Headshots, Portraits und warum man Regeln brechen muss
David Szubotics’ Portraits bestechen durch ihre Tiefe. Man hat das Gefühl, dass er es schafft, in seinen Bildern die Persönlichkeit zu erfassen. Er kommt seinem Gegenüber sehr nah und entlockt ihm Emotionen. Wie er das macht, wollte ich in diesem Interview herausfinden.
Hallo David, ich würde zu Beginn gern mit einer Begriffserklärung starten. Du bietest Headshots und Portraits für Kreative an. Was ist ein Headshot und wo liegt der Unterschied zum Portrait?
Der Begriff „Headshot“ kommt aus dem Amerikanischen. Im Grunde ist ein Headshot auch ein Portrait, aber die Person wird dabei auf das Wesentliche reduziert. In einem klassischen Portrait sieht man mehr von der Person und es geht zusätzlich um Gefühle und Emotionen. Das fehlt mir bei Headshots. Sie wirken oft auch etwas trocken. Ich versuche deshalb eine moderne Variante und vermische beides etwas, mit dem Schwerpunkt auf Headshot.
Stimmt, ich finde es tatsächlich schwierig, bei Deinen Bildern auszumachen, was jetzt Headshot und was Portrait ist.
Ja, lass es uns „lockere Headshots“ nennen. Es sind vermutlich nicht die klassischen Agenturfotos. Ich hoffe, dass meine Aufnahmen in den Portfolios der Agenturen dadurch etwas herausstechen.
Ist das eine Vermutung oder hast Du diese Rückmeldung konkret von der Agentur oder den Schauspieler*innen bekommen?
Ich hatte letztens wieder Bilder mit einem Schauspieler gemacht, der genau deshalb zu mir kam. Er wollte dieses etwas Andere für sein Portfolio.
In Hamburg werden Headshots auch gern draußen gemacht. Am liebsten in der Speicherstadt oder Hafencity vor einer Backsteinmauer. Dadurch sehen für mein Empfinden am Ende auch viele Bilder sehr ähnlich aus. Ich versuche, dem etwas entgegenzuwirken und arbeite zum Beispiel im Studio. Dort kann ich viel freier und lockerer arbeiten.
Ja, das Lockere sieht man in Deinen Bildern. Wobei ich da auch ein oder zwei Mal eine Backsteinmauer gesehen habe.
(lacht.) Erwischt, ja, das stimmt. Am Anfang habe ich noch versucht, mich etwas an die bestehenden Bildmotive anzupassen.
Du arbeitest analog und digital. Wie entscheidest Du, welches Foto Du mit welchem Medium aufnimmst?
Mittlerweile sind die Filmpreise leider so unfassbar teuer geworden, dass ich bei Auftragsarbeiten fast nur noch digital arbeite. Auch wenn ich analog liebe, möchte ich diesen Aufpreis der Filme nicht an die Leute weitergeben. Das steht in keinem Verhältnis.
Den Großteil meiner Arbeiten fotografiere ich mit digitaler Mittelformat-Kamera. Wenn ich ein wirklich besonderes Motiv sehe, dann hole ich manchmal aber doch meine Filmkamera dazu.
Mit welchen Kameras arbeitest Du genau?
Meine analogen Kameras sind die Mamiya Rz67 und die Hasselblad 500C/M. Digital nutze ich die Fujifilm GFX 50S, adaptiere jedoch Objektive alter analoger Kameras, wie Minolta oder Canon. Das sind zwar Kleinbildobjektive, aber sie bilden den Mittelformatsensor komplett ab. Dadurch hat man am Ende einen ganz tollen, plastischen Look. Im Grunde ähnlich meiner Mamiya Rz.
Deine freien Projekte sind sehr surreal. Wie schwer fällt es Dir, bei Jobs umzuschalten?
Ja, ganz kann ich es nicht abstellen. Ich mag einfach bestimmte Handposen, die vielleicht auch etwas seltsam, aber dadurch auch interessant wirken. Ich möchte, dass die Leute beim Betrachten meiner Bilder hängen bleiben. Sie sollen aber ein wenig suchen müssen, um zu verstehen, was sie irritiert. Es soll nicht zu stark auffallen.
