10. Oktober 2011 Lesezeit: ~9 Minuten

Anleitung: Polaroid-Lifts

Dank des Impossible Project kann man heute immer noch – oder besser: wieder – Polaroidbilder machen, obwohl Polaroid selbst die Produktion 2008 eingestellt hatte. Außerdem lässt sich die Bildschicht der neuen Filme auf ein anderes Papier übertragen und kreativ bearbeiten. Dieses Verfahren heißt „Lift“.

© Aileen Wessely

Das Liften von Polaroids ist an sich nicht neu. Im Netz gibt es eine wahre Fülle von Videos, in denen gezeigt wird, wie Polaroids geliftet werden. Allerdings finde ich die verbreitete Vorgehensweise etwas umständlich und möchte Euch hier eine Variante vorstellen, mit der Ihr außerdem die volle Kontrolle über das Endprodukt habt.

Zutaten
– ein Impossible-Polaroid
– Wasserschale oder tiefer Teller
– reichlich heißes Wasser
– ein, zwei dünne Pinsel
– Skalpell oder spitzes, scharfes Messer
– Papier
– Glasplatte oder Spiegel
– Taschentuch oder Küchenkrepp
– ca. eine Stunde Zeit

© Aileen Wessely

Dazu ein paar Hinweise: Wichtig ist, dass ein Impossible-Polaroid oder ein Fuji-Film verwendet wird. Die alten Polaroid-Filme (auch der Softtone-Film!) sind so geartet, dass Lifts nicht möglich sind. Ich habe es nicht ausprobiert, nehme aber an, dass die Bildschicht bei ihnen einfach zerfällt und das Polaroid so zerstört wird.

Was die anderen verwendeten Utensilien angeht, solltet Ihr einfach schauen, was Ihr zur Verfügung habt, experimentieren, was Euch am besten liegt und womit Ihr am angenehmsten arbeiten könnt. Insbesondere verhält sich jedes Papier anders: Eventuell trocknet es sehr wellig oder das Polaroid haftet nicht gut darauf. Hier ist ausprobieren mit einem Nicht-Lieblingsbild angesagt, bevor es ans Eingemachte geht.


Los geht’s!

Zuerst entferne ich die weiße Folie rings um das Polaroid. Dazu fahre ich vorsichtig mit der Spitze des Skalpells zwischen Bild und Folie, um sie anzuheben. Dann kann ich die Folie mit dem Finger abziehen. Wenn man es vorsichtig macht und immer vom Bild weg nach außen zieht, kann man sie am Stück entfernen.

Links und rechts bleiben noch zwei dünne Folienstreifen stehen, die unter der schwarzen Rückseite verlaufen. Wenn das Polaroid frisch ist (ein, zwei Tage alt), kann man auch die schwarze Rückseite mitsamt der dahinter liegenden Entwicklerpaste jetzt schon vorsichtig abziehen, ohne die darunterliegende Bildschicht zu beschädigen.


Ist das Polaroid älter oder will ich einfach auf Nummer sicher gehen, überlasse ich es dem Wasser, die Schichten zu lösen. Dafür koche ich das Wasser auf, gebe etwas davon in die Schale, lege das Polaroid mit dem Bild nach unten hinein und lasse das Wasser etwas wirken.

Wie heiß Ihr das Wasser machst, solltet Ihr an Eurer Hitzeempfindlichkeit ausrichten, da es im Folgenden am einfachsten ist, wenn Ihr auch einmal mit dem Finger ins Wasser fassen könnt, ohne Euch gleich die Finger zu verbrennen. Das Wasser also im Zweifelsfall lieber etwas abkühlen lassen, bis Ihr hineinfassen könnt.

Ich verwende zwei verschiedene schmale Pinsel. Einer ist weich, seine Härchen wiegen sich im Wasser. Der andere hat borstige Härchen, die sich nur unter stärkerem Druck biegen lassen. Insbesondere zu Anfang ist es empfehlenswert, eher mit einem weichen Pinsel zu arbeiten, wenn Ihr die Empfindlichkeit der nassen Bildschicht noch nicht gut einschätzen könnt.


Im Wasserbad kann man nun sehen, dass sich die weiße Entwicklerpaste am Rand der schwarzen Rückseite schon löst und Krümel im Wasser schwimmen. Mit dem härteren Pinsel entferne ich alles von der Rückseite, indem ich von innen nach außen wische. Dazu schiebe ich eine Ecke des Polaroids am Rand aus dem Wasser und halte sie mit einem Finger fest.

