24. April 2018 Lesezeit: ~10 Minuten

Sony World Photo Award: Im Gespräch mit Scott Gray

Ich hatte die Möglichkeit, den Sony World Photography Award in London zu besuchen und nicht nur mit den Fotograf*innen, sondern auch mit Scott Gray, dem Gründer der World Photography Organisation, ins Gespräch zu kommen. Seine Organisation leitet den Award und hat wirklich eine großartige Arbeit geleistet, wenn man die finalen Fotos und Serien sieht.

Im Laufe der Woche werde ich auch einige der hier genannten Serien näher vorstellen, aber ich denke, dass dieses kleine Interview ein guter Start ist, den Award etwas besser kennenzulernen und zu verstehen. Ich hatte viele Fragen und viel zu wenig Zeit, bin aber sehr dankbar, dass Scott sich in diesen stressigen Tagen einige Minuten für das Interview genommen hat.

Du bist Gründer der World Photography Organisation. Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine solche Organisation zu gründen?

Alles begann vor zwölf oder dreizehn Jahren. Ich bin selbst kein Fotograf, sondern genieße die Fotografie als Kunstform und suchte nach neuen Talenten, deren Werke ich kaufen könnte und wollte wissen, wie die nächste Generation der Fotografie aussieht. Ich fand jedoch keine Programme, die Künstler*innen dabei halfen, entdeckt zu werden. Also entschied ich, dass ich selbst ein solches Programm ins Leben rufe.

Das ist runtergebrochen, wie alles entstand. Ich dachte einfach, es wäre eine schöne Idee und mir war damals nicht klar, dass es zu dem werden würde, was es heute ist. Es ist großartig. Wie sich zeigte, haben der Markt sowie auch die Talente genau so ein Programm gebraucht. Es zeigt, wie viele gute Fotograf*innen da draußen sind, aber auch die Herausforderung, die es für sie bedeutet, eben weil es so viele sind. Es ist schwer, aus der Masse herauszustechen und ich möchte ihnen dabei helfen.

Marmorbruch

© Luca Locatelli, Italien, erster Platz der Professional Competition in der Kategorie Landschaft, Sony World Photography Awards 2018

War Sony schon von Anfang an dabei?

Ja, Sony war bereits seit dem Beginn als Partner für das Award-Programm mit dabei. Das ist großartig, denn sie verstehen das Konzept dahinter und arbeiten Hand in Hand mit uns. Es geht bei dem Programm nicht einfach um einen Award, sondern um Möglichkeiten für die Fotograf*innen. Dank Sony haben wir durch ihre zahlreichen Büros weltweit auch die Möglichkeit, in all diesen verschiedenen Ländern zu arbeiten: Sony Deutschland, Sony Peru, Sony Australien und so weiter. Wir können den lokalen Talenten vor Ort helfen und ihnen Sichtbarkeit bieten.

Ich habe gelesen, dass dieses Jahr 320.000 Fotos aus 200 Ländern für den Award eingereicht wurden. Wie ist es möglich, aus dieser Masse die besten Fotos auszuwählen? Das kann doch keine Person allein alles ansehen?

Die Jury hat jede einzelne Einreichung angesehen. Wir haben damit Anfang September 2017 angefangen. Es waren viereinhalb Monate Juryarbeit und wir reduzierten die Einreichungen Runde für Runde. Es ist eine riesige Arbeit.

Menschen und Pferde auf einem staubigen Platz

© Balazs Gardi, Ungarn, erster Platz der Professional Competition in der Kategorie Sport, Sony World Photography Awards 2018

Wie hast Du die Jury ausgewählt?

Wir wählen die Jurymitglieder sehr genau aus nach den Gesichtspunkten, die uns wichtig sind. Wir möchten, dass die Fotografie als Kunstform betrachtet wird und suchen nach Neuem in der Fotografie und den finalen Arbeiten.

Die Jurymitglieder wechseln auch jährlich, wenn ich das richtig gesehen habe.

Ja, das ist sehr wichtig, denn wir möchten ja nicht jedes Jahr dieselben Ergebnisse. Wir suchen zudem nach verschiedenen Betrachtungsweisen, weshalb immer je ein Jurymitglied mit europäischem, amerikanischem und asiatischem Hintergrund dabei ist, so dass wir von den verschiedene Sichtweisen profitieren können.

Dieses Jahr hat Alys Tomlinson mit ihrer Serie „Ex-voto“ den ersten Platz gemacht. Ausgewählt wurde sie aus allen erstplatzieren Serien der zehn Kategorien. Ich hatte, bevor es feststand, meine Kolleg*innen gefragt, welche der zehn Serien sie auf Platz eins sehen und wirklich jede*r hat etwas anderes gesagt. Wie kann man aus so verschiedenen Kategorien wie Portrait, Landschaft, Architektur und so weiter sich auf eine Serie einig werden?

Natürlich ist eine solche Auswahl subjektiv. Alle haben eine andere Meinung. Was aber in dieser letzten Runde wirklich wichtig ist, ist, dass es nicht um die Story geht. Man kann keine Reportage über ein Massaker mit einer Architekturserie vergleichen. Deshalb spielt in dem Augenblick die Story keine Rolle und es geht um die Fotos an sich, um die gesamte Arbeit und wie sie zusammen funktioniert. Und damit betrachtet man das Ganze schon wieder anders.

Aber ja, es bleibt immer noch subjektiv. Die Diskussionen in dieser letzten Runde sind großartig. Nur diese eine Entscheidung dauert Stunden und Stunden.

