Test: Presets von Paul liebt Paula
Es gibt sie zu Hauf: Die Lightroom- und Capture-One-Presets, die unseren Bearbeitungsprozess vereinfachen und beschleunigen möchten oder gar solche, die uns bessere Bilder suggerieren. Dass dabei kein Preset der Welt unsere eigentliche Arbeit als Fotograf*innen aufwertet, ist sicher allen, die diese Zeilen lesen klar – und dennoch: wir nutzen sie und das zu Recht, denn sie vereinfachen und beschleunigen unsere Arbeit. Ganz gleich, ob wir selbst entwickelt oder, wie in diesem Falle, erworben haben.
Wer etwa gern den Look analoger Filme auf seine digitalen Aufnahmen übertragen möchte, findet bei VSCO und Konsorten womöglich etwas Passendes. Wer das eigene Geld aber lieber in kleine Herzensprojekte steckt, schielt abseits der größeren Verkaufsstellen auf Kollegen, die ihre Looks zum Verkauf anbieten und auf die Wünsche ihrer Communities eingehen. So auch die von Paul liebt Paula*, deren Presets ich nun Zwecks Testbericht vor mir liegen habe.
Vorab und damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich ist ein solcher Beitrag subjektiv. Er kann gar nicht anders sein, denn auch ich habe meine fotografischen Vorlieben und nicht jedes Preset kann diese bedienen. Dass die Presets von Paul liebt Paula mir liegen und ich die Grundstimmung, die sie erzeugen, mag, kommt gelegen, macht aber noch lange keinen Beitrag. Erst recht keinen, der Vor- und Nachteile dieser Presets aufzeigen soll. Überhaupt: Selten ist es mir so schwer gefallen, klare und neutrale Richtlinien zur Beurteilung eines Produkts zu definieren.
Was macht ein gutes Preset aus?
Ginge es um die Filmsimulationen eines André Duhme oder die aus dem Hause VSCO, wäre die Sache leichter. Man vergleicht die digitale Nachahmung eines Filmes mit dem Original und der Vergleich wird im Grunde für sich sprechen.
Über Looks, die kein Original als Vorlage haben, sondern selbst das Original sein wollen, wie die, die ich nun vor mir habe, lässt sich da schwerer urteilen. Deshalb und weil mir dieser Weg am sinnvollsten erschien, ist der Beitrag hier und da mit Vergleichen zu anderen Anbietern solcher Presets versehen und damit keine reine Kritik. Am passendsten, weil recht frisch auf dem Markt, einen Blick wert, gefühlt in eine ähnliche Richtung arbeitend und preislich in etwa in einer Kategorie, schienen mir hierfür die Presets von Björn von Hafenliebe.
Die Presets von Paul liebt Paula sind für 69 € zu haben. Dafür bekommt man sechs Presets, von denen drei Schwarzweiß- und weitere drei Farblooks kreieren. Das ist, würde ich behaupten, eine selbstbewusste Verkaufsstrategie. Zum Vergleich: Bei Hafenliebe bekommt man für 20 € mehr ganze 16 Presets sowie eine nützliche Toolbox.
Und dort, wo nicht die Masse an Filmsimulationen vorhanden ist, sind es Toolboxen und Anleitungen, die den Nutzer*innen zur Hand gehen, wie im Falle der Cinestill-Presets von André Duhme, der zwar lediglich zwei Grundlooks in acht Variationen anbietet, aber mit drei weiteren Toolboxen sowie Kameraprofilen für beinahe jede gängige Kamera für 29,90 € irrsinnig viel bietet.
Aber hey: Viel heißt nicht mehr und mehr muss mir die Suche nach dem passenden Look nicht zwingend vereinfachen. Und dass ich mich für die Presets von Paul liebt Paula entschieden habe, kam nicht ohne Grund, schließlich gefallen mir ihre Resultate und wenn ich sie mit den angebotenen Presets erreiche, soll mir das die 69 € auch wert sein. Also klicke mich durch einige alte Bilder, denen ich zutraue, in schwarzweiß gut zu wirken. Ich möchte nämlich zuerst schauen, ob die drei Schwarzweißkonvertierungen funktionieren und wie sie auf unterschiedliche Farbwelten wirken.
Mit funktionieren meine ich nebst dem ersten Gesamteindruck auch die Verarbeitung der einzelnen Farbtöne. Mich interessiert zudem, wie detailreich das Bild am Ende noch ist oder ob das Schwarz viel „aufsaugt“. Ich nehme mir dazu Aufnahmen vom Shooting mit Viktoria: Hartes Licht, dazu eine beinahe farbfreie Umgebung. Eigentlich wie gemacht für schöne Schwarzweißpresets. Die Herausforderung bei den Bildern wird es sein, den Look durchzusetzen und dennoch Details zu erhalten.
Was mir direkt auffällt und durchaus positiv ist: Ich muss erst einmal nicht groß gegen das Preset anarbeiten. Das heißt in Sachen Grundhelligkeit passt alles auf Anhieb, so dass ich die Fotos durchaus auch so verwenden könnte.
