Rügen – Eine Winterreise
Schon lange habe ich davon geträumt, einmal in meinem Leben einen einsamen Winter an der Ostsee zu verbringen. Ich stellte mir das sehr romantisch vor: Das Leben in einem alleinstehenden, reetgedeckten Häuschen direkt hinter den Dünen. Ein wärmendes Feuer knistert im Kamin und außer dem Heulen des eisigen Winterwindes und dem tosenden Brechen der Meereswellen ist kein Geräusch zu hören.
Letztes Jahr ließ ich meinen Traum Realität werden, als ich auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft auf Rügen fündig wurde. Neben dem Kamin, der rauen Wintersee und einer ruhigen Wohnung war sogar der heißbegehrte Internetanschluss zum Arbeiten vorhanden. Und so packte ich meine Fotoausrüstung, meinen Laptop und eine Menge dicker Winterkleidung und zog für zwei Monate auf die Insel Rügen.
Aus heutiger Sicht erfüllte sich nicht nur ein Traum, sondern alles war sogar noch viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Schon Anfang Dezember machte der Winter seinem Namen alle Ehre und überzog die Insel mit einer wunderschönen, weißen Schneedecke. Der Bodden gefror und die Insel verfiel in einen Winterschlaf, der nur durch die Rufe der dort überwinternden Vögel unterbrochen wurde.
Und ich war mittendrin. Allein mit meiner Kamera bin ich stundenlang durch knietiefen Schnee gewandert, um die Eindrücke festzuhalten. Natur- und Landschaftsfotografie, vor allem im Winter, ist meine große Leidenschaft. Ich liebe den bleiernen Winterhimmel, das Türkis-Grau des Meeres und die tiefstehende Wintersonne, die mit ihren schräg einfallenden Sonnenstrahlen ein ganz besonderes Licht zaubert.
Bei meinen Aufnahmen habe ich versucht, nicht die typischen touristischen Ziele der Insel ins Visier zu nehmen, sondern mich abseits davon zu halten. Ich hatte für die fotografische Winterreise kein Konzept, sondern habe mich treiben lassen und die Natur so angenommen, wie ich sie vorfand.
Meine großen Vorbilder sind die Maler der Romantik wie Caspar David Friedrich oder William Turner. In der damaligen Zeit waren die zentralen Themen die Liebe und die Sehnsucht, verbunden mit Gefühlen und Individualität. Aber auch Unheimliches, Mysteriöses und Märchenhaftes wurde thematisiert. Ich hätte gerne in dieser Epoche gelebt und gearbeitet, bin aber heute glücklich darüber, dass ich mit Hilfe meiner Kamera Fotografien aus meiner Gefühlswelt erschaffen kann.
Dabei benutze ich ausschließlich mein 50mm-Objektiv und bearbeite die RAWs anschließend in Lightroom und Photoshop. Die Technik ist dabei Mittel zum Zweck, meine Ideen bildlich darzustellen. Viel wichtiger sind das Licht vor Ort und der Moment, den ich festhalten möchte.
Im Laufe der Wochen stellte sich heraus, dass die Vogelwelt auf Rügen ein ganz zentrales Element meiner Arbeit geworden war. Vögel stehen für mich für Freiheit, Leichtigkeit und gleichzeitig für Kontinuität und Ordnung.
Ich denke dabei an Zugvögel, zum Beispiel die Wildgänse, die im Herbst in einer Formation über uns hinweg fliegen und dann bei späterer Übernachtung wild durcheinander gewürfelt schlafen. Ich denke an die kreischenden Mauersegler im Sommer, die ihre Behausungen in gleichmäßiger Form und Anordnung bauen und gleichzeitig die Akrobaten der Lüfte sind, die wild in verschiedenen Höhen ihre Bahnen ziehen.
Freiheit, Kontinuität und Ordnung gepaart mit Leichtigkeit und Dynamik sind für mich kein Widerspruch, sondern ergänzen sich. Wenn man dies gezielt fotografisch umsetzt und dabei mit Unschärfen spielt, wird aus einem klassischen Vogelbild etwas Mystisches, Übersinnliches, das zum Träumen anregt.
Rügen im Winter ist einmalig. Die Strände sind menschenleer und die Strandkörbe lagern in ihrem Winterquartier. Die Straßen in den Kurorten, die im Sommer laut und hektisch sind, sind verwaist. Die Türen und Fenster der Restaurants sind verschlossen. Es ist nur noch das Rauschen des Meeres zu hören, das Rufen der Wildgänse, die auf dem Bodden überwintern.
An den Adventswochenenden treffen sich die Rügener auf kleinen Adventsmärkten zu einem Glühwein. Die Kinder rösten im Feuer selbstgemachtes Stockbrot, während eine Weihnachtsgeschichte vorgelesen wird. Alles ist sehr beschaulich und ruhig.
Ein ganz besonderes Highlight sind die leuchtenden Sanddornbüsche, deren Früchte gold-orange in der Wintersonne leuchten – vor allem im Kontrast zum weißen Schnee und dem grün-blauen Wintermeer. In der Umgebung von Kap Arkona leuchtet die ganze Steilküste und wirkt so wie ein verzauberter Ort.
Wenige Kilometer weiter südlich befinden sich die Buchenwälder des Nationalparks Jasmund. Im Winter wie magisch anmutend, wenn die kahlen, fast weiß-silbrig glänzenden Buchenstämme im Winterlicht erstrahlen und die rot-braunen Buchenblätter auf dem Boden einen starken Gegensatz dazu bilden.
Überall auf der Insel finden sich im Winter solche kleinen, magischen Orte, die zum Fotografieren einladen. Und nicht nur das – Rügen ist eine Insel, auf der ich wunderbar Kraft tanken und mich inspirieren lassen konnte. Die ganze Rügenreise könnt Ihr in meinem gleichnamigen eBook 50mm Rügen – Eine fotografische Winterreise nachlesen bzw. weitere Fotos anschauen.