Ein Mann steht zwischen zwei Lastwagen
24. März 2016 Lesezeit: ~6 Minuten

Testbericht: SLR Magic Hyper Prime 23 mm f/1.7

Mit der Objektivreihe, die den etwas bemüht klingenden Namen „Hyper Prime“ trägt, schlägt die Firma SLR Magic eine andere Richtung ein. Bisher waren sie eher für ihre Spielzeuge und Zubehör bekannt, was auch erklärt, warum viele den hochwertigen und nicht gerade billigen Objektiven der Marke skeptisch gegenüber stehen.

Auf der Suche nach gerade solchen – hochwertigen, etwas günstigeren – Optiken mit besonderen Eigenschaften landet man schnell bei Anbietern abseits der großen Namen. Dass darunter außerordentlich gute Objektive für spezifische Zwecke zu finden sind, zeigt schon die Firma Walimex mit ihrem breiten Angebot.

Das SLR Magic Hyper Prime 23 mm f/1.7 fiel mir eher zufällig ins Auge, nachdem mein Fujinon XF-23 mm f/1.4 R unfreiwillig den Besitzer gewechselt hatte. Mit einem Preis von 499 € ist das SLR Magic zwar kein absolutes Schnäppchen, liegt aber immer noch deutlich unter dem 899 € teuren Fujinon. Wer das Fujinon kennt, weiß, dass es das Geld wert ist. Es ist scharf, schnell, akkurat und hervorragend verarbeitet.

Küstenlandschaft in Spanien

Küstenlandschaft in Spanien

Wenn ich mir nun eine günstigere Alternative dazu anschaffen würde, könnte ich nur enttäuscht werden, dachte ich. Mit dem SLR Magic 23 mm f/1.7 trat dieser Effekt jedoch nicht ein.

Der erste Eindruck ist ein gänzlich positiver: Die robuste Metallverarbeitung des Objektivs erinnert an prestigeträchtige Marken, auch wenn ein Vergleich zu Leica weder fair noch angemessen wäre. Vor dem Kauf hatte ich auch über Zeiss und Voigtländer nachgedacht, aus denselben Gründen.

Was die Objektive dieser Hersteller verbindet, ist ihr Charakter. Weiche und leuchtende Farben bei Offenblende. Ein geschmeidiger, längerer Fokusweg. Eine stabile Konstruktion und ein Bildlook, der an analoge Arbeiten zumindest entfernt erinnert.

Was die Konstruktion angeht, war ich überrascht. Hätte der Name Zeiss oder Voigtländer darauf gestanden, ich hätte es geglaubt. Der Fokusring bewegt sich sanft und butterweich, das Metallgehäuse fühlt sich sehr wertig an. Dabei bringt es lediglich 240 g auf die Waage.

Ein Hund im Torbogen

Ein alter Mann vor einem Graffiti

Auf den Autofokus kann ich dank des sehr guten elektronischen Suchers in meiner Fuji und dem Fokus-Peaking gut verzichten. Ich habe in der Kamera meist ein Schwarzweiß-Preset und das Peaking rot eingestellt, womit in nahezu jeder Situation das Fokussieren kein Thema ist. Da ich auf RAW fotografiere, nutze ich das Preset quasi nur als Schwarzweiß-Einstellung für den Sucher.

An meiner Fuji X-T10 ist das Objektiv deutlich kleiner als die für eine Systemkamera recht große Fuji-Festbrennweite. Die Kombination ist sogar kleiner als meine geliebte Canon AE-1 und passt mit ihr gemeinsam locker in die Tasche.

Ein Merkmal, das ich erst im Lauf der Zeit zu schätzen gelernt habe, ist der stufenlose Blendenring. Für Videoaufnahmen sicher besonders interessant, hat mich dieses unscheinbare Merkmal dazu gebracht, deutlich ruhiger zu fotografieren. Sicher, ein klares Klicken bei der Blende vereinfacht das Ändern der Einstellungen beim Blick durch den Sucher. Zumal das Objektiv keine Daten an die Kamera übermittelt, im Sucher also keine Angaben zur Blende zu sehen sind, genauso wenig wie in den EXIF-Daten.

Ein bengalischer Straßenverkäufer

Bunte Wäsche im Wind

Die 23 mm, vom Bildausschnitt her also einem 35-mm-Objektiv an Vollformat entsprechend, sind für mich eine ideale und vielseitige Brennweite für unterwegs. Ich fotografiere damit auf der Straße, Landschaften und Portraits. Ein Blendenwert von f/1.7 ermöglicht mir auch am Crop-Sensor ausreichend Lichtstärke und Freistellung.

Bei Offenblende hat das Objektiv einen Charme, der durchaus Geschmackssache ist. Wer ein knackscharfes Bild ohne kleinere „Fehler“ sucht, greift besser tiefer in die Tasche zum Fujinon oder adaptiert Leica-Objektive. (Empfehlenswert sind diese Adapter von K&F, die trotz des günstigen Preises eine feste, stabile Metallverarbeitung aufweisen. Ich nutze diesen Adapter für Canon-FD-Objektive an meiner Fujifilm.)

Da ich einen gewissen Hang zur Imperfektion habe, läuft mir das Objektiv genau rein. Bei Offenblende vignettiert es leicht und verstärkt daher den charmanten, weichen Look, der verschwindet, sobald man ein wenig abblendet. Abgeblendet ist es ausreichend scharf, hat eine angenehme und natürliche Farbwiedergabe und keine nennenswerte Verzeichnung.

Portrait einer jungen Frau mit Blendenfleck

Zu erwähnen sind Blendenflecke und Bokeh. Weit offen produziert es ordentlich viele Flecken, die unter extremen Bedingungen und im richtigen Winkel durchaus auch genutzt werden können. Das Bokeh ist weich und nicht zu unruhig. An Zeiss-Objektiven hat mich immer das scharfkantige Bokeh ein wenig gestört, wenn man an diesen Objektiven überhaupt etwas zu meckern finden möchte. Beim SLR Magic erlebe ich das Bokeh als unaufdringlich, es lenkt den Blick auf den Fokus und macht ansonsten, was es soll: Es ist hübsch.

Wer gern ohne Autofokus arbeitet, kommt um eine Anpassung der Arbeitsweise ohnehin nicht herum. Um etwas vorausschauender zu fotografieren, steht meine Kamera meist auf ISO-Automatik, die Blende an die Gegebenheiten angepasst und die Verschlusszeit bestimmte ich manuell, entsprechend der Bewegung des Motivs. Das macht das SLR Magic wunderbar mit, die leichten Einstellungen an Fokus- und Blendenring lassen in aller Ruhe ausreichend Flexibilität zu.

Steppenlandschaft in Spanien

Granada unter Wolkenhimmel

Wer mit den Eigenheiten des Objektivs umgehen kann und sich nicht an fehlenden EXIF-Daten stört, wird beim SLR Magic Hyper Prime 23 mm f/1.7 mit viel Charakter in den Bildern und beim Fotografieren selbst belohnt. Der eher im mittleren Bereich angesiedelte Preis rechtfertigt sich meiner Meinung nach durch die gute Verarbeitung, das durchdachte Konzept und die charakteristische Abbildungsqualität. Aber ich habe auch leicht reden, denn ich habe die günstigen Gebrauchtpreise genutzt.

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