Gesichter der Wildnis
Wann immer ich mich in die Natur begebe, um nach Wildtieren zu suchen, weiß ich nicht, was mich erwartet: Komme ich mit einem Foto nach Hause oder wie so oft, nach einigen Stunden des Wartens, mit leerer Speicherkarte? Am Ende des Tages ist es nicht das Bild, worauf es ankommt, sondern auf die in der Natur verbrachte Zeit, die für mich wie eine Art der Meditation ist.
Mein Name ist Alessandro Sgro und ich bin Wildlife- und Naturfotograf aus der wunderschönen Eifel. Neben der Fotografie studiere ich Nachhaltige Entwicklung und bin leidenschaftlich im Naturschutz tätig. Dieses Jahr arbeite ich im Monitoring von Wölfen in Ost-Deutschland und freue mich sehr, dabei viel dazulernen zu dürfen.
Rehbock (Capreolus capreolus)
Der Mensch schützt das, was er kennt und was ihm am Herzen liegt. Als Wildlife-Fotograf möchte ich den Menschen also die Tierwelt zeigen und mit meinen Bildern und Geschichten so den Schutze der Natur erreichen. Hauptsächlich fotografiere ich in den wunderschönen Wäldern Europas und suche dort nach allen Tieren, die unsere Natur zu bieten hat. Egal ob Wolf oder Singvögel, ob Hirsch oder Eichhörnchen – es gibt keine Arten, die nicht interessant sind.
Begonnen mit der Wildlife-Fotografie habe ich im Jahr 2019 und bin seitdem wie besessen von dieser Leidenschaft. Ich habe schon verschiedene Arten fotografieren dürfen und jeder Moment war einzigartig. Sich über die Arten zu informieren, die man fotografieren möchte, ist essenziell, um bestens vorbereitet zu sein und die Tiere so wenig wie möglich zu stören.
Ethik in der Wildlife-Fotografie steht also für mich persönlich ganz oben auf der Agenda, denn kein Bild der Welt ist mehr wert als das Wohl eines Tieres. Entsprechend bitte ich: Füttert keine Wildtiere, denn das kann katastrophale Folgen wie etwa den Verlust der natürlichen Scheu vor dem Menschen haben. Möchtet Ihr Vögeln im Garten durch den Winter helfen, dann informiert Euch über das richtige Futter.
Die Momente mit Wildtieren werden mit diesem Respekt umso intensiver und man schätzt sie noch viel mehr, denn eine Begegnung mit einem Gesicht der Wildnis ist alles andere als selbstverständlich. Meine Aufnahmen nehme ich mit einer Nikon Z6 II und einem Nikkor 500 mm f/4 G VR auf, das für mich persönlich das beste System ist und mich, egal in welchen äußerlichen Umgebungen, nie im Stich gelassen hat.
Die Wälder der Nordeifel sind das Gebiet, in dem ich mich am meisten bewege, dort erlebte ich bereits viele unvergessliche Momente. Nach monatelanger Recherche und Suche konnte ich nach mehreren Versuchen endlich einen Uhu fotografieren. Diesen traf ich in einem Kiefernwald an und nach einem intensiven Moment mit diesem imposanten Vogel zog ich davon. Heute beobachte ich ihn immer wieder mit seinem Partner, sie werden voraussichtlich in diesem Gebiet eine Brut vollbringen.
Ein weiterer Moment, den ich nicht vergessen werde, war der mit einem Rothirsch an einem kalten Wintermorgen. Als ich mich im Wald leise durch den Schnee in Richtung einer Lichtung bewegte, sah ich dieses wundervolle Geschöpf dort stehen. Als der Hirsch mich bemerkte, starrte er mich zunächst einige Zeit an, bis er entschied, weiter auf der Lichtung zu grasen. Nach ein paar Minuten schlenderte er zurück in den Wald. Von einem wilden Tier akzeptiert und nicht als Bedrohung wahrgenommen zu werden, ist wohl der größte Vertrauensbeweis und ein unbeschreibliches Gefühl.
Meine Eltern stammen gebürtig aus Italien, einem Land mit einer unglaublichen Biodiversität und sehr wilden Ecken. Im Sommer 2020 machte ich mich also auf in die Apennin-Region mit dem ultimativen Ziel, Apennin-Wölfe zu tracken und zu fotografieren. Nach einer Woche intensiver Spurensuche, ein paar Sichtungen aus größerer Entfernung und vielen gewanderten Kilometern ergab sich dann endlich das erhoffte Erfolgserlebnis.
