26. Januar 2011 Lesezeit: ~9 Minuten

Mittelformat für Alle (Teil 2/3)!

Der Film

Die Mittelformat-Kamera schluckt in aller Regel den sogenannten 120er Rollfilm (wir haben das Thema in Teil 1 bereits gestreift). Den gibt es z.B. von Kodak, Fuji oder Ilford und kann online bestellt werden oder im gepflegten Foto-Fachgeschäft gekauft werden. Ich selbst nutze meist Fuji-Filme und bestelle sie online, da es etwas günstiger ist. Die Marke soll aber erst mal keine Rolle spielen.

Die Unterschiede sind Feinheiten, die jeder für sich entdecken muss. Je nach Typ des Films zahlt man €5 – €8 für eine Rolle Film. Hier wird manch einer das Handtuch werfen und sagen: „€ 8.- für 12 Aufnahmen?!“ Ja ich weiss, das kann ins Geld gehen. Aber ich garantiere Euch, Ihr werdet gerade deshalb ganz anders ans fotografieren herangehen.

Gerade die Einschränkung, dass man nicht einfach mal ein paar dutzend Auslösungen für ein Motiv verballert, lässt einen überlegter und mit mehr Bewusstsein an die Sache gehen. Ich mache selten mehr als 2 Belichtungen des gleichen Sujets, überlege mir dabei aber viel genauer was ich tue und warum. Dies führt zu besseren Bildern und einer ganz anderen Wertschätzung. Eigentlich ist es ein Segen, der einen kreativer macht.

ISO/ASA-Kennzahl

Aber zurück zum Thema: Die wichtigste Entscheidung beim Filmkauf ist die ISO/ASA-Kennzahl. ISO 50, 100, 400, 800 sind die gängigen Empfindlichkeiten des Negativs. Sie stehen in Korrelation zu den Einstellungen, die Ihr an Eurer DSLR machen könnt (dieselben sind nämlich von den Empfindlichkeiten des Films abgeleitet).

Dementsprechend ist das Negativ umso lichtempfindlicher, je höher die ISO-Kennzahl. Für Aufnahmen am Tag ist ISO 100 meist bestens geeignet und weist das geringste Korn auf (Korn! nicht Rauschen!). ISO 400 ist der gute Mittelweg und ISO 800 ist für schlechte Lichtverhältnisse sinnvoll.

Darüber hinaus muss man wissen, dass Negativ-Film grundsätzlich für Tageslicht ausgelegt ist. Dies entspricht wiederum den Weissabgleichs-Optionen Eurer DSLR. Wenn draussen fotografiert wird, werden die Farben naturgetreu dargestellt. Bei Kunstlicht werden die Bilder eher warm, unter fluoreszierendem Licht eher grünlich. Der Unterschied zur Digitalfotografie liegt darin, dass man sich mit der Wahl des Films festlegt.

Den Film installieren

Viele werden das Prozedere noch kennen, wie man einen Kleinbildfilm in eine alte Knipse einlegt. Bei den MF-Kameras ist das etwas komplizierter, aber kein Grund zur Sorge. Grundsätzlich gibt es den Film selbst, der auf eine Spule aufgerollt ist.

Zusätzlich braucht man eine zweite Spule (meist die leere, von der der letzte Film abgespult wurde) die den Film wieder aufnimmt. Je nach Kamera, für die Ihr Euch entschieden habt, ist der Ablauf unterschiedlich. Hier hilft Youtube in dunklen Stunden der Verwirrung! Für fast jedes Modell kann man filmische Anleitungen finden wie das im einzelnen funktioniert. Die Grundidee ist aber immer gleich. Hier das Beispiel bei der Mamiya RZ67.

Belichtung

So, MF-Kamera ist am Start, Film erfolgreich eingelegt – spätestens jetzt stellt man fest, dass die Kamera keinen eingebauten Belichtungsmesser hat – zumindest, wenn man nicht €3000+ für ein moderneres Modell ausgegeben hat. Dafür gab es früher externe Lichtmesser z.B. von Sekonic. Deren Bedienung ist zwar auch kein Hexenwerk, aber für viele Einsteiger eine weitere Hürde.

Analoger Lichtmesser von Sekonic

Das Schöne ist, dass praktisch jeder von Euch bereits im Besitz eines pragmatischen Ersatzes ist: Eure DSLR! Aber auch digitale Kompaktkameras funktionieren, sofern sie die Möglichkeit biete,n manuell die Blende und Verschlusszeit zu steuern.

Verschlusszeiten-Wählrad an der Mamiya RZ67

Verschlusszeiten-Wählrad an der Mamiya RZ67Wenn wir unser Motiv gefunden haben, holen wir die Digitalkamera aus der Tasche und nehmen das gewünschte Motiv ins Visier. Dabei sollte die Brennweite, oder besser gesagt der Bildausschnitt ganz grob dem entsprechen was wir im Sucher der Mittelformat-Kamera sehen.

Nun tasten wir uns manuell mit Blende und Verschluss an die optimale Belichtung der Szene heran. Noch einfacher ist es, die Szene im P-Modus zu fotografieren und sich die angezeigten Werte für Blende und Verschluss zu merken. Diese lassen sich nämlich ohne weiteres auf die MF-Kamera übertragen. Voraussetzung ist natürlich, dass Ihr bei der Digitalkamera einen ISO-Wert wählt, der dem des eingelegten Films entspricht! So könnt Ihr in aller Ruhe und ohne teuren Film zu vergeuden erstmal die korrekte oder gewünschte Belichtung finden und dann auf die Wahlräder der MF-Kamera übertragen.

