Ein Hauch von nichts: Polaroidbilder retten!
Verfluchen tue ich sie manchmal. Lieben aber auch. Auch wenn es nicht mehr das ist, was es früher einmal war, wenn es um die originalgetreue Wiedergabe des Gesehenen geht. Es hat seinen ganz eigenen, besonderen Charme. Und wird vermutlich – egal wie teuer es noch wird – niemals ganz untergehen. Wie maßlos ärgere ich mich manchmal über die Chemienasen, die sich über das halbe Bild ziehen – natürlich genau da, wo es überhaupt nicht passt. Oder aber ich ärgere mich, wenn eben gar keine Bildfehler auftreten, da sie ja beinahe irgendwie dazu gehören.
Na, wovon spreche ich wohl? Genau. Polaroid, Sofortbilder – in meinem Falle jene der „einfacheren Variante“, also kein Trennbildverfahren, sondern die klassischen Polaroid-600-Filme vom Impossible Project, die ich mit meiner Polaroid Lichtmixer 630SL fotografiere. Was mich richtig fuchsig macht, ist, wenn auf dem Bild gar nichts mehr erscheint und es weiß bleibt, höchstens noch einige Schemen erkennbar sind. Wenn ein Film nur so wenige Bilder hat und man dafür relativ tief in die Taschen greifen muss, würde man so etwas natürlich im Idealfall vermeiden wollen.
Vermutlich liegt der Fehler sogar eher bei mir als beim Material. Die Einstellungsvarianten an einer Polaroid sind ja nun wirklich im Vergleich zu einer DSLR sehr gering. Aber ein nicht umgestellter Heller-Dunkler-Regler kann mitunter das ganze Bild nicht so erscheinen lassen, wie man es sich vorgestellt hatte. Lange hat es gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, dass der Fehler vielleicht auf meiner Seite liegt – und noch länger, bis ich auf eine Idee gekommen bin, wie ich aus diesen Bildern doch noch Bildinformationen retten bzw. herauslesen kann.
Wegschmeißen ist überhaupt nicht meine Art, alles stapelt sich in meinem Atelier, so also auch meine fehlbelichteten Polaroids. Irgendwann, da ich meinen Scanner sehr liebe und schon für eine Vielzahl von Projekten auch mit ihm als bildnerische Maschine gearbeitet habe, ist mir die Idee gekommen, die Polaroids einzuscannen. Mein Gedanke dahinter war: Vielleicht kann das Bildbearbeitungsprogramm meines Vertrauens ja gemeinsam mit Freund Scanner mehr sehen als ich. Und das können sie!
Mithilfe der Gradationskurve und/oder der Tonwertkorrektur und den Reglern für Helligkeit und Kontrast habe ich tatsächlich wieder etwas sichtbar machen können auf meinen vermeintlich verpfuschten Bildern. Diese Bilder bergen interessante Einblicke zu längst vergessenen Momenten und haben eine ganz eigene Ästhetik. Häufig ist die Reaktion darauf so, dass die Betrachter denken, es seine wirklich uralte historische Aufnahmen – gefunden auf staubigen Dachböden oder dergleichen.
Dabei ist keine meiner Polaroidaufnahmen älter als zehn Jahre. Es gibt keine festen Werte, wie die Regler eingestellt werden müssen, um ein gelungenes Ergebnis zu erzielen, die ich hier an Euch weitergeben könnte. Auch bei mir ist dies ein wenig ein Annähern und Ausprobieren, denn jedes fehlbelichtete Polaroid bringt ganz andere Grundvoraussetzungen mit sich.
Die Möglichkeit, so Bilder wieder sichtbar zu machen birgt zum einen eine Schnittstelle zwischen der analogen und der digitalen Technik und zum anderen faszinierende Momente der Bildlichkeit. Für Freunde des „Vintage-Looks“ und experimentierfreudige Fotoschaffende verbirgt sich hinter diesen ersten Schritten sicher noch eine Vielzahl von weiteren Möglichkeiten, um dasselbe Verfahren zum Beispiel an Negativen auszuprobieren oder an Fotoabzügen.
Natürlich kann man nun hier auch berechtigterweise einwenden, was dann noch vom eigenen, echten Charme des Polaroids bleibt, wenn man sich fremder Hilfsmittel bedient? Kann ich dann nicht gleich ein digitales Bild einfach mit Hilfe von Photoshop oder ähnlichen Programmen in einen schnell heruntergeladenen Polaroidrahmen einfügen? Meiner Meinung nach ist der Schritt, den ich gegangen bin dann doch um einiges authentischer als die Variante des „digitalen Polaroids“, denn ich verwende ja nur die vom Polaroid erfassten Lichtwerte, die ich verstärke bzw. abschwäche. Streitbar bleibt vielleicht, ob ich es dann noch Polaroid nennen kann oder ob es hierfür einen gänzlich neuen Namen braucht.
Dies ist also ein Aufruf an Euch, bitte bloß nie Polaroids einfach zu entsorgen, sondern Euch an eben jenem, oben beschriebenen Experiment zu erfreuen. Und wer weiß, vielleicht zeigt Ihr uns ja Eure Ergebnisse und wiedergekehrten Erinnerungen? Die Filme, die ich benutzt habe, sind vom bereits erwähnten Impossible Project . Ob Ihr Farb- oder Schwarzweißfilm wählt, ist natürlich Euch überlassen. Retten kann man beides!