Der Fotograf Michael Jordan im Interview
Heute habe ich die Ehre, ein Interview mit Michael Jordan vorzustellen. Viele von Euch werden Michael schon von seinem Gastbeitrag „Was macht ein gutes Bild aus“ oder meinem Videointerview mit ihm zu schätzen wissen.
Ausserdem hat Michael das Buch „Vom Alltäglichen zum Besonderen“* geschrieben, das beim Deutschen Fotobuchpreis 2010 mit einer Nominierung ausgezeichnet wurde.
Michael ist für mich fotografisch und Persönlich eine Art Vorbild – und dass Michael auch schreiben kann, hat er für mich in seinem Buch unter Beweis gestellt. Ich habe Michael vor Weihnachten ein paar Fragen gestellt, und daraus hat sich spannendes Gespräch entwickelt, wozu ich Euch nun einladen möchte.
Hallo Michael – es gibt schon einige, die Dich aus Deinem Gastartikel kennen – magst Du Dich trotzdem kurz den neuen Lesern vorstellen?
Mein Name ist Michael Jordan. Seit meinem 15. Lebensjahr beschäftige ich mich mit Fotografie. Zunächst als Hobby. Nach dem Abitur habe ich eine konventionelle Fotografenlehre absolviert. Während meiner Zeit als Museumsfotograf habe ich auch die Meisterprüfung abgelegt und ausgebildet.
Seit 2002 bin ich Obermeister der Fotografeninnung Mittelrhein. Ich bin als selbständiger Fotograf tätig- mein Thema ist der Mensch. Dazu kommen noch meine Tätigkeit als Trainer und Autor für Videotrainings bei Video2Brain und als Buchautor bei Addison-Wesley – mein zweites Buch wird in diesem Sommer erscheinen. Vorträge und Workshops runden mein Spektrum ab.
Hast Du ein Leitthema, dass Du mit Deinen Fotos verfolgst? Ein Nachricht, die Du den Betrachtern Deiner Fotos mitteilen möchtest – oder hängt das für Dich stets vom einzelnen Bild ab?
Egal was ich fotografiere, geht es mir um das Wesentliche. Also das, was man vielleicht den Kern der Dinge oder die Essenz nennen könnte. Fotografie hat für mich im Idealfall immer etwas mit dem Gewinn von Erkenntnis zu tun. Coole Effekte oder Styles finde ich relativ uninteressant, aber etwas über die Welt um mich herum oder andere Menschen zu erfahren und daraus ein Bild zu machen finde ich spannend.
Die Kamera ist für mich ein Werkzeug diese Erkenntnis zu gewinnen. Was aber nicht heißen muss, dass eine Erkenntnis ernst sein muss. Mit der Kamera kann ich auf Entdeckungsreise gehen und das, was mich umgibt entdecken und mit meinen Augen sehen.
Auf Deiner Webseite teilst Du mit, dass Deine fotografische Leidenschaft die Life-Fotografie ist, in deren Mittelpunkt der Mensch steht. Hört sich spannend an – magst Du uns einwenig mehr darüber verraten, was es mit der Life-Fotografie auf sich hat?
Die Life-Fotografie ist ganz verkürzt dargestellt das Gegenteil von Studio-Fotografie. Es ist also die ungestellte Aufnahme von Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung. Dabei wird nur das vorhandene Licht verwendet. Bei dieser Art von Fotografie geht es aber nicht um die Darstellung einer konkreten Person, im Sinne eines Erinnerungsfotos, sondern um ein Bild, das in der Lage ist etwas über den Menschen an sich auszusagen.
Für den Betrachter ist es dabei unerheblich, ob er die abgebildete Person kennt, oder nicht. Es geht dabei auch um Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und des Menschseins – als Einzelner oder als Bestandteil der Gesellschaft. Auch hier geht es mir wie in der Frage nach dem Leitgedanken auch um eine Form von Erkenntnis.
Aus Gesprächen mit Dir weiß ich, dass Du schon viele Erfahrungen in der Dunkelkammer sammeln konntest, als Du noch analog fotografiert hast. Wie machen sich diese Erfahrungen heute bemerkbar – kannst Du daraus einen merklichen Vorteil ziehen?
Die Frage kann ich Dir leider nicht beantworten, denn ich weiß nicht welche Vorteile ich hätte, wenn nicht in der Dunkelkammer gearbeitet hätte. Sicherlich habe ich zu vielen Dingen wie z.B. Tonwertkorrektur und Gradation einen leichteren Zugang. Was aber nur dadurch möglich ist, dass ich mich als 18-jähriger mühevoll in das Zonensystem eingearbeitet habe. Möglicherweise würde ich aber ohne dieses Wissen mit vielen anderen Möglichkeiten unbeschwerter umgehen.