Blendenringe

Blendenring an der Mamiya RZ67

Grundsätzlich können die digital ermittelten Werte 1:1 übernommen werden und Ihr werdet ein sinnvoll belichtetes Negativ erhalten. Was aber beim Film zu bedenken ist, ist die Tatsache, dass er ganz im Gegensatz zum CMOS-Sensor viel besser mit Spitzlichtern klarkommt! Wenn bei einer digitalen Aufnahme die Lichter ausfressen, sieht das übel aus – erst recht wenn man das Bild drucken.

Negativfilm dagegen hat einerseits eine möchte n höheren Dynamikumfang, weshalb es mehr braucht bis z.B. der Himmel ausfrisst. Andererseits reissen überbelichtete Bildbereiche auf Film nicht so wüst ab, wie es bei digitalen Aufnahmen geschieht. Das Resultat ist in den meisten Fällen viel ansehnlicher, als man das gewohnt ist.

Genau das Umgekehrte gilt für die Schatten. Die sind bei digitalen Aufnahmen eher unbedenklich, weshalb man eben auf die Spitzlichter belichtet, sodass diese ja nicht ausfressen und nimmt dabei (wenn nicht anders möglich) in Kauf, dass die Schatten mal absaufen. Bei analogen Aufnahmen wirken abgesoffene Schatten viel störender, weshalb man eher auf diese belichtet um dort noch etwas Zeichnung zu retten.

Winterszene mit der Hasselblad 500c/m auf Fuji REALA 100 - unbearbeitet

Winterszene mit der Hasselblad 500c/m auf Fuji REALA 100 – unbearbeitet

Für die digital ermittelten Belichtungswerte heisst das konkret: Wenn’s digital gut aussieht, kann man bei der Filmbelichtung getrost eine 1/2 bis 2/3 Blende aufmachen. Wer sich das Errechnen des Shifts sparen will kann aber natürlich auch bei der digitalen Messung einen leicht niedrigeren ISO-Wert benutzen (Also z.B. für einen ISO 400 Film mit ISO 320 messen) Und überhaupt, nach den ersten 20 Rollen Film bekommt man ein Gefühl dafür, was es verträgt und arbeitet intuitiv.

Fokussieren

Den Fokus setzen wir natürlich manuell, weil wir bei diesen Kameras keinen Autofokus haben (neuere und teure Modelle aus den 90ern ausgenommen). Auf Grund des riesigen Aufnahmeformats hat man mit offener Blende eine wesentlich knappere Tiefenschärfe. Aber auf der grossen Mattscheibe des Schachtsuchers (die meist auch eine aufklappbare Lupe besitzen) kann man jedoch sehr gut den gewünschten Fokus finden.

 Blende f/5.6 Hasselblad 500c/m auf Fuji REALA 100

Blende f/5.6 Hasselblad 500c/m auf Fuji REALA 100

Um eine sinnvolle Tiefenschärfe zu erreichen, muss schonmal auf f/16 abgeblendet werden. Ich bin deshalb auch am Tag gerne mit ISO 400 Film unterwegs – ansonsten bewegt man sich schnell bei Verschlusszeiten um 1/30 oder weniger, was nur mit Stativ noch wackelfrei machbar ist.

Den Auslöser drücken

Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, ausser dass es ein anderes Erlebnis ist, als mit der Digitalen. Es soll ja Leute geben, die nur fotografieren weil sie das Auslösegeräusch so lieben. Da kommt man mit der MF-Fotografie definitiv auf seine Kosten! Gerade bei der Mamyia RZ67 spürt man quasi den Luftzug der aus dem Sucherschacht strömt wenn der riesige Spiegel hochklappt. Es klickt nicht einfach nur, es ist eine ganze Geräuschkulisse die da abgeht. Purer Kamera-Fetisch. Auf Grund der grossen Massen, die sich bei der Auslösung bewegen, ist ein stabiles Stativ keine schlechte Idee.

Spiegelkasten der Mamiya RZ67

Spiegelkasten der Mamiya RZ67

Daneben gibt es noch eine kleine Falltür. Alle MF-Kameras mit Filmmagazin haben eine sog. Dark Slide – ein Metallschieber, welcher das Negativ vor Belichtung schützt, wenn das Magazin nicht auf der Kamera sitzt. Bei der Mamyia ist es z.B. möglich, auszulösen auch wenn die Dark Slide noch drin ist.

Man knippst munter vor sich hin, dreht nach jeder Aufnahme den Film weiter um am Schluss zu merken, dass die ganze Zeit der Metallschieber den Film vor Belichtung geschützt hat. Ich musste mir Anfangs einen Kleber auf die Kamera machen, der mich erinnerte, die Dark Slide zu entfernen. Bei der Hasselblad gibt es hingegen eine mechanische Vorrichtung die den Auslöseknopf blockiert, solange der Schieber drin ist.

Dark Slide bei der Mamiya RZ67

Dark Slide bei der Mamiya RZ67

So, jetzt könnt Ihr losziehen! Einfach mal die ersten 2-3 Rollen belichten, bisschen mit der Belichtung experimentieren und sich mit dem grossen Boliden anfreunden. Übrigens: Wenn man mit ner voluminösen Kamera wir z.B. der Mamiya RZ unterwegs ist, wird man des öfteren von Passanten angesprochen, was das denn da eigentlich ist. Daraus haben sich bei mir schon nette Gespräche ergeben – auch ein schöner Nebeneffekt!

Im nächsten und letzten Teil schauen wir uns an, was wir mit den belichteten Filmrollen machen und wie wir die Bilder zum guten Schluss doch noch in die digitale Welt befördern…

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