Nach dem Fund eines etwa zwei Wochen alten Kadavers eines Hirsches konnte ich Spuren nachverfolgen, die auf eine Wiese führten. Es hieß, gut getarnt zu warten und zu hoffen. Nach drei Stunden bemerkte ich die Warntöne vieler Vögel aus dem Wald, die oft ein guter Indikator dafür sind, dass etwas passieren könnte. Ein Wolf lief an der Wiese vorbei, der zweite blieb jedoch stehen und schaute herüber.
Da war er also, der Moment. Der Apennin-Wolf und ich – 25, vielleicht 30 Meter voneinander entfernt, starrten wir uns an. Zu beschreiben, was in mir vorging, ist nahezu unmöglich. Nervös machte ich ein Bild nach dem anderen. Nach wenigen Minuten zog der Wolf weiter und ließ mich mit diesen wunderschönen Erinnerungen und Aufnahmen zurück.
Eine weitere Spezies hatte ich jedoch noch auf dem Schirm: Die Apennin-Gämse, eines der seltensten Säugetiere Italiens. Erneut ging es also hoch hinauf in die Berge. Oben angekommen erhaschte ich einen Blick durch das Fernglas und sah zwei Individuen auf einer erhöhten Fläche stehen. Vorsichtig tastete ich mich heran und mir gelangen auch in diesem Fall für mich unvergessliche Aufnahmen von diesen wundervollen Geschöpfen in ihrem natürlichen Habitat.
Als kleiner Junge träumte ich davon, Braunbären und Wölfe eines Tages in ihrem natürlichen Lebensraum sehen zu können. Nach etwa einem Monat in der skandinavischen Wildnis erfüllte sich mir dieser Traum. Aber nicht nur Wölfe und Bären waren es, für die ich nach Skandinavien reiste, sondern auch die imposanten Moschusochsen, von denen es nur noch 300 Exemplare in Norwegen gibt.
Ein gewisses Maß an Abwechslung und Kreativität sind ein wichtiger Bestandteil meiner Fotografie. So probiere ich mich auch immer wieder aus und fotografiere etwa in dunklen Lichtverhältnissen oder bin gern bei schlechtem Wetter draußen, um beispielsweise Silhouetten und besondere Stimmungen einzufangen.
Auf meine kleinen Abenteuer gehe ich immer voller Tatendrang und investiere all meine Energie, um schlussendlich mit ein paar wenigen Sekunden und Momenten belohnt zu werden. Für mich gibt es keine gescheiterten Abenteuer auf der Suche nach den wilden Seelen unserer Wildnis, denn man lernt immer etwas dazu, egal ob man mit einem Foto nach Hause kommt oder nicht.
Das macht für mich auch den Reiz hinter der Wildlife-Fotografie aus: die Herausforderung und die Besonderheit der so seltenen Momente als Gast im Reich der Tierwelt. Qualität stelle ich immer vor Quantität und so kann es auch mal mehrere Jahre und viele Versuche benötigen, um eine bestimmte Art zu fotografieren, wenn ich ein spezielles Bild im Kopf habe.
In unserer heutigen Gesellschaft, getrieben von den Algorithmen der großen Social-Media-Plattformen, ist das meiner Meinung nach leider ein seltenes Phänomen geworden und so ist ein negativer Einfluss auf die Kreativität und die Arbeiten von Künstler*innen und Fotograf*innen entstanden.
Geht raus und erlebt Abenteuer in unserer wunderschönen Natur! Europa ist ein unglaublich schöner Kontinent mit vielen wunderbaren Arten. Ich hoffe, wir sind bald wieder in der Lage dazu, ihn zu bereisen und seine Artenvielfalt fotografisch festzuhalten.
Sehr schöne Bilder, danke :)
Verwendest Du irgendeine Form der Tarnung, wenn Du wartest? Ein Zelt, ein Netz oder so?
Hallo Ekki,
vielen Dank für die lieben Worte! :)
Ich benutze eigentlich immer einen Tarnanzug und ein Tarnnetz. Das funktioniert sehr gut in Kombination mit natürlicher Vegetation, die man auf dem Waldboden findet. :)
Liebe Grüße
Alessandro
Danke für diesen schönen Artikel. Mir gefallen sowohl der Text als auch die Bilder ausgesprochen gut. Ich wohne selbst am Rande von Eifel und Ardennen. Mir macht es Freude zu sehen, dass hier einmal nicht exotische Locations gezeigt werden.
Grüß dich Walter,
danke dir für diese schönen Worte, das freut mich. Die Eifel ist eine tolle Ecke mit wunderbarer Biodiversität. Sicherlich gibt es Orte wo man leichter und mehr Tiere findet, jedoch gefällt mir die Challenge und die Momente hier in der Heimat sind umso besonderer, wenn es zu einer solchen Begegnung kommt.
Blogartikel dazu: Wildlife Fotografie – Foto AG