Wie bereitest Du Dich auf einen Job vor? Triffst Du Dich vorher mit den Menschen? Schaust Du ihre bisherigen Portraits an? Oder sogar die Filme, in denen sie mitgespielt haben?
Ich schaue mir anfangs natürlich ihr bisheriges Profil und Portfolio an, um ein Gefühl zu bekommen, was für die Person typisch ist. Ich suche nach einem Signature Move oder einem bestimmten Blick. Auch die Schwerpunkte der Schauspieler*innen sind wichtig, vorher zu kennen. Kann eine Person tanzen? Oder vielleicht Klavier spielen? In dem Fall würde ich zum Beispiel versuchen, die Hände mehr mit einzubinden und im Bild leicht in den Vordergrund zu stellen.
Dass ich mich mit den Leuten vorher treffe, geht leider nicht. Ich plane aber am Tag des Shoots viel Zeit ein, um die Menschen kennenlernen zu können. Während der Gespräche merke ich dann, wie sich eine Person gibt, welche Körpersprache sie nutzt, ob sie schüchtern oder extrovertiert ist. Das versuche ich alles mit ins Bild einzubringen.
Deshalb fotografiere ich auch während des Kennenlernens schon und sage Stopp, wenn mir eine Geste oder eine Bewegung gut gefällt.
Meistens begleitet mich meine Freundin sozusagen als Art Directorin bei den Shoots. Sie ist selbst Fotografin und hilft mir zum einen, indem sie mir mal ein passendes Objektiv reicht oder einen Reflektor hält, unterstützt mich aber vor allem beim Posing und den Kompositionen. Vier Augen sehen ja mehr als zwei. Als Beobachterin kann sie einen freieren, kreativeren Blick wahren, während ich mich mehr auf die Technik und die Lichtsituation konzentrieren und für die Person präsenter sein kann.
Hast Du bestimmte Tricks, wie Du solche natürlichen Gesten und Bewegungen hervorholst? Gerade bei schüchternen Personen stelle ich mir das nicht so leicht vor.
Am Anfang setze ich die Leute zum Beispiel gern auf einen Hocker. Das ist etwas ungemütlicher, als ein Sessel oder Stuhl, aber dadurch müssen sie etwas aufrechter sitzen und mehr Spannung halten. Das mache ich aber wirklich nur am Anfang, um warm zu werden. Später dürfen sie auch gemütlicher sitzen. (lacht.)
Schauspieler*innen zu fotografieren klingt zunächst sehr einfach, weil sie es gewohnt sind, vor der Kamera zu stehen und gewisse Rollen einzunehmen. Ich stelle es mir aber auch schwer vor, sie aus ihrer einstudierten Rolle zu bringen, damit sie wirklich sie selbst sind.
Ja, auf jeden Fall. Manche Schauspieler*innen haben auch schon Modellerfahrung. Da gibt es oft so einen bestimmten „Modellblick“, den sie auf jeden Fall ablegen müssen. Das sage ich dann auch klar.
Was bei Schauspieler*innen aber toll ist, ist die Arbeit mit mehreren Outfits. Je nach Kleidung können sie sich in eine gewisse Rolle reindenken. Sie sollen dann nicht extrem schauspielern, sondern immer noch sie selbst bleiben. Aber dadurch gewinnen die Bilder schon sehr.
Auf Deiner Webseite schreibst Du, dass Du die Emotionen in Deinen Bildern durch Musik hervorrufst. Was läuft während eines Shoots?
Auf jeden Fall nichts, was zu schnell oder zu langsam ist. Am Anfang habe ich noch versucht, Musik auszuwählen, bei der ich annahm, dass sie zur Person passen könnte. Das war aber so ein 50/50-Ding.
