Photosphäre: Kleinbildphotographie
Seit 2015 gibt es den Blog Kleinbildphotographie. Dort schreibt Marcel Dierke über die analoge Fotografie und berichtet von analogen Neuigkeiten, schreibt Anleitungen und zeigt auch seine eigenen Bilder. Sein großes Anliegen ist es, den Blog mehr und mehr zu einer Wissensseite umzubauen.
Wie kam es zur Blogidee?
Die Idee kam, als ich mich gefragt habe, was ich mit meinen ganzen Bildern machen soll. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits zwei Jahre fotografiert und wollte meine Bilder abseits der sozialen Medien zeigen, da diese ziemlich toxisch sein können. Außerdem habe ich zu diesem Zeitpunkt angefangen, mich beruflich mehr mit digitalem Veröffentlichen zu beschäftigen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich das privat auch machen wollte. Da lag es nahe, beide Interessen mit „Kleinbildphotographie“ zu verbinden.
In Deinem Blog berichtest Du auch von Polaroid und Mittelformat. Hast Du die Wahl des Blognamen schon einmal bereut?
Das sollte man meinen, aber zum Glück bisher nicht. Zugegeben, zu Anfang habe ich das Mittelformat sehr belächelt. Es kam mir albern vor, so große Negative zu produzieren und für so wenige Bilder so viel Geld auszugeben. Im Nachhinein war das sehr naiv und meinem Unwissen geschuldet. Heute fotografiere ich fast mehr Mittelformat als Kleinbild. Der Name steht für mich aber mittlerweile für mehr als das reine Format, er ist eher ein Ausdruck der Liebe zur analogen Fotografie.
Was fasziniert Dich an der Analogfotografie so sehr?
Ich liebe das analoge Handwerk und den damit einhergehenden Schaffensprozess. Filme selbst zu entwickeln und zu vergrößern, ist eine ungemein spannende Sache und die schier endlosen Möglichkeiten bei der Ausgestaltung faszinieren mich immer wieder aufs Neue (und lassen mich oft scheitern). Ich könnte mich mit digitalen Fotos nie so gut ausdrücken wie mit analogen. Der Look, das Gefühl und die Fehler geben den Bildern eine Einzigartigkeit, die mir bei digitalen Bildern oft fehlt.
Durch Deinen Blog hast Du eine gute Übersicht über den aktuellen analogen Markt. Wie siehst Du die Zukunft für analoge Filme?
Das ist schwer zu sagen. Ich habe leider keine Glaskugel, bin jedoch vorsichtig optimistisch. Die Rettung von Tetenal war enorm wichtig! Kodak und Ilford sind jedoch genauso systemkritisch und werden meiner Meinung nach von den vielen kleinen Filmproduzenten wie etwa Kosmo Foto bedroht.
Das soll nicht negativ klingen, aber die großen Player brauchen eben einen bestimmten Absatz, der ihnen langsam abgegraben wird. Dem wirkt entgegen, dass immer mehr Menschen wieder analog fotografieren. Das merke ich besonders an meiner Facebookgruppe für Neulinge und bis vor Kurzem an meinen Aufrufzahlen. Dabei ist es geradezu paradox, wie konträr die Entwicklungen verlaufen, wenn man nur mal Fujifilm und Kodak vergleicht. Das Auf und Ab in dieser Branche ist nahezu schwindelerregend.
Wie viel Arbeit steckst Du in Deinen Blog?
Tatsächlich investiere ich einen großen Teil meiner Freizeit in den Blog. Ich habe recht hohe Ansprüche an mich selbst, die ich nicht einmal im Ansatz erfüllt sehe. Ich arbeite jeden Tag daran, den Blog zu verbessern, gerade weil er eben eine Anlaufstelle für Neulinge ist und deswegen möglichst viel Mehrwert bieten soll.
