Das Vertraute im Fremden.
Neun Fotografen westlicher Herkunft, neun Sichtweisen auf Asien. Sie alle verbindet, dass das Fernweh sie einst gen Osten trieb und sie nun seit einigen Jahren in verschiedenen Ländern Asiens leben und arbeiten.
Ihnen gemeinsam ist auch, dass sie sich jeweils mit einem Blick von außen ihren Sujets nähern. Dabei haben sie jedoch nicht die Stereotype des Durchreisenden, weil sie schon lange mit dem jeweiligen Land vertraut sind; vertraut und zugleich fremd in ihrer neuen Heimat.
„Wo die eigene Ordnung an Grenzen stößt, weil Erscheinungen und Wahrnehmungen nicht eingeordnet werden können, weil eingeübte Verhaltensmuster nicht mehr greifen, beginnt das Fremde“, so der Kurator Wolfgang Bellwinkel im Vorwort.
Die Publikation begleitet eine gleichnamige Wanderausstellung, die unter anderem von den Goethe-Instituten in Südostasien gefördert wird. Mit ihren Serien öffnen uns die Fotografen Fenster nach China, Thailand, Singapur, Indonesien, Japan, Vietnam, Burma und Kambodscha.
Ferit Kuyas‘ „City of Ambition“ zeigt, wie sich die Utopien der westlichen Moderne in Chongqing – dem weltgrößten Ballungsraum – heute real herausgebildet haben.
Es sind Bilder von menschengemachten Landschaften, in denen der Mensch selbst nur untergeordnet oder gar nicht erscheint. Geradezu schwerelos erscheinende Verkehrsbauten erobern aus dichtem Nebel heraus den Raum.
Wolfgang Bellwinkels Arbeit „Babel“ zeigt die Skelette verdorrter Wolkenkratzer. Es sind gigantische Bauruinen, die von millionenschweren Fehlinvestitionen zeugen. Freigestellt vor konstant weißem Himmel wirken sie dennoch bizarr miniaturisiert.
Die Serie „Bangkok Twilight“ von Nick Nostitz geht näher an den Menschen heran und konfrontiert uns zugleich mit seiner Bestialität. Bilder von Huren, Junkies und Leichen illustrieren unverblümt die Härte des Nachtlebens der thailändischen Hauptstadt.
Schon der Titel von Peter Steinhauers Serie „Reflections of Chaos and Calm“ beschreibt sehr gut die Doppeldeutigkeit dessen, was man als der westlichen Zivilisation entspingender Beobachter verspürt, sobald man in jene Welt vor dem Pazifik eintaucht.
Nach undurchschaubaren Prinzipien organisiertes Getümmel in den Ballungsgebieten existiert parallel zu der meditativen Ruhe der Landschaften, deren steinerner Geist jedem, der zuzuhören vermag, eine Strophe Vergangenheit zuflüstert.
Jeder der Fotografen leitet seine Arbeit mit einem kleinen Aufsatz ein, über die eigenen Beweggründe, Wahrnehmungen und Erfahrungen. Darüber hinaus bereichern neben den Fotografien auch die Essays „Vertraute Fremde“ von Maik Schlüter und „Fotografie als Wasserscheide zwischen West und Ost“ von Alexander Supartono die Publikation.
Das Vertraute im Fremden* ist ein kompaktes A5-Büchlein, das durchtrainierte Augen voraussetzt. Kondition wird hier belohnt mit einem weiten Spektrum an Eindrücken, die das eigene Bild von Asien sicherlich bereichern.
Der Band ist im Kehrer Verlag erschienen, hat 100 Seiten und kostet neu 28€.
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