Mittlerweile habe ich eine Playlist. Da laufen ein paar Klassiker, wie zum Beispiel Radiohead oder The National. Auch viele 80er- und 90er-Songs sind dabei. Oft kennen die Leute dann ein Lied oder es ist sogar der Lieblingssong dabei. Dann sind sie überrascht und werden etwas entspannter.
Seit wann bietest Du die Headshots an?
Seit etwa anderthalb Jahren. Das hat ganz locker angefangen, weil ich einige Schauspieler*innen im Freundeskreis habe. Als die dann nach dem Studium Fotos für die Agenturen brauchten, haben sie mich angefragt, weil wir schon einmal für freie Projekte zusammengearbeitet hatten. Nach und nach kamen dann durch Mundpropaganda auch Leute, die ich noch nicht kannte, auf mich zu.
Wie schwer fällt es Dir, die Preise für Deine Arbeit festzulegen?
Extrem schwer. Ich arbeite nur nebenberuflich als Fotograf und habe den Vorteil, dass ich als Kleinunternehmer die Mehrwertsteuer nicht an die Leute weitergeben muss. Und ich muss natürlich auch nicht mein Leben nur durch diese Arbeit bewältigen.
Ich möchte mit meinen Preisen auf jeden Fall fair sein. Insbesondere junge Schauspieler*innen, die gerade aus dem Studium kommen, haben noch kein Einkommen, brauchen aber gute Fotos. Mir ist wichtig, dass sie bezahlbare Bilder bekommen.
Ich habe großen Respekt vor Leuten, die selbstständig arbeiten und weiß um mein Privileg als Nebenberufler. Ich biete die Shoots je nach Paket etwas günstiger an, als vielleicht der selbstständige Vollzeitfotograf, aber auch nicht umsonst.
Bei Modellagenturen weiß ich, dass die Agenturen die Kosten für die Fotos tragen. Bei Schauspielagenturen ist das scheinbar anders?
Meistens bezahlen die Schauspieler*innen es selbst, ja. Und es gibt zudem eine grobe Hausregel: Schauspieler*innen brauchen alle 3 Monate neue Bilder. Auf jeden Fall aber, wenn sie sich optisch verändert haben, zum Beispiel durch Friseurbesuche, gefärbte Haare oder Bartwuchs. Für bestimmte Rollen machen das Schauspieler*innen regelmäßig und so ist die Nachfrage nach neuen Bildern auch sehr hoch.
Da wird der Friseurbesuch direkt um einiges teurer. Wen würdest Du gern mal fotografieren, wenn Du frei wählen könntest?
Mads Mikkelsen oder Willem Dafoe auf jeden Fall. Gerne Männer mit Charaktergesicht. Ich möchte generell gern mehr Männer fotografieren. Ich versuche ja immer gern, entgegen der Konvention zu arbeiten und Männer weicher und mit mehr Gefühl darzustellen. Das ist mir sehr wichtig.
Da fällt mir die Diskussion um das Portrait des NYT-Chefredakteurs Joseph F. Kahn ein. Hattest Du die mitbekommen?
Nein, leider nicht.
Moment, ich zeige es Dir. Es ist ein Portrait von Chris Buck. Er hat den NYT-Chefredakteur auf den Boden sitzend zusammen mit einer Zeitung und Kaffeetasse portraitiert. Viele fanden das Foto „zu sexy“ oder „zu weiblich“. Ich denke, Kahn hatte das Portrait am Ende sogar von seinem Twitter gelöscht.
Genau so etwas würde ich gern machen. Regeln brechen und zum Nachdenken anregen. Die Stimmung, die da rüberkommt, ist super. Und mir fällt gerade auch auf, dass er keine Schuhe trägt. Das ist auch etwas, das ich in meinen Fotos mache. Es bringt so eine gewisse Gemütlichkeit ins Bild.
Dann könnte aber auch ein kleiner Shitstorm auf Dich zukommen. Wäre das okay?
Das wäre völlig okay. Am Ende ist es immer noch Werbung und das Wichtigste: für mich so oder so ein gutes Portrait.
Dann bin ich gespannt auf Deine nächsten Bilder. Vielen Dank für das Gespräch!