Das heiße Wasser sollte inzwischen die Entwicklerpaste von der Bildschicht gelöst haben, die schwarze Rückseite ziehe ich also im Wasser vorsichtig nach oben ab. Auch die zwei Folienstreifen am Rand lassen sich jetzt erreichen und abziehen. Jeweils am einfachsten, indem ich das Polaroid wieder an einer Ecke festhalte und mit der anderen Hand ziehe.


Jetzt kann ich schon sehen, wie die Bildschicht Falten wirft, weil sie sich durch das heiße Wasser ausgedehnt hat und nur an den Rändern noch am Mylar, der durchsichtigen Plastikschicht, klebt. Bevor ich diese beiden Schichten voneinander trenne, kippe ich das mit weißer Entwicklerpaste durchsetzte Wasser vorsichtig aus.

Über einem Waschbecken halte ich mit einer Hand die leere Schale und das Polaroid darin fest und lasse vorsichtig noch mehr heißes Wasser darüberlaufen, um das Bild und die Schale zu säubern. Danach kommt wieder etwas Wasser in die Schale mit dem Polaroid. Dafür muss das Wasser nicht neu aufgekocht werden; wenn es jetzt nur noch warm ist, reicht das vollkommen aus.


Jetzt beginnt die Detailarbeit: Mit dem härteren Pinsel löse ich die Bildschicht vom Mylar, indem ich vom Rand vorsichtig schiebe, bis der Pinsel zwischen beiden Schichten ist. Dort arbeite ich mich langsam und vorsichtig ringsrum. An der Seite mit dem breiten Rand ritze ich die Bildschicht vorher mit dem Skalpell an, damit ich einen gleichmäßig breiten Rand erhalte.

Nun schwebt die Bildschicht spiegelverkehrt lose über dem Mylar. Mit dem weichen Pinsel streiche ich sie glatt, sodass an Ecken und Rändern nichts umklappt. Anschließend lege ich vorsichtig das Papier auf die Wasserschicht und drücke es langsam unter Wasser auf die Bildschicht. Am besten von einer Seite zur anderen, um Umklappen der Bildschicht zu vermeiden.


Dieses Mylar-Bildschicht-Papier-Sandwich hebe ich nun vorsichtig mit den Fingern aus dem Wasser. Da die Bildschicht in der Mitte liegt, lässt sich das Paket gut anfassen. Umgedreht, also mit dem Papier nach unten, lege ich es auf der bereitgelegten Glasplatte wieder ab. Auch hier wieder am besten von einer Seite zur anderen, so vermeide ich große Luftblasen unter dem Papier.

Nachdem ich vorsichtig das Mylar entfernt habe, wasche ich die restlichen Kleberreste davon ab (Abkratzen mit dem Fingernagel unter fließendem Wasser hilft) und hebe es noch auf. Denn falls ich mit meinem Lift gänzlich unzufrieden bin, kann ich das Mylar unter das Papier schieben und alles wieder ins Wasser befördern, um es dort neu zu sortieren.


Auf der Glasplatte habt Ihr nun alle Möglichkeiten, die Bildschicht auf dem Papier herumzuschieben, in Falten zu legen oder ganz glatt zu ziehen. Dazu empfehle ich Euch noch ein paar Dinge, die mir beim Liften meiner bisherigen Polaroids aufgefallen sind und die Euch helfen könnten.

Sollte ich die Bildschicht unabsichtlich beschädigt haben, kann ich auf der Glasplatte – anders als beim Liften im Wasserbad – die Bildteile vorsichtig wieder auseinanderklappen, glattstreichen und aneinanderschieben. So lassen sich Risse manchmal gänzlich verbergen. Ebenso kann man gezielt reißen oder Falten legen.


Luftblasen unter dem Papier oder zwischen Papier und Bildschicht lassen sich mit einem weichen Pinsel zum Rand schieben und so beseitigen. Wenn ich Wasser über den Rand vom Bild schiebe oder den Pinsel auf Papier abtupfe, tunke ich ihn danach immer wieder ins Wasser, damit er nicht zu trocken ist.

An einer Seite mit einem Pinsel ziehen oder schieben glättet oft Falten quer über das ganze Bild. Zieht man das Bild ganz glatt, wird es größer als das ursprüngliche Polaroid, daher wähle ich Papier, das an allein Seiten einige Zentimeter größer ist, damit das Polaroid ganz drauf passt.


Die Bildschicht lässt sich am leichtesten und sichersten bearbeiten, wenn sie mit viel Wasser bedeckt ist. Ich bringe also immer wieder mit dem weichen Pinsel viel Wasser auf die Bildschicht auf. Von der Seite gegen das Licht betrachtet, kann ich gut sehen, wie viel Wasser auf der Oberfläche der Bildschicht steht.

