29. Mai 2012 Lesezeit: ~6 Minuten

Dachbodenfund = Elektroschrott?

Es „grünt so schön“, wenn Frühling ist. Und das ruft alte Infrarot-Fotografiegelüste auf den Plan. Es macht mir Spaß, besonders im Frühling das frische, besonders leuchtende Grün per Infrarotfotografie festzuhalten und das komfortabel digital.

Michael Laukeninks hat in seinem Beitrag sehr anschaulich beschrieben, was Physik und Theorie der Infrarotfotografie mit digitalen Kameras angeht, welche Kameras geeignet sind, was modifiziert werden muss und so weiter. Er hat das Ganze auch beneidenswert schön bebildert! Dank seines Beitrags bekam ich Lust auf etwas Vergleichbares, als mir eine DSLR von 1999 in die Hände „fiel”.

Denn im Gegensatz zu teuren bis risikoreichen (Selbst-)Umbauten aktuellerer DSLRs oder Sondermodellen – eine Canon EOS 60Da kostet 1.400€ – benötigte ich für die hier vorgestellte Kamera – der „Dachbodenfund“ in Form einer Kodak/Nikon Pronea6i/DCS330 – lediglich einen Kreuzschlitz-Uhrmacherschraubendreher und ein bis zwei entsprechende Infrarotfilter, Stückpreis 20€.

In der unter anderem für Astrofotografie vorgesehenen EOS 60Da wurde der dem Bildsensor vorgelagerte Tiefpassfilter so modifiziert, dass daraus eine erweiterte Infrarotempfindlichkeit resultiert. Der vergleichbare Filter ist bei der DCS330 im Spiegelkasten montiert – im Foto liegt der von mir selbst vollkommen gefahrlos entfernte Filter samt Rahmen vor der Kamera. Das kann jeder! Zu diesem Filter schreibt Kodak im Original-Prospekt:

(Der) Anti Aliasing Filter – wird eingesetzt zur Minimierung von Aliasing Effekten („bunte Pixel“ um feine Bildelemente und Moirée). Dieser Filter erfüllt gleichzeitig die Funktionen eines Infrarot-Sperrfilters, so dass auf einen zusätzlichen IR-Sperrfilter vor dem verwendeten Objektiv verzichtet werden kann.

IR-Sperrfilter? Zum Beginn der DSLR-Ära Mitte der 1990er Jahre musste jedem Objektiv ein sogenannter „Hot Mirror“-Filter aufgeschraubt werden, der den Großteil der Infrarot-Anteile aus dem Licht rausfilterte. Ohne diese Maßnahmen konnte sich je nach Lichtsituation der Infrarot-Anteil in per Nachbearbeitung fast unkorrigierbaren Magentaschleiern oder -farbstichen im digitalen Foto wiederfinden. Beachtet den merkwürdigen halbtrapezförmigen Reflex des ausgebauten Filters auf dem Foto der DCS330: Er gibt eine Ahnung des möglichen Magentaschleiers, wenn „normal“ in Farbe ohne diesen Filter fotografiert würde.


Infrarot-Filter ausbauen, um anschließend wieder einen Infrarot-Filter aufs Objektiv zu schrauben?

Dieser scheinbare Widerspruch liegt in der jeweiligen Aufgabe des Filters. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Der Sperrfilter auf oder vor dem Sensor oder dem Objektiv holt nur die Infrarot-Anteile des Tageslichts heraus und lässt den kompletten Rest an Licht durch! Der anschließend für die Infrarot-Fotografie benötigte Filter macht genau das Gegenteil: Es lässt je nach Stärke und Farbe wahlweise Infrarot-Licht und einen Rest an „normalem“ Tageslicht oder sogar nur Infrarot-Licht und sonst nichts durch.

Bevor es an die Filterwahl geht, noch ein paar Informationen zur Kodak DCS330. Die 1999 vorgestellte Kamera basiert auf der analogen Nikon Pronea 6i für APS-Film und besitzt einen 18,1 x 13,5 mm großen Sensor mit einer Auflösung von 2008×1504 Bildpunkten. Im Produkt rund 3 MP, die für eine 30×23 cm (A4) Vergrößerung mit 170 ppi Auflösung oder 42×32 cm (A3) mit 120 ppi Auflösung ausreichen.

