und liebevolle Geschichte mit interessanten Charaktern.

Übersetzt aus dem Englischen von Holger Lückerath.

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