Leider nimmt die administrative Arbeit einen Großteil der Zeit ein: technisch und rechtlich muss der Blog immer aktuell sein, was gerade in der heutigen Zeit sehr anspruchsvoll ist. Dazu kommen noch die Kanäle von Facebook, Instagram und YouTube, die ebenfalls bespielt werden wollen. Im Prinzip ist es ein Vollzeitjob.
Wie sind die Aufrufzahlen Deines Blogs?
Das ist mittlerweile schwer zu sagen. Um rechtlich sicher zu sein, gibt es ein Opt-In für alle Cookies, der leider nur selten aktiviert wird. Ich habe durch die DSGVO sehr viel Übersicht eingebüßt. Davor waren es zwischen 40 und 70 Besucher pro Tag, Tendenz steigend.
Wie monetarisierst Du Deinen Blog?
Momentan gibt es nur Amazon-Affiliate-Marketing auf der Seite, aber eher sporadisch. Hinzu kommen gelegentliche Kooperationen wie aktuell mit Kodak Alaris, aber auch die werden nur selten finanziell vergütet. Daher bin ich gerade dabei, einen eigenen Shop aufzubauen, der aber getrennt vom Blog betrieben wird. Ich habe auch mal Google-AdSense ausprobiert, aber schlechte Erfahrungen damit gemacht und es deshalb wieder abgeschaltet.
Bei Google-Adsense hatte ich mich mit kwerfeldein auch beworben, wurde jedoch abgelehnt, weil wir auch Aktfotografie bringen. Welche Probleme gab es bei Deiner Zusammenarbeit?
AdSense habe ich nur unter der Voraussetzung eingebaut, dass auch wirklich thematisch passende Werbung ausgeliefert wird. Das hat trotz aller Einstellungen nicht geklappt. Außerdem sah der Blog mit den Werbeeinblendungen einfach zu kommerzialisiert aus. Das hat mein Selbstbild vom Blog schon sehr gestört. Deshalb habe ich das nach etwa sechs Monaten wieder deaktiviert.
Was ist Dein Dir persönlich wichtigster Blogartikel?
Spontan würde ich sagen: Der Fotograf als gespaltene Persönlichkeit. Der Artikel ist nicht perfekt, aber sehr ehrlich und sehr persönlich. Er beschreibt mein Dilemma zwischen Gear Acquisition Syndrome und Straßenfotografie und allein, den Beitrag zu schreiben, hat mir schon sehr geholfen, meine Sicht zu klären. Ich hoffe, dass er das bei anderen auch schafft.
Was ist Dein meistgeklickter Blogartikel?
Das ist die Vorstellung der Praktica MTL 50. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum. Die Leute scheinen die Kamera zu lieben und sie ist ja auch ein tolles Teil. Sie war meine zweite Kamera und ich habe damit einige meiner noch heute besten Bilder gemacht.
Was macht für Dich einen guten Blog aus?
Ein guter Blog ist ehrlich. Wenn ich merke, dass er nicht authentisch ist, dann kann ich da getrost einen Haken dran machen. In den Texten sollte man merken, dass sich die Person dahinter in ihrem Thema auskennt, auch mal Fehler eingesteht und einfach für die Sache brennt, dann macht es auch Spaß, die Texte zu lesen.
Wie siehst Du die Zukunft Deines Blogs? Hast Du Wünsche für die Zukunft?
Vor einigen Tagen erst hat die Webseite ein Design-Update erhalten, sodass der Blog selbst nicht mehr wie frisch aus den 90er Jahren importiert wirkt. Das war ein wichtiger Schritt. In naher Zukunft möchte ich noch mehr Mehrwert bieten und dazu das „FAQ Analoge Fotografie“ weiter ausbauen. Außerdem fehlen die Themen Filmentwicklung und Dunkelkammer noch komplett, das muss ich dringend nachholen.
