Aufleben eines Klassikers: Das Kodachrome-Preset
Manchmal kann ich nicht gleich einschlafen. Es ist nicht wirklich ein Gedanke, der mich dann wachhält, es ist mehr die Neugier. Mich interessiert dann etwas Bestimmtes, ich möchte mehr darüber herausfinden und manchmal tritt das dann etwas los, das erst einmal so schnell kein Ende finden mag.
Seit ein paar Wochen schaue ich mir oft abends mit meiner Freundin alte Magnum,-P.I.-Folgen an und an einem dieser Abende war ich noch längst nicht müde. Ich fragte mich, auf welchem Material damals Magnum, P.I. eigentlich gedreht wurde und als ich mich so durch die Film-Nerd-Foren las, kam wieder der Gedanke auf, wie schade es eigentlich ist, diese Looks heute nicht mehr so gut nutzen zu können. Klar gibt es VSCO und FilmConvert und irgendwelche LUTs, aber irgendwie fehlt am Ende immer irgendetwas.
Mir fehlte Kodachrome immer und auch wenn uns VSCO eine ganz ordentliche Kodak-Portra-Variante geschenkt hat, konnten sie den Kodachrome leider nie abbilden. 2009 gab es letztmalig die Chance, diesen Film zu entwickeln und die hat bekanntlich Steve McCurry bekommen. VSCO kann also nach ihrem standardisierten Prozess, der es ihnen ermöglicht hat, viele Filme wirklich gut und im Rahmen des Möglichen abzubilden, kein eigenes Farbprofil entwickeln.
Man müsste dazu die wichtigsten Farben in einem Referenzbild auf Kodachrome abgebildet haben und eine Referenz, am besten das gleiche Motiv, unter den gleichen Bedingungen mit einer Digitalkamera aufgenommen, besitzen und dann die digitalen Farben auf die des Kodachrome-Bildes übersetzen.
Was wäre aber, wenn man mehrere Bilder nutzt? Sich also die Farben zusammensucht, die man als Referenz benutzen möchte und ein bisschen korrigiert. Sicher würde man so nie ein absolutes Ergebnis erreichen, aber vielleicht in die Nähe kommen? Ich begann damit noch am gleichen Abend.
Ich suchte mir altes Material und begann, damit ein Farbprofil zum Test zu erstellen und rudimentäre Anpassungen in Lightroom auszuprobieren. Auf den ersten Bildern sah es ganz gut aus. Ich schlief zufrieden ein und wachte sehr aufgeregt am nächsten Morgen auf. Noch vor dem Frühstück arbeitete ich weiter und hatte bald eine ganz gute Grundlage.
Ich freute mich, weil vor allem auf der Leica M9 endlich mal ein Look überall zu funktionieren schien und so zeigte ich die ersten Bilder auf Facebook. Es dauerte nicht lange, da baten mich meine Freunde darum, das auch mal ausprobieren zu können. Ich musste also neue Kameraprofile erstellen.
Ich bat sie auch gleich, das Preset ein wenig zu testen, war ich doch neugierig, ob es nur bei mir für wenige Bilder funktionieren würde oder auch bei jemandem, der vielleicht ganz anderes fotografiert. Was zurückkam, war überaus vielversprechend und so bat ich noch mehr Leute, mir RAWs zu schicken, damit ich noch mehr Kameras mit eigenen Farbprofilen versehen konnte.
Eine kleine Gemeinschaft formte sich und das motivierte mich noch mehr, einen wirklich soliden Look zu formen. Gleichzeitig war ich ein wenig unsicher. Natürlich ist es nahezu unmöglich, Kodachrome wirklich digital abzubilden, allein Lightroom bietet uns gar nicht die nötigen Werkzeuge dafür. Ich würde zum Beispiel gern bestimmte Tonwertbereiche in ihrer Sättigung definieren können oder eine Tonung weniger global anwenden, sondern eben nur auf einen bestimmten Tonwertbereich und auf einen anderen wiederum eine ganz andere Farbe.
In Photoshop geht das, aber ich möchte ein Tool, das es anderen ermöglicht, einfacher einen Look anzuwenden. Hoffentlich hatte ich nicht zu viel versprochen, dachte ich mir. Glücklicherweise halfen mir ein paar gute Freunde dabei und gaben mir immer wieder Feedback, was mir entweder Mut machte oder mich an anderen Stellen dazu brachte, es mir nicht leicht zu machen, sondern weiter zu testen, mir Mühe zu geben und dran zu bleiben. Schließlich gibt es schon genug schlechte Lightroom Presets.
Ich wäre ohne Hilfe vermutlich auch nie auf einen Namen gekommen. So was fällt wir nun wirklich nicht leicht. Kodachrome wurde im K14-Prozess entwickelt und so schlug jemand „Classic K14“ vor. Ich nahm diese Idee dankbar an.