Die drei Varianten sind sich im Grunde recht ähnlich. Die größten Unterschiede zeigen sie beim Kontrast sowie bei der Handhabung der Tiefen. Variante 1 zeigt Schwarz beinahe tatsächlich als Schwarz, während BW3 gar kein Schwarz mehr im Bild aufzeigt und den Kontrastbereich damit zwischen einem dunklem Grauton und einer weichen Helligkeitsspitze einengt.
Auf Anhieb mag ich die goldene Mitte, also BW2, nehme hier aber erst einmal etwas Körnung heraus, damit die Struktur im Bild selbst in den Vordergrund rückt und nicht überdeckt wird. Ich ändere die Stärke der Körnung von 55 auf 36. Also kein großer, aber doch sichtbarer Unterschied. Dazu leichte Korrekturen bei den Grundeinstellungen, im Speziellen beim Kontrastwert, der mir mit 41 zu hart angesetzt ist. Das Resultat von zwei Minuten Feintuning lässt sich sehen.
Hatten es die Schwarzweißpresets mit den oben gezeigten Bildern noch recht einfach, wollte ich mehr Farbe in das Bild bringen und schauen, wie Schwarzweißlooks mit solchen Bildern zurechtkommen. Die meisten Probleme bei Schwarzweißkonvertierungen tauchen dann auf, wenn die Luminanz einzelner nacheinander liegender Farbwerte drastisch verändert wird. Das kann zu unschönen hellen Kanten bei Farbübergängen führen. Erfahrungsgemäß tauchen die Probleme im Himmel oder bei den Gelb-Grün-Übergängen auf. Ich erwarte hier von einem Preset, dass es dezent mit diesen Werten umgeht.
Die Presets von Paul liebt Paula schlagen sich dabei recht gut. Ich sehe kaum harte Kanten und die, die ich zu sehen bekomme, sind in der Regel einem nicht sauberen Weißabgleich verschuldet. Bei wirrem Partykunstlicht sind naturgemäß Farben kritischer. Aber auch da bleiben Flecken und Artefakte aus bzw. im Rahmen. Das ist klasse.
Nun ging es an die drei Farbvarianten, die das Paket mitbringt und Paul liebt Paula selbst Classic, In The Woods und Muted colors getauft haben. Mit Farben im Bild kommt eine Ebene ins Spiel, die sehr heikel ist. Zu stark auf das Bild einwirkende Presets möchte man eher weniger, schließlich soll der Charakter der Aufnahme nicht verändert werden. Man hat ja nicht umsonst auf die eine oder andere Art fotografiert.
Es gibt da noch einen weiteren Grund, weshalb solche Vorlagen eher dezent andeuten sollten, wozu sie fähig sind: Am Ende klicke ich mich als Verbraucher ein oder zwei Mal durch und wenn etwas zu krass auf mein Bild wirkt und daher eher störend wirkt, kommt es weg. Ich sehe bei einem stark veränderten Bild nicht unbedingt, was möglich wäre, würde man hier und da noch an den Reglern drehen. Ich sehe ein Bild, das ich so nicht gemacht habe und das so nicht aussehen soll und ziehe weiter.
Das verstehen auch die Presets von Paul liebt Paula und kommen eher sanft und gleichmäßig daher. Wer es dennoch kantiger und härter mag, dem wird es leicht fallen, das zu erzeugen. Was direkt auffällt: Die drei Farblooks unterscheiden sich kaum. Ja, da ist die Tonung in den Tiefen und die unterschiedliche Handhabung der Dynamik und der Sättigung. Aber keine allzu große optische Veränderung. Das ist in der Breite dann doch enttäuschend, vor allem mit vergleichendem Blick auf das Paket, das etwa Hafenliebe schnürt.
Zur Erinnerung: Dort habe ich nebst den sieben Farbvarianten noch zwei Abstufungen einer Version und damit insgesamt neun Möglichkeiten. Ich gehe meine Bilder durch. Schaue mir farbarme und ruhige Bilder ebenso an wie farbenfrohe und detailreiche Aufnahmen. Ich stelle fest, dass mir dort, wo viel Schwarz im Bild ist, die Muted-Colors-Variante am besten gefällt.
Die Classic-Variante funktioniert dort, wo viel Licht im Bild ist, wunderbar. Sie greift die Details nicht so stark an, wie die Version In The Woods, die dafür kontrastreicher daher kommt und ist im Vergleich zur Muted-Colors-Vorlage einen Tick wärmer und schärfer.
Was ich am Paket eingangs kritisiert habe, kann aber auch ein durchaus als Vorteil verstanden werden: Bearbeitet Ihr eine Hochzeit, könnt Ihr durchaus je nach Situation und Bildcharakter eines der drei Presets anwenden, ohne die Gesamtstrecke aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Presets von Paul liebt Paula* sind durchdacht, kommen im Paket einheitlich und miteinander harmonierend daher. Sie zeigen, wozu sie fähig sind, ohne allzu verändernd auf den Charakter der Bilder einzuwirken. Müsste ich eine Kaufempfehlung abgeben, würde ich das tun, allerdings mit Verweis auf den Preis, für den man quantitativ (ohne qualitative Einschränkung) andernorts durchaus mehr bekäme.
* Kauft Ihr ein Preset über diesen Link, erhält kwerfeldein eine kleine Provision, Ihr zahlt aber keinen Cent mehr.