Langfristig wünsche ich mir, dass sich Analogfans umfassend auf Kleinbildphotographie informieren können und gerade Neulinge gut abgeholt werden. Wir können den Nachwuchs nur digital einfangen und so die analoge Fotografie weiter wachsen lassen. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen.
Danke für die Blog Empfehlung; kannte ich bisher nicht, wird aber sicher jetzt regelmäßig aufgerufen werden ;-)
Ein Analog-Fan-/Fotograf
Hallo Marcel,
deine HP „kleinbildphotographie“ erzeugt bei dem Titel sehr hohe Erwartungen.
In der Ankündigung heißt es „Sein großes Anliegen ist es, den Blog mehr und mehr zu einer Wissensseite umzubauen.“
da hast du dir aber etwas vorgenommen! :-)
Was mir bei dem Beitrag als Erstes auffiel war die unglaublich große Menge von Staubflecken auf dem ersten Bild und weiter auch bei dem 5. Bild oder bei anderen S/W Bildern auf deiner Seit. So ein Bild hätte ich nur als abschreckendes Beispiel gezeigt, oder war das hier auch so gedacht? Ich habe in dem Text nichts dazu gelesen. Die Suche auf deiner Seite nach „Ausflecken“ oder „Staub“ blieb auch erfolglos.
Zum Thema „Entwickeln“ gibt es nur einen Beitrag zum „Eberhard-Effekt“, der so exotisch ist, dass ich ihn wie du auch noch nicht bei meinen Bildern entdeckt habe.
Zum Thema „Digitalisieren“ habe ich nur den Bericht über den „Scan-Service“ gefunden. Dazu gehört doch unbedingt einiges zum Digitalisieren mit Scannern und zum Abfotografieren. Wenn man analog fotografieren will und die Bilder dann auch im Web zeigen will, gehört der ganze Hybrid Prozess dazu.
Weitere Anregungen:
andere Formate auf KB wie zum Beispiel Panorama mit der Horizon oder Noblex
eine Übersicht der Farbfilme und der S/W Filme (vielleicht sogar bis zu infrarot, ich benutze den Rollei Superpan 200 für IR Aufnahmen)
ich finde es sehr unangenehm, wenn ich auf die Vergrößerung eines Bilder klicke und dann keinen vor/rück Knopf finde.
VG und viel Erfolg
dierk
Hallo Dierk,
das von dir erwähnte Phänomen mit den Staubflecken fällt mir schon seit einigen Jahren auf – und zwar generell in der analogen Fotografie.
Ich vermute, hier wiederholt sich die Geschichte: Als die Fotografie aufkam, veränderte das die Malerei. Zuvor wurde möglichst realitätsnah gemalt/portraitiert. Nachdem diese Aufgabe von der Fotografie übernommen wurde, löste das den Zwang nach „perfekter“ (d.h. realitätsnaher) Malerei auf. Die Maler wurden „frei“ in ihrer Ausdrucksweise und es entstanden z.B. abstrakte Gemälde.
Nun wurde vor einigen Jahren die analoge Fotografie von der digitalen abgelöst. Nachdem früher die Analogfotografen in der Dunkelkammer das „perfekte“ (auch im Sinne von „staubfreie“) Foto erzeugen wollten, hat diese Aufgabe nun die Digitalfotografie übernommen. Unreinheiten werden mit zwei-drei Mausklicks weggepixelt. Folglich sind die Analogfotografen (so wie damals die Maler) „frei“ geworden und müssen nicht mehr die perfekten (staubfreien) Fotos abliefern.
Ich denke, die Staubflecken wurden zu einem Stilmittel nach dem Motto: Seht her, das ist eine Analogfotografie!
(Da hindert mich jetzt aber nicht, meine eigenen Analogfotos möglichst staubfrei zu erzeugen, wenn ich es denn mal wieder in meine Dunkelkammer schaffe.)
Hallo Barbara,
toll, du hast sogar noch eine Dunkelkammer!