Mittlerweile waren ein paar Tage vergangen und eine kleine Horde neugieriger und gespannter Fotograf*innen hatte sich vor meiner digitalen Haustür formiert, um die Veröffentlichung des Presets zu fordern. Ich klickte mir meinen Blog schnell zu einem Mini-Onlineshop und bot das Classic K14 Preset zum Verkauf an.
Mir ging es dabei nicht um den großen Reibach. Mehr wollte ich mir ein bisschen Zeit erkaufen, damit ich mich damit wirklich auseinandersetzen können würde. Schließlich musste nun der ganze Kameramarkt in Profilen abgebildet werden und wer weiß schon, auf was für Hürden man da stoßen wird.
Das Ding würde noch ein bisschen Zeit fressen und ich wollte nicht, dass es wieder zum Stillstand kommt, nur weil ich meine Ressourcen aufgebraucht hätte. Dank der kleinen Community, die sich schon gebildet hatte, fand ich schnell einen fairen Preis heraus und konnte es mit reinem Gewissen anbieten.
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Fotos: Malte Grüner
Malte ist für mich jemand, der Looks tatsächlich versteht und ich hole mir gern seinen Rat ein. Er war einer der ersten, die das Preset Classic K14 für mich testen sollten. Er hat es damals bei einer kleinen Serie, die er in Japan mit einer Sony A7 und einem Voigtländer Nokton 40 mm f/1.4 fotografiert hatte, getestet und die Ergebnisse haben mich erst einmal beeindruckt. Mir war nicht klar, wie gut das Ganze in einer urbanen Situation funktionieren würde.
Was war ich aufgeregt. Wer würde das Ding kaufen und würde es den Ansprüchen genügen, die nun fremde Ansprüche sein würden? Der erste Käufer war jemand, den ich da gar nicht im Gedanken hatte, sondern jemand, den ich sehr schätze und vor dem ich Respekt habe. „Wenn das nun doch nix taugt“, dachte ich mir und während der Gedanke quer durch meinen Kopf schoss, kam auch schon eine Nachricht. Ich hatte meinen ersten Kunden sehr begeistert. Alle meine Befürchtungen waren genau im Gegenteil wahr geworden.
Die nächsten Tage waren noch einmal sehr aufschlussreich und dieses erste positive Erlebnis hat mich nochmals motiviert. Ich habe noch viele Profile nachgeliefert und bekam noch mehr, noch fundierteres Feedback, aber vor allem sah ich viele Bilder. Das Classic K14 Preset funktionierte bei weit mehr, als ich je im Blick hatte. Es hatte sich auch ein bisschen verselbstständigt. Der analoge Gedanke stand für die kleine Community nicht mehr zwingend im Vordergrund.
Man entwickelte eigene Variationen, fragte nach einer iOS-App und ich bemerkte, wie wichtig die einfache Benutzbarkeit ist. Es muss mit möglichst wenigen Anpassungen bei jedem Motiv funktionieren. Mit all dem Input konnte ich dann noch weitere Variationen entwickeln, zusätzliche Tonungen kreieren – ja, Magnum hat hier auch seine Spuren hinterlassen – und auch eine Variante beisteuern, die den Kodachrome der 50er-Jahre zum Vorbild hat.
[twentytwenty][/twentytwenty]Foto: Simon Wegener
Simon hat einen ganz anderen Blick auf die Postproduktion als ich oder Malte. Es sind Leute wie Simon gewesen, die mich dazu angehalten haben, wirklich jedes Detail zu hinterfragen und mir Gedanken darüber zumachen, wie gut das Preset für Leute funktioniert, die zwar den analogen Charm wollen, aber am Ende doch ein Ergebnis von höchster Qualität fordern.
Ja, da sind wir nun im Heute angekommen. Es existieren nun 20 Variationen, ein Großteil des Kameramarktes ist mit Profilen abgebildet und ich freue mich immer noch wie ein kleines Kind, wenn ich neue Bilder mit dem Look sehe. Die kleine Facebook-Gruppe wächst immer weiter und ist langsam nicht mehr so klein. Mir gefällt der Gedanke, dass dort Menschen zusammenkommen und neue Verbindungen entstehen. Für den Moment bin ich ziemlich zufrieden.
Nach drei Wochen, in dem das ein großes und wichtiges Thema für mich war, habe ich nun auch wieder einmal selbst fotografiert und arbeite gerade an zwei Magazin-Strecken. Erst einmal wieder etwas Abstand erlangen, aber dass es da vielleicht noch eine englischsprachige Seite geben müsste, geistert mir dennoch im Kopf herum. Mal sehen, was noch so passieren wird, mit dem Classic K14 Preset.
Zu kaufen gibt es die Presets auf meinem Blog, weitere Infos und viele weitere Bilder sind in der Facebook-Gruppe zu finden.