Wenn ich mit den Pinseln die Bildschicht auf dem Papier bearbeite, lösen sich dort weitere weiße Kleberreste. Ich versuche immer, diese in möglichst großen Fetzen zu sammeln und seitlich vom Bild auf das Glas zu schieben, dort kann ich sie mit Papier aufwischen. Kleinere Fetzen, die am Pinsel haften bleiben, streiche ich auf einem Blatt Küchenkrepp ab.


Sobald ich mit meinem Werk zufrieden bin, wische ich die Kleberreste rings um das Bild vom Glas, da diese wirklich hartnäckig sind, wenn sie eingetrocknet sind. Mein Bild lasse ich auf der Platte austrocknen. Das hilft auch, Papier glatter trocknen zu lassen, wenn es zu Wellen neigt.

Falls Ihr ebenso ungeduldige Menschen wie ich seid, rate ich Euch direkt von der Idee ab, das Bild mit einem Fön schnell zu trocknen. Dadurch zieht sich die Bildschicht stark zusammen und reißt ein. Dann war die ganze Arbeit umsonst, also doch lieber geduldig sein und das Bild über Nacht bei Zimmertemperatur trocknen lassen.

© Aileen Wessely

Das getrocknete Bild klebt möglicherweise am Glas. Bei meinen Lifts hat besonders der Rand des Papiers geklebt, dann war es hilfreich, mich mit dem Skalpell oder einem dünnen Messer vorsichtig unter den Rand zu arbeiten und von innen nach außen den Rand damit zu lösen.

Und wenn Ihr nach dem Trocknen ganz und gar nicht zufrieden seid, könnt Ihr die Prozedur auch wiederholen, indem Ihr die Bildschicht erneut in einem Wasserbad vom Papier löst. Oder Ihr malt, kratzt, zeichnet auf dem Papier weiter. Oder testet andere Oberflächen als Papier: Glas, Plastik, Stoff… die Möglichkeiten sind unendlich.

Viel Spaß beim Liften Eurer Polaroids!

10 Kommentare

Schreib’ einen Kommentar

Netiquette: Bleib freundlich, konstruktiv und beim Thema des Artikels. Mehr dazu.

  1. Faszinierend! Ich mag es, wenn jemand handwerklich an Bildern „Hand anlegt“ es ist einfach etwas völlig Anderes, als am Computer Pixel zu schieben und dabei heraus kommen materielle, begreifbare Unikate mit ganz besonderer Ausstrahlung.

  2. Klasse, dass auch mal so zu sehen. Hatte vor einiger Zeit eine Dokumentation über das Impossible-Projekt gesehen und war fasziniert von den ganzen Menschen die in den Fotos ein Ding sehen und nicht Informationen auf einer Festplatte.
    Ich speicher mir das das mal ab, vielleicht bin ich irgendwann soweit und lege meine DSLR weg und hole meine alte Polaroid wieder aus dem Schrank :)

    André

  3. Klasse… das hätte ich am Samstag gebrauchen können, als ich meinen zweiten und dritten Emulsionslift-Versuch mit zwei PX 600-Fotos unternommen habe.
    Noch gelingt es mir kaum, die weiße Paste geschweige denn die schwarze Rückseite zu lösen…. aber vielleicht klappt es mit dieser tollen Anleitung demnächst besser… :)

    Liebe Grüße

  4. Ich bin das Ganze gestern Abend mal angegangen, allerdings hatte ich weder einen Polaroid-, noch einen Impossible-Film zur Hand.
    Statt dessen benutzte ich einen Trennbild-Sofortbildfilm von Fuji (FP-100C) und habe mich sichtlich nervös ans Werk gemacht (Pinsel, Skalpell und aufgekochtes Wasser griffbereit).
    Pustekuchen, der Fuji muss einfach nur mit heißem Wasser bedeckt werden, irgendwann löst sich die Filmschicht fast wie von selbst vom Papier und kann mit bloßen Fingern problemlos aus dem Wasser gefischt und auf einem anderen Untergrund nach belieben geformt werden… da reißt aber auch gar nichts!
    Anscheinend ist der Fuji etwas dicker und somit stabiler, was Grobmotorikern wie mir sehr entgegenkommt.
    Jedoch nehme ich halt auch an, dass die Falten nicht so fein sind!?

  5. hi, coole sache :) hab selber einen kit für lift it geschenkt bekommen und wollte mal fragen ob irgendwer schon erfahrungen mit anderen materialien als untergrund hat ??
    eg. .stoff, oder was ich sehr interessant fände bemalte leinwand ??

  6. Blogartikel dazu: 19. Türchen: Aileen Wessely - kwerfeldein - Fotografie Magazin