Mit der Größe und dem Seitenverhältnis kann man den Sensor mit Fug und Recht als Micro-Four-Thirds-Sensor bezeichnen. Also eine scheinbare Brennweitenverlängerung, der Crop-Faktor beträgt 1,9. Der Sensor hat eine Nennempfindlichkeit von ISO 125, die bis auf ISO 400 verstärkt werden kann. Ich habe es bei den hier gezeigten Infrarotfotos bei ISO 125 belassen. Weitere Informationen zur DCS330 gibt es hier und dort.

Um Infrarot-Fotos zu schießen, habe ich die Wahl zwischen zwei Filtertypen

Als Dunkelrotfilter, der noch einen Rest sichtbaren Lichts durchlässt, habe ich einen Heliopan RG 695 verwendet. Als Schwarzfilter, durch den kein sichtbares Licht mehr hindurchgeht, einen eBay Noname IR 950. Mit dem Dunkelrotfilter kann ich mit viel „Kniepen“ das Motiv im (D)SLR-Sucher noch so gerade eben erkennen.

Die unabhängig von der Stärke fast schwarz wirkenden Infrarot-Filter auf dem Objektiv sorgen gelegentlich für Spott à la „Du hast wohl vergessen, den ,Objektivdeckel‘ abzunehmen?!“ Einen vorhandenen 62mm-Filter habe ich per Adapter auf ein altes 3,5/20 mm AI Nikkor sowie ein Tamron 10-24 mm Zoom montiert.

Der in diesem Fall benötigte 77 auf 62 mm Step-Down-Ring ist unproblematisch, da der Crop-Faktor von 1,9 nur bei 10 = 19 mm einen kleinen Rest der Abschattung durch den Reduzierring erkennen lässt, ab 11 oder 12 mm sehe ich davon nichts mehr. Mit dem Tamron habe ich dann ein zu 19-46 mm äquivaltendes Zoomobjektiv.

Fotografiert habe ich beim Rundgang vom ungeliebten Stativ. Autofokus aus, obwohl die DCS330 durch den Dunkelrotfilter hindurch tatsächlich noch auto-fokussiert. Die Motivwahl habe ich ohne Infrarot-Filter gemacht, dann den Filter aufgesetzt.

Die richtige Belichtung habe ich nach Abblenden auf f/8 bis f/16 über Belichtungsreihen unter ständigem Studium der Histogrammanzeige der DCS330 vorgenommen. Die DCS330 liefert ein TIFF-RAW-Format von 48 bit Farbtiefe. Die gewählte kleine Blende sorgte auch dafür, dass ich mir über die für Infrarotlicht nötigen Entfernungskorrekturen keinerlei Gedanken gemacht habe.

Die Dateien habe ich nach Wahl aus Bridge mit Adobe Camera Raw 6.7 geöffnet. Wie weit oder stark ich speziell an den Reglern Farbtemperatur, Farbton und Belichtung geschoben habe, ob ich zum Schluss im 24bit-RGB-Modus bleibe oder nach Schwarzweiß (256 Graustufen/8 bit) umwandele, hängt bei mir von Motiv und Geschmack ab.

Um es vorwegzunehmen: Mit dem Schwarzfilter IR 950 erreicht die DCS330 ihre Grenzen, was sich auch ohne ISO-Verstärkung bei Nennempfindlichkeit vermutlich durch die 8/15/30 Sekunden langen Belichtungen in Form von „Sternchen“ („Hot Pixels“) in dunklen Bildbereichen zeigt.

Ich habe nach dem Rundgang deshalb ausschließlich Fotos gewählt, die mit dem Heliopan Dunkelrotfiltern RG 695 entstanden sind. Die Mehrzahl der Fotos wurden mit dem 3,5-4,5/10-24 Tamron Zoom bevorzugt bei kurzen Brennweiten und dem manuellen 3,5/20 mm AI Nikkor aufgenommen. Ob ich jetzt einen Rest an „komischen“ Farben in den Bildern lasse oder komplett nach schwarzweiß konvertiere, unterliegt Gefühl, Tagesform, Stimmung, Motiv und ich weiß nicht was. Viel Spaß mit Infrarot-Fotos aus einer 13 Jahre alten Kamera.

Wer sich weiter in das Thema Infrarot vertiefen möchte, findet im Forum Infrarot Kombinat noch weitere Informationen.