Tolles Projekt! Und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen…
Fotografiere ausschließlich digital, aber hin und wieder benutze ich gerne Presets um den analogen Charme wieder aufleben zu lassen.
Sehr schöner Beitrag und auch sehr interessant!
Das Preset gefällt mir richtig gut… denke das werde ich mir mal leisten ;-)
Die Presets sehen wirklich wunderschön aus!
Die Farben gefallen mir sehr und es ist interessant, mal die Geschichte dahinter zu erfahren (denn Presets gibt es ja nun wirklich zu Hauf im Internet angeboten).
Was ich mich aber frage: Wieso hat VSCO es angeblich nicht hinbekommen, den Film in seinen Presets zu imitieren, aber du schon? Die haben doch auch bisher viele andere Filme imitiert, wieso ist es bei diesem nicht möglich gewesen, dir aber gelungen? Ich hab das im Text leider nicht verstanden und besitze auch nicht das nötige Know-How dazu, wäre toll, wenn du das nochmal erklären könntest (oder jemand Anderes)!
VSCO fotografiert einen Testaufbau mit allen digitalen Kameras und dann eben mit den entsprechenden Filmen. So gelingt es ihnen, ein sehr genaues Farbprofil zu erzeugen. Mit Kodachrome ist das leider nicht mehr möglich, da man ihn im K14 nicht mehr entwickeln kann. Das ging nur über Kodak selbst, bzw. einige Fachlabore. 2009 hat Kodak diesen Dienst aber eingestellt. VSCO konnte also keine Grundlage mehr schaffen, die ihren Standards genügt.
Nun muss man sagen, dass VSCO da auch versucht besonders wirtschaftlich ranzugehen. Das Investment an Zeit, ist nicht absehbar, was man benötigt, um eventuell die richtige Übersetzung zu erraten. Nichts anderes habe ich aber gemacht. Ich habe versucht möglichst viel Material auf Kodachrome zu finden, um die Farbdarstellung irgendwie nachempfinden zu können. Also man weiß ja, wie ein roter Hydrant aussieht und wenn ich ein Bild habe, bei dem ich sehen kann, wie der auf Kodachrome funktioniert, kann ich mir schon mal das Rot annähernd übersetzen. Hat man die wichtigsten Farben durch, braucht es noch einiges an Detailarbeit und man erhält ein brauchbares, aber nicht so eindeutiges Ergebnis wie VSCO. Ich habe 2 Jahre immer mal wieder daran gearbeitet und vor ein paar Wochen halt plötzlich große Schritte vorwärts machen können, da mir nun das nötige Material zur Verfügung stand. Für VSCO war der Weg vermutlich zu weit und zu wenig erfolgsversprechend.
Toller Artikel und beeindruckendes Ergebnis.
Mich würde sehr interessieren, wie du mit den Tools die Lightroom bietet vorgehst um einen bestimmten Look zu kreieren/nachzustellen. Also welche Vorgehensweise die Basis darstellt, um mit sicherlich viel Recherche und Detailarbeit ein solches Preset zu kreieren.
Vielleicht wäre das auch einen eigenen Artikel wert :).
Da kommt so viel zusammen, zum Beispiel, dass man zufällig auf PDFs von Kodak stößt, in denen die Tonwertkurven bei bestimmten Belichtungen wiedergegeben werden, ohne dass man danach gesucht hat und sich denkt, och… gar nicht so dumm. Es ist einiges an Erfahrung nötig, um Bilder und Looks lesen zu lernen und am Ende ist Reverse Engineering oft ein Weg ins Leere. Schwer zu erklären, aber ich denke mal drüber nach und vielleicht schaffe ich es ja, die richtigen Worte zu finden.
Blogartikel dazu: Classic K14 Lightroom Preset von André Duhme | Birger
Die Bilder sind super, wahrscheinlich auch besonders durch die Stimmung des Presets. Ich bin begeistert. Auch sehr spannend, wie sich das Projekt entwickelt hat.
Blogartikel dazu: Die Suche hat ein Ende - Festbrenner - Michael Dockhorn PhotographieFestbrenner – Michael Dockhorn Photographie
Blogartikel dazu: Fotografie-Blog-Bühne 2017 | CARSTEN KIESSLER photographie
Blogartikel dazu: 3 MONATE – TALK, FOTO, BUCH, MUSIK | duetundat.net
Hallo André,
ist geplant, die Presets auch für Capture One umzusetzen? Leider bin ich kein Light-Room Nutzer.
Beste Grüße
Benedikt
Hallo Bene, C1 Styles sind nun auch umgesetzt, solltest du es noch nicht mitbekommen haben. :)
Blogartikel dazu: Classic K14 64er - Modern
Blogartikel dazu: The Classic Presets | aufzehengehen - Jonas Hafner Fotografie
26 Euro für das k14 Preset find ich ziemlich überzogen.