Skateboardfahrer
08. März 2018 Lesezeit: ~5 Minuten

Buchtipp: Locals Only

Ich bin nie Skateboard gefahren, aber ich weiß, wie sich eine Kindheit und ein Sommer voller Freiheit anfühlen. Lange, heiße Tage, die in warme Abende und Nächte übergehen, so dass man sich wünscht, nie nach Hause gehen zu müssen. Braune Haut und von Sonne und Salzwasser ausgeblichene Haare. Herumhängen mit der Bande. Die ersten heimlichen Zigaretten, angezündet mit der Coolness erfahrener Rauchender. Das Gefühl, endlos Zeit zu haben.

Als ich im Netz zufällig auf Fotos aus Hugh Hollands Buch „Locals Only“ stieß, die er ab Mitte der 70er Jahre von Los Angeles’ Skateboardszene gemacht hatte, war ich sofort gebannt, denn bei jedem Anschauen versetzt mich der Bildband gefühlt zurück in meine eigene Jugend. Und das, obwohl ich zum Zeitpunkt der Aufnahmen gerade erst geboren war. Die Fotos dokumentieren ein Stück Entstehungsgeschichte des Skateboardfahrens wie wir es heute kennen.

Skateboardfahrer auf einem PfeilEin Kind sitzt an der Straße

Zum Zeitpunkt der Aufnahmen von 1975 bis 1978 erlebte der Sport ausgehend von Kalifornien gerade eine Hochphase, war aber noch nicht sehr kommerzialisiert. Ein paar Jahre später breitete er sich über die USA auch in andere Länder aus.

Hugh Holland, der die Aufnahmen machte, arbeitete als junger Mann in einem Fotolabor und kam so erstmalig in Kontakt mit der Fotografie. Nach seinem Umzug nach Los Angeles einige Jahre später sah er hier und da Kinder, die Skateboard fuhren und begann sporadisch, sie zu fotografieren. So fuhr er eines Nachmittags durch die Straßen seiner Nachbarschaft und entdeckte ein paar von ihnen, wie sie in einem ausgetrockneten Kanal auf Skateboards die schrägen Wände hoch und runter fuhren.

Skateboardfahrer im Gegenlicht

Skateboardfahrer im Gegenlicht

Er beschreibt im Eingangstext des Buches diesen Moment rückblickend als den Moment, in dem er das erste Mal sah, wie jemand vertikal Skateboard fuhr, anstatt horizontal über den Asphalt zu rollen. Das war etwas Neues. Er stieg aus dem Auto und lief hinüber, um sich die Sache näher anzusehen. Die Kinder waren angetan davon, dass er eine Kamera dabei hatte und so gestaltete sich dieser erste Kontakt als sein Einstieg in die Skateboardszene, die er in den nächsten Jahren fotografisch dokumentierte.

Hugh Holland fotografierte mit einer Canon-Spiegelreflexkamera und einem Objektiv kurzer Brennweite, so dass er ganz nah ans Geschehen ran musste. Mit dieser Ausrüstung machte er nicht nur Nahaufnahmen der Kinder, sondern bezog einen Großteil der Umgebung mit in die Bilder ein. Das verleiht den Fotos viel Spannung. Die Aufnahmen zeigen an Zäunen hängende Jugendliche, anderen beim Skaten zusehend oder selbst Tricks ausprobierend.

Zwei Kinder

Skateboardfahrer

Holland fotografierte vorbeirollende Kinder, die mit selbstbewusstem, teils rotzigem Blick in die Kamera schauen. Androgyn wirkende Teenager mit freien Oberkörpern, braungebrannter Haut und langen Haaren, die den goldenen Schimmer der kalifornischen Abendsonne reflektieren. Alles ist in Bewegung.

Eingerahmt werden die Szenen von ausgetrockneten Pools, Schulhöfen, Canyons und kurvigen Straßen im Licht einer tiefstehenden Sonne. Einige der abgelichteten Kinder wurden nur wenige Jahre später, als der Sport sich zunehmend kommerzialisierte, professionelle Fahrer*innen wie Stacy Peralta und Jay Adams.

Hugh Holland machte in den Jahren zwischen 1975 und 1978 zahlreiche Fotos der Skateboardszene Los Angeles’. Es ist bemerkenswert, dass er diese erst 2011 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und sie in Buchform gebracht hat. Der Bildband und seine Fotos sind im DIN-A4-Hochformat gestaltet. Ein Querformat hätte dem Buch vielleicht nicht geschadet, da die teils doppelseitigen Fotos dann noch besser zum Ausdruck gekommen wären und nicht manchmal störend durch den Buchfalz unterbrochen werden. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

SkateboardfahrerBuchcover

Die Aufnahmen im Buch sind absolut sehenswert und es lohnt sich, sie immer wieder anzuschauen. Ich hätte mir noch mehr Hintergrundwissen zu den Aufnahmen gewünscht. Dass es diese nur in Form ein paar kurzer Informationen zu den Fotos auf den letzten Seiten des Buches gibt, ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass sie ursprünglich nicht zum Zweck aufgenommen wurden, veröffentlicht zu werden und es Jahrzehnte später schwierig sein dürfte, Details zu den vielen Aufnahmeorten und Personen zu finden.

„Locals Only“ ist ein lohnenswertes Buch für alle Fans dieses Sports, aber auch für alle anderen, die Interesse an authentischen Aufnahmen aus den goldenen 70er Jahren haben.

Informationen zum Buch

Locals Only. California Skateboarding 1975–1978 von Hugh Holland
Sprache: Englisch
Einband: Gebunden
Seiten: 84
Maße: 20,9 x 28,3 cm
Verlag: AMMO BOOKS
Preis: 19,95 €

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