Während meiner Ausbildung und in meinen ersten Berufsjahren habe ich viele Stunden in der Dunkelkammer verbracht und dort vor allem historische Aufnahmen oder Reproduktionen vergrößert. Die Beschäftigung mit diesen Bildern hat mir sicherlich für meinen eigenen Fotos viel gebracht indem ich einfach mir die Frage gestellt habe, warum ich ein Bild besser finde, als ein anderes… denn dazu war reichlich Zeit, während die Bilder in den Chemikalien gleichmäßig bewegt werden mussten.
Sicherlich habe ich dabei gelernt mich zu konzentrieren auf genau das eine Bild mit dem ich mich gerade beschäftige. Auch welche Energie ein Bild haben kann. Das das eine Massenware nicht leisten kann, die man durch automatisierte Prozesse erhält liegt dadurch für mich klar auf der Hand. Insofern hat mich das sicherlich geprägt.
Wie man Deinen Bildern entnehmen kann, arbeitest Du gerne mit Schwarzweiss – wo liegt für Dich die Besonderheit darin, was macht den Reiz für Dich aus?
Stell Dir ein Bild von einer Person in einem roten Pullover vor. Vor einem roten Hintergrund. Die beiden Rottöne passen prima zusammen. Wenn Du Dich an das Bild erinnerst, wirst Du Dich zuerst an ROT erinnern und nicht daran, ob die Person fröhlich oder nachdenklich war. Natürlich gibt es Bilder in denen Farbe wichtig ist, aber für mich ist Schwarz-Weiß die Reduktion auf das Wesentliche.
Michael, wenn man so lange fotografiert hat, wie Du, dann hat man sicher schon viele Dinge ausprobiert und dazugelernt – und von aussen mag es so scheinen, dass einer wie Du dann „am Ende der Fahnenstange“ angekommen ist. Gibt es Bereiche, in denen Du weiter Deine Fähigkeiten ausbauen möchtest, an denen Du aktiv arbeitest?
Die Beschäftigung mit der Fotografie ist wie der Lauf auf einer riesigen Kugel: immer dann wenn man ein Stück weitergekommen ist, sieht man etwas, das man vorher noch nicht erkennen konnte. Insofern bleibt es immer interessant.
Es gibt da einerseits die Beschäftigung mit der technischen Seite. Das finde ich unglaublich spannend. Viele Zusammenhänge der digitalen Fotografie sind aus meiner Sicht noch gar nicht ausführlich erforscht oder beschrieben. Andererseits finde ich es auch bemerkenswert, dass die Digitalfotografie die nahezu perfekte Kontrolle über das Bild bietet mit Möglichkeiten von denen ein Analogfotograf nur träumen konnte.
Statt aber diese Möglichkeiten auf breiter Front zu nutzen, gibt es viele Tendenzen Bilder mit Fehlern oder Korn oder einem Look zu versehen. Derzeit beschäftigt mich die Frage, ob und wie es möglich ist, die Verbesserung der technischen Möglichkeiten in Bilder mit mehr Substanz umzusetzen.
Und natürlich möchte ich fotografieren. Das ist doch das Wichtigste überhaupt. Die Freude daran, Bilder machen zu können und es auch zu tun.
Ich möchte Dich jetzt nicht nach Deinen Lieblingsfotografen fragen – aber kannst Du uns ein paar Fotografen sagen, die Dich in gewisser weise beeinflusst und Deinen Stil geprägt haben?
Zunächst einmal mein Lehrer Oswald Kettenberger. Er ist Mönch in einem Benediktinerkloster und hat es als Fotograf ab Mitte der 1970er Jahre zu internationalem Ansehen gebracht. Ihn habe ich während meiner Schulzeit und Lehrzeit ab und zu besucht und hatte das große Glück, dass er mir Wesentliches über die Möglichkeiten der Fotografie nahegebracht hat. Ihm bin ich zu großem Dank verpflichtet.
Beeindruckt haben mich auf ganz andere Art die Fotos von Ansel Adams, die ich in einer Ausstellung im Original gesehen habe. Henry-Cartier Bresson, Peter Magubane und von Sebastiao Salgado sind die drei die mir außerdem noch einfallen.
Vielleicht noch zwei Buchtipps, die antiquarisch sicherlich zu bekommen sind. Oswald Kettenberger, Tageslichtaufnahme und ein theoretisches Werk von Karl Pawek, Die totale Fotografie. Und ein Tipp für eine Ausstellung: the family of man im Schloss in Clervaux in Luxemburg, die von März bis Dezember geöffnet ist.
Letzte Frage: Hörst Du beim Bearbeiten Deiner Fotos Musik? Wenn ja, welche?
Nichts Bestimmtes. Manchmal Radio. Um Missverständnissen vorzubeugen: keine Volksmusik. Gerne etwas, bei dem ich mitsingen oder mitpfeifen kann, denn dazu brauche ich den Text nicht zu kennen.
Danke Michael!
Gern geschehen.