Der hier sichtbare Staub und/oder Schmutz entsteht aber ja jetzt bei der Hybridverarbeitung nicht mehr erst und auch beim Vergrößern, sondern schon beim Entwickeln. Als ich noch vergrößert habe, habe ich manchmal Stunden damit verbracht, die wenigen Bilder einer Labornacht mit feinem Pinsel und Lupe auszuflecken. Ich glaube nicht, dass ein geübter Maler*in die offensichtlichen technischen Fehler in seinem/ihrem Bild als „Kunst“ anbieten wird.
Was hier auf den Bildern und auch auf anderen Bildern bei Marcel zu sehen ist, ist also auf oder im Negativ. Ich hatte vor einiger Zeit sehr große Probleme mit winzigen Spots auf den Filmen, bis ich heraus fand, dass es aus den Fixiererflaschen kam, die ich einfach zu lange benutzt hatte (natürlich nicht den Fixierer!). Dort hatte sich sehr viel Silber abgelagert. Seitdem wie auch schon früher muss ich die Flecken fast suchen, so sauber sind die Filme.
du schreibst:
„die Staubflecken wurden zu einem Stilmittel nach dem Motto: Seht her, das ist eine Analogfotografie!“
Es bleibt natürlich jedem überlassen, was sie/er für sich als „künstlerische Freiheit“ in Anspruch nimmt, aber für mich zählt eine mangelhafte Technik nicht dazu. Für mich liegt der Charme von analogen Bildern nicht im Schmutz, der da nicht hin gehört, sondern in vielen anderen Eigenschaften wir natürlich an erster Stelle dem mehr oder weniger feinen Korn (von ISO 25 oder ISO 3200 z.B.) und seiner Struktur.
VG dierk
Hi Dierk,
danke für das Feedback! Du hast in allen Punkten Recht, die du anführst. Wie weiter unten im Artikel steht, bin ich selbst nicht mal ansatzweise mit der Seite zufrieden.
Allerdings ist der Aufwand, ein so großes Thema umfangreich abzudecken, auch sehr hoch. Und das auch noch neben dem Vollzeitjob aufzubauen, ist sehr anspruchsvoll. Gerade wenn man gezwungen ist, sich nur noch mit Themen wie der DSGVO auseinandersetzen zu müssen. Wenn ich könnte wie ich wollte, sähe die Seite schon ganz anders aus.
Aber natürlich trotzdem danke für den Input, ich arbeite immer daran, die Seite zu verbessern und mit mehr Wissen zu füllen!
Eine Anmerkung zu Schluss: Bilder, auf denen du Staub siehst, sind tatsächlich so gewollt. Gerade bei dem Bild oben trägt das sehr zu Bildstimmung bei, so wie ich sie mir vorstelle. Die anderen Bilder hingegen sind ja ziemlich staubfrei. Das liegt natürlich im Auge des Betrachters, aber ich mag es so. Tatsächlich retuschiere ich, wenn überhaupt, nie den kompletten Staub auf meinen Bildern weg.
Viele Grüße,
Marcel
Hallo Marcel,
danke für deine Antwort. Ich dachte schon, dass ich auf meinen sehr kritischen Kommentar keine Antwort bekäme.
Wie geschrieben, bei dem Titel hast du dir viel vorgenommen.
„bin ich selbst nicht mal ansatzweise mit der Seite zufrieden.“ ist sicher auch ein großes Potential für Frust.
„Bilder, auf denen du Staub siehst, sind tatsächlich so gewollt. “
das würde ja im Prinzip heißen, dass du, wenn du die Filme zum Trocknen aufhängst, erst einmal dein Staubtuch ausschüttelst, damit man sieht, dass es analog ist?
Ich fotografiere seit über 60 Jahren, aber das habe ich noch nicht gehört.
Schmutz auf meinen Bildern werde ich auch in Zukunft nicht zur Kunst erklären :-)
VG dierk