Der Mensch und das unbekannte Land
Spiros Zervoudakis fand während seines Studiums der Mathematik zufällig zur Fotografie. Heute widmet er sich Serien, die langfristig angelegt sind und von Dokumentationen bis hin zu surrealen Themen wie dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur oder Fantasie und Realität ein weites Feld umfassen.
Spiros Zervoudakis wurde in Athen geboren. Er studierte Mathematik sowie Philosophie und lebt, arbeitet und kreiert heute in Chania auf Kreta. Ein paar seiner Serien, die er konzeptuell zwischen Verweisen auf altgriechische Philosophen und die neuzeitliche Entwicklung menschlicher Kulturformen aufspannt, möchte ich Euch vorstellen.
In der Serie „epiphany“ dreht sich alles ums Wasser. „Wasser ist der Anfang von allem“, so der erste antike griechische Philosoph Thales. Wasser als Quelle und Symbol des Lebens ist seit der Antike Gegenstand der Verehrung. Die heute noch durchgeführte Dreikönigszeremonie hat ihre Wurzeln in uralten, altgriechischen Traditionen.
Das Grundritual der Dreikönigsfeier ist das Eintauchen eines christlichen Kreuzes ins Meer zur „Segnung des Wassers“. Obwohl dieses Ritual die Taufe Christi symbolisiert, hat es auch die Bedeutung der Reinigung und Beseitigung der Einflüsse der Dämonen. An diesem Projekt arbeitet Spiros Zervoudakis seit 2008 jährlich am 6. Januar in verschiedenen Regionen Kretas.
Pythagoras glaubte, dass das Universum aus dem Chaos entstand und durch Mäßigung und Harmonie eine Form erhielt. Die Natur ist weniger bedrohlich, wenn sie rational ist, wenn natürliche Zahlen der Baustoff der Welt sind. So entstand der Wunsch, alles im Universum auf natürliche Zahlen zurückzuführen und vollständig durch rationale Beziehungen zu interpretieren.
Diese Vorstellung vom symmetrischen Aufbau der Welt – zu schön, um wahr zu sein – sollte schon bald widerlegt werden. Heute wissen wir, dass, wenn die Sterne am Nachthimmel natürliche Zahlen darstellen, die weite Schwärze dahinter die irrationalen darstellt. Spiros Zervoudakis’ Serie „irrational“ wandert auf den Pfaden von rationalem Wunschdenken und der irrationalen Natur der Realität.
Im Amsterdamer Aquarium fühlte Spiros Zervoudakis sich wie in die dünne Schicht zwischen Fantasie und Realität versetzt, an die Schwelle zwischen zwei parallelen Welten. Dort koexistierten Wasserlebewesen und Menschen in fremden, utopischen Landschaften.
Helden tauchen verschwörerisch aus der totalen Dunkelheit auf. Der ahnungslose Zuschauer ist nun ungewollt involviert. Ausgelöste Träume mutieren zu außerirdischen Alpträumen. In den Jahren seitdem setzte er seine Serie „trap“ unter anderem in den Aquarien von Kopenhagen, Frankfurt und Iraklio fort.
Die Serie „terra incognita“ befasst sich mit dem Verhältnis des Menschen zum Planeten, auf dem er lebt. Vor ungefähr 200.000 Jahren war die Menschheit eine unbedeutende biologische Spezies, die in irgendeiner Ecke Afrikas vor sich hinlebte. Im Uruniversum unserer Vorfahren bestimmen Götter die Naturphänomene und das Schicksal der Menschen.
Der Mensch passte die Umwelt seinen Bedürfnissen an und nutzte seine einzigartige Fähigkeit, sich gegen alle anderen Lebewesen, die auf „seinem Planeten“ leben, durchzusetzen. Heute dominiert er den Planeten, ist aber möglicherweise auch die erste Art, die ihr eigenes Verschwinden selbst erfasst.
Spiros Zervoudakis’ Arbeiten haben ihrerseits oft ihren Ursprung in einer Art „Urknall“, einem anfänglichen, zündenden Gedanken, einer zufälligen Erkenntnis. Darauf folgen bei ihm dann vor allem ein beharrliches Studium verschiedener Aspekte des Themas und die Bearbeitung über Jahre hinweg bis zur endgültigen Form.
Er beschreibt, dass seine Arbeit mit der Zeit immer esoterischer wird. Anfangs überwog noch eine Extrovertiertheit, die immer mehr durch eine innere Suche ersetzt wird. So sammelt er zwar stetig Erfahrung, doch es wird für ihn gleichsam schwieriger, einfach der „Grammatik der Schönheit“ zu folgen.
Spiros Zervoudakis’ Arbeiten findet Ihr auf seiner Webseite sowie auf Instagram. Auf letzterer Plattform kann man seinen neuen Serien beim Entstehen zuschauen, Altes mischt sich mit Neuem, die Fäden werden verwoben und Karten neu gemischt.