16. April 2018 Lesezeit: ~4 Minuten

Studien eines vergänglichen Mediums

Wer meinen Artikel über die Dunkelkammer als Saftladen gelesen hat, weiß, wie sehr ich Experimente mag. Heute geht es um Experimente mit Integralfilm (also den Filmen von Impossible Project bzw. Polaroid Original in jeglicher Ausführung), genauer gesagt mit der Emulsionsschicht dieser Filme.

Entstanden ist das Projekt aus der Idee, „unbrauchbare“ Bilder zu recyceln. Wer selbst mit Sofortbildfilmen arbeitet, weiß, dass sich hier schnell große Mengen „Ausschuss“ ansammeln – genau diese Bilder sind perfekt, um kreativ zu werden.

Um mit der Emulsionsschicht arbeiten zu können, sollte man den grundsätzlichen Aufbau des Films kennen: Grob gesagt besteht ein Integralfilm von vorn nach hinten aus einer klaren Kunststoffschicht, einer Bildempfangsschicht für das Positiv, einer weißen Titanoxidschicht und der schwarzen Negativbasis mit dem Negativbild. Sowohl die Schicht mit dem Positivbild wie auch das Negativbild bieten Ansatzmöglichkeiten für kreatives Arbeiten. Negative können zum Beispiel durch Bleichen sichtbar gemacht und Positivbilder manipuliert werden.

Bei meiner Arbeit konzentriere ich mich fast ausschließlich auf die Emulsionsschicht mit dem Positivbild, daher wird die schwarze Negativbasis entfernt/geöffnet um direkten Zugang zu haben. Nun eröffnen sich praktisch unendliche Möglichkeiten. Mein Vorgehen möchte ich an ein paar Beispielen zeigen:

Eine unkenntliche gemachte PersonEine unkenntliche gemachte Person

The Does

In der Serie „The Does“ nutzte ich die relativ einfache Tatsache, dass sich die Emulsionsschicht durch heißes Wasser von der klaren Plastikschicht lösen lässt und flexibel wird. Die schwarze Negativbasis habe ich dafür komplett entfernt und mit einer Pipette wiederholt sehr heißes Wasser auf die zu bearbeitenden Stellen getropft. Mit dem Finger lässt sich prüfen, wie weich die Bildschicht mittlerweile ist.

Die Schicht kann nun zum Beispiel leicht angehoben und verdreht werden wie im ersten Bild oder mit einem harten Gegenstand (etwa Rückseite eines Pinsels) zerrissen und zur Seite geschoben werden. Für einen intensiveren Kontrast habe ich das zweite Bild auf ein altes Polaroid von Motorteilen mit normalem Kleber geklebt.

BlumenSurreales Bild

Roid Rage

Der Effekt kann natürlich auch großflächiger genutzt werden wie in der Serie „Roid Rage“. Hier habe ich die dünne Aluschicht auf der Vorderseite sowie die Negativbasis auf der Rückseite entfernt und mit verschiedenen Temperaturen gearbeitet. Die Bilder habe ich danach auf der Fensterbank getrocknet und auf Aquarellpapier geklebt.

Surreales BildPolaroid

WebbXKarlsonXWastedFilms

Setzt man die Bildschicht nun länger heißem Wasser aus, beginnt sie, sich komplett von der klaren Plastikschicht zu lösen. Ich schneide gern mit einer Rasierklinge die Kanten des Bildes nach, um das Ablösen danach zu erleichtern. In dieser Serie habe ich die sehr fragilen Positive auf Postkarten aufgezogen und durch Schnitte bzw. Reibung weiter verfremdet. Die weißen Flecken sind die übrigens Reste der Titanoxidschicht.

Ein HausEine Brücke

Global Warming / Ice Age

Spinnt man diese Gedanken nun weiter, kann man auf diverse Ideen kommen, um der Bildschicht zuzusetzen. Die Serie „Global Warming“ mit ihren grünen Flammen entstand in einem DIY-Treibhaus und direkter Sonneneinstrahlung. Die Rückseite der Bilder wurde vorher eingeschnitten und mit Wasserstoffperoxid und Wasser behandelt. Als Gegenentwurf habe ich die Bilder der Serie „Ice Age“ im kalten Winter mehrere Tage lang eingefroren. Die Möglichkeiten sind also nur durch den eigenen Horizont begrenzt.

Nur wer ausprobiert, findet heraus, was möglich ist, daher möchte ich zu einem kindlichen Entdeckertum aufrufen, ohne sich die Möglichkeiten durch eigene Bewertungen und „Hellsehen“ zu nehmen.

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