Portrait

© Alys Tomlinson, Großbritannien, Fotografin des Jahres, Professional Competition in der Kategorie Discovery, Sony World Photography Awards 2018

Wie wichtig ist die Story denn am Anfang bei der Auswahl?

Sie ist sehr wichtig während des gesamten Prozesses. Nur ganz am Ende, wenn es um den ersten Platz der einzelnen Kategorien geht, betrachten wir sie nicht mehr. Sie ist sehr, sehr wichtig.

Also ist einfach ein gutes Foto nicht genug?

Nein, nein. Eine gute Serie ist gut genug, wenn sie für sich selbst stehen kann. Ich denke zum Beispiel, dass die Architekturarbeit eigentlich keine Story und keinen Kontext braucht. Sie funktioniert aus sich selbst heraus.

Ein Gebäude ohne Fenster

© Gianmaria Gava, Italien, erster Platz der Professional Competition in der Kategorie Architecture, Sony World Photography Awards 2018

Ein Gebäude ohne Fenster

Wenn man 320.000 Fotos aus aller Welt ansieht, bekommt man sicher einen sehr guten Überblick über aktuelle Trends und vielleicht auch Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, oder?

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind vielleicht noch die offensichtlicheren. Die Künstler*innen arbeitet mit ihren kulturellen Hintergründen. Wir sehen zum Beispiel vorrangig dokumentarische Serien aus Mexiko und China.

Aber es ist auch eine globale Welt und ich finde es immer besonders interessant, wenn zum Beispiel ein kanadischer Fotograf in China arbeitet oder eine deutsche Fotografin in Peru. Sie haben eine ganz andere Betrachtungsweise als die dort lebenden Fotograf*innen und diese unterschiedlichen kulturellen Bezugspunkte erkennt man auch in den verschiedenen Arbeiten.

In Bezug auf Trends können Grenzen auch große Herausforderungen sein. Edgar Martins’ Serie zum Beispiel ist großartig. Wenn man andere Menschen bitten würde, eine dokumentarische Serie über Suizid zu machen, würden sie nicht eine solche Arbeit liefern. Er hat mit seinem Konzept Schönheit geschaffen. Wenn man unter die Oberfläche schaut, erkennt man die Tiefe seiner Arbeit. Ich denke, so etwas werden wir öfter sehen, wenn die Menschen merken, dass es nicht unbedingt die beste Antwort ist, zu schockieren.

Ein Brief von der Seite

© Edgar Martins, Portugal, erster Platz der Professional Competition in der Kategorie Still Life, Sony World Photography Awards 2018

Siehst Du auch technische Neuerungen in den Einreichungen? Ihr habt ja ein sehr breites Spektrum in den finalen Bildern – ich habe vom Nassplattenverfahren über Scans bis hin zu Drohnenbildern fast alles gesehen. Aber werden aktuell zum Beispiel Dank der Drohnentechnologie und dem Luftbildtrend sehr viele Luftaufnahmen eingereicht?

Ich denke dieser Trend ist schon wieder vorbei, um ehrlich zu sein. Wir hatten in der Vergangenheit wirklich viele Drohnenbilder und es gab ein absolutes Überangebot. Was vor vier Jahren noch eine Novität war, ist es jetzt nicht mehr. Aber um heute in einem Wettbewerb erfolgreich zu sein, braucht es keinen Trend. Wir suchen eher nach neuen Ideen, wie eben Edgar Martins’ Fotos der Abschiedsbriefe. Es geht um die Tiefe der Arbeiten.

Hast Du noch weitere Tipps für unsere Leser*innen, wenn sie im nächsten Jahr beim Sony World Photography Award teilnehmen möchten?

Wenn man in der Open Competition teilnimmt, bei der es um ein Einzelbild geht, dann ist es wichtig, etwas einzureichen, was wir nicht ständig sehen. Jeder kennt die klassischen Portraits älterer Menschen mit den faltigen Gesichtern. So etwas wird nicht gewinnen. Wie suchen nach Neuem, es geht bei uns um die Zukunft der Fotografie. Man sollte also anders denken.

Wenn man in der Professional Competition teilnimmt und damit eine ganze Serie einreicht, ist das Redigieren unglaublich wichtig. Man kann bis zu zehn Fotos einreichen und das machen viele. Aber von diesen zehn sind dann nur sieben großartig und drei eben nicht. Und dann wird die ganze Serie abgelehnt. Die Fotograf*innen müssen besser und klarer auswählen. Es ist sehr schwer, selbst zu redigieren, denn sie haben natürlich einen sehr persönlichen Bezug zu ihren Werken.

Ballarinas

© Fredrik Lerneryd, Schweden, erster Platz der Professional Competition in der Kategorie Contemporary Issues, Sony World Photography Awards 2018

Noch eine letzte Frage: Die Professional Competition ist für Profifotograf*innen und die Open Competition für Anfänger*innen – oder spielt das keine Rolle?

Nein, das spielt keine Rolle. Es klingt danach, da stimme ich Dir zu und wir müssen das in der Zukunft ändern.

Vielen Dank für Deine Zeit und das Gespräch!

Ich kann einen Besuch der Ausstellung zum Award Euch allen nur ans Herz legen. Sie ist noch bis zum 6. Mai im Somerset House in London zu sehen. Wer es nicht nach London schafft: Die Ausstellung kommt Mitte Juli auch nach Berlin. Alle Informationen dazu